Israel-Krieg: Tod und Zerstörung in Gaza

Seite 2: New York Times zu Diskurs in Israel

Es überrascht nicht, wie die New York Times berichtet, dass es Teil des normalen israelischen Diskurses ist, zu fordern, Gaza "auszumerzen", "auszuradieren" oder "zu zerstören".

Ein pensionierter IDF-General, der verkündete, dass "Gaza ein Ort werden wird, an dem kein menschliches Wesen existieren kann", argumentiert ebenfalls, dass "schwere Epidemien im Süden des Gazastreifens uns dem Sieg näherbringen werden".2

Ein Minister der israelischen Regierung ging sogar noch weiter und schlug vor, eine Atomwaffe auf Gaza abzuwerfen. Diese Äußerungen stammen nicht von isolierten Extremisten, sondern von hochrangigen Mitgliedern der israelischen Regierung.

Natürlich wird auch viel über die ethnische Säuberung des Gazastreifens (und des Westjordanlands) geredet, was faktisch eine weitere Nakba hervorbringen würde. Um den israelischen Landwirtschaftsminister zu zitieren: "Wir rollen jetzt die Gaza-Nakba aus".

Der vielleicht schockierendste Beweis für den Abgrund, in die die israelische Gesellschaft gesunken ist, ist ein Video von kleinen Kindern, die ein markerschütterndes Lied singen, das Israels Zerstörung des Gazastreifens feiert: "Innerhalb eines Jahres werden wir alle vernichten, und dann werden wir zurückkehren, um unsere Felder zu pflügen".

Infrastruktur wird zerstört

Viertens: Israel tötet, verwundet und lässt nicht nur eine große Anzahl von Palästinensern verhungern, sondern zerstört auch systematisch ihre Häuser sowie die kritische Infrastruktur – einschließlich Moscheen, Schulen, Stätten des Kulturerbes, Bibliotheken, wichtige Regierungsgebäude und Krankenhäuser.3

Bis zum 1. Dezember 2023 hatte die IDF fast 100.000 Gebäude beschädigt oder zerstört, darunter ganze Stadtviertel, die in Schutt und Asche gelegt wurden.

Infolgedessen wurden kaum vorstellbare 90 Prozent der 2,3 Millionen Palästinenser in Gaza aus ihren Häusern vertrieben.

Ebenso unternimmt Israel konzertierte Anstrengungen, um das kulturelle Erbe des Gazastreifens zu zerstören. Wie NPR (National Public Radio) berichtet, "wurden mehr als 100 Stätten des Kulturerbes in Gaza durch israelische Angriffe beschädigt oder zerstört".

Fünftens: Israel terrorisiert und tötet nicht nur Palästinenser, sondern demütigt auch öffentlich viele palästinensische Männer, die von der IDF bei routinemäßigen Durchsuchungen verhaftet wurden.

Israelische Soldaten ziehen sie bis auf die Unterwäsche aus, verbinden ihnen die Augen und stellen sie öffentlich in ihrer Nachbarschaft zur Schau – sie setzen sie zum Beispiel in großen Gruppen mitten auf die Straße oder führen sie durch die Straßen – bevor sie sie in Lastwagen in Internierungslager bringen. In den meisten Fällen werden die Gefangenen dann freigelassen, da sie keine Hamas-Kämpfer sind.

Sechstens: Obwohl es die Israelis sind, die das Gemetzel durchführen, könnten sie es nicht ohne die Unterstützung der Biden-Regierung tun.

Die Vereinigten Staaten waren nicht nur das einzige Land, das gegen eine kürzlich verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrats gestimmt hat, die einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza fordert, sondern sie haben Israel auch mit den Waffen versorgt, die für dieses Massaker notwendig sind.

Wie ein israelischer General (Yitzhak Brick) kürzlich klarstellte:

Alle unsere Raketen, die Munition, die präzisionsgelenkten Bomben, alle Flugzeuge und Bomben, alles kommt von den USA. In dem Moment, in dem sie den Wasserhahn zudrehen, können wir nicht mehr weiterkämpfen. Wir haben keine eigenen Fähigkeiten... Jeder versteht, dass wir diesen Krieg nicht ohne die Vereinigten Staaten führen können. Punkt.

Bemerkenswert ist, dass die Biden-Regierung versucht hat, die Lieferung zusätzlicher Munition an Israel zu beschleunigen und dabei die normalen Verfahren des Waffenexportkontrollgesetzes umgangen hat.

Siebtens: Auch wenn der Hauptfokus jetzt auf Gaza liegt, ist es wichtig, nicht aus den Augen zu verlieren, was gleichzeitig im Westjordanland vor sich geht.

Israelische Siedler, die eng mit der IDF zusammenarbeiten, töten weiterhin unschuldige Palästinenser und stehlen ihnen ihr Land.

In einem ausgezeichneten Artikel in der New York Review of Books, der diese Schrecken beschreibt, berichtet David Shulman von einem Gespräch, das er mit einem Siedler führte und das die moralische Dimension des israelischen Verhaltens gegenüber den Palästinensern deutlich widerspiegelt.

"Was wir diesen Menschen antun, ist eigentlich unmenschlich", gibt der Siedler freimütig zu, "aber wenn man genau darüber nachdenkt, folgt das alles unweigerlich aus der Tatsache, dass Gott dieses Land den Juden versprochen hat, und nur ihnen."

Zusammen mit ihrem Angriff auf Gaza hat die israelische Regierung die Zahl der willkürlichen Verhaftungen im Westjordanland deutlich erhöht. Nach Angaben von Amnesty International gibt es zahlreiche Beweise dafür, dass diese Gefangenen gefoltert und erniedrigter Behandlung ausgesetzt wurden.

Während ich beobachte, wie sich diese Katastrophe für die Palästinenser weiter entwickelt, drängt sich mir eine einfache Frage auf, die ich an Israels Führer, ihre amerikanischen Verteidiger und die Biden-Regierung richten möchte: Habt Ihr keinen Anstand?

John Mearsheimer ist ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler und international anerkannter Experte für Internationale Beziehungen. Er wurde am 14. Dezember 1947 geboren. Mearsheimer ist insbesondere für seine Arbeiten im Bereich der Neorealistischen Schule der Internationalen Beziehungen bekannt.

Sein einflussreichstes Werk ist wahrscheinlich das Buch "The Tragedy of Great Power Politics" (Die Tragödie der Großmachtpolitik), das im Jahr 2001 veröffentlicht wurde. In diesem Buch argumentiert er, dass die Struktur des internationalen Systems dazu neigt, Großmächte zu Konflikten und Wettbewerb zu drängen.

Mearsheimer hat auch zu verschiedenen anderen Themen im Bereich der Internationalen Beziehungen geschrieben, darunter die Rolle von Nuklearwaffen, die Beziehungen zwischen den USA und China sowie den Nahostkonflikt. Er lehrt an der University of Chicago, wo er die R. Wendell Harrison Distinguished Service Professor of Political Science ist.

Am 12.12.2023 hat er auf der US-Website Substackeinen Bericht über den jetzigen erneuten Krieg in Gaza und deren katastrophale Auswirkungen für die Palästinenser mit dem Titel "Death and Destruction in Gaza" (deutsch: Tod und Zerstörung in Gaza) veröffentlicht. Klaus-Dieter Kolenda hat diesen Text mit Genehmigung von John Mearsheimer ins Deutsche übertragen.

Übersetzung: Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e. V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

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