Israel: Verteidigungsminister Gallant darf nicht in die USA
Netanjahus Veto verschärft Spannungen. Möglicher israelischer Angriff auf Iran. Eine Attacke könnte den Ölpreis explodieren lassen. Mit verheerenden Folgen.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat die geplante Arbeitsreise von Verteidigungsminister Joaw Gallant in die USA vorerst blockiert. Wie die israelische Tageszeitung Haaretz berichtet, besteht Netanjahu vor Gallants Abreise auf ein Telefonat mit US-Präsident Joe Biden.
Streit um den geplanten israelischen Angriff auf Iran
Die Verschiebung erfolgt vor dem Hintergrund laufender Diskussionen zwischen beiden Ländern über den Iran und dem Widerstand der USA gegen einen israelischen Angriff auf Irans Ölindustrie.
Gallant sollte ursprünglich am Dienstag aufbrechen, doch seine Reise wurde verschoben. Netanjahu drängt laut Quellen auch darauf, dass das Sicherheitskabinett die geplante Militäraktion im Iran vor Gallants Abreise genehmigt.
Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh bestätigte die Verschiebung von Gallants Washington-Reise und betonte, Verteidigungsminister Lloyd Austin freue sich darauf, ihn bald zu empfangen. Sie hob die starke Beziehung zwischen den beiden hervor, die bereits über 80 Mal gesprochen haben.
Netanjahu politisiert fachlichen Austausch
Ein US-Vertreter erklärte gegenüber Haaretz, Ziel von Gallants Besuch sei der fachliche Austausch. Washington zeigte sich überrascht, dass einige Akteure in Israel den Besuch politisieren wollten. Außenamtssprecher Matt Miller wollte Netanjahus Vorgehen nicht kommentieren und verwies darauf, dass die israelische Regierung über Reisen entscheide.
Gallants Reise war als Reaktion auf den iranischen Raketenangriff Anfang des Monats vereinbart worden. Er wollte mit seinem US-Kollegen die andauernden Konflikte im Libanon und Gaza sowie Israels Verteidigungsbedürfnisse angesichts des langen Krieges erörtern.
Hochrangige US-Vertreter äußern zunehmend Kritik an Israels Vorgehen bezüglich eines möglichen Iran-Schlags. Trotz Bemühungen um eine koordinierte Antwort auf den jüngsten iranischen Angriff gebe es eine Vertrauenskrise zwischen beiden Seiten, berichten Axios und NBC News. Man habe kein Vertrauen mehr in Israels Aussagen zum Umfang und zur Art des geplanten Angriffs.
Wachsende Kritik aus den USA an Israels Vorgehen
Gallants Washington-Reise sollte dieser wachsenden Skepsis in der US-Regierung begegnen. Die Verschiebung dürfte die Vertrauenskrise nun verschärfen. Gallant gilt nach dem Ausscheiden der Ex-Generalstabschefs Benny Gantz und Gadi Eisenkot aus der Regierung als eine der verantwortungsvollsten Führungsfiguren Israels, die in Washington respektiert werden.
Die USA möchten sicherstellen, dass ein israelischer Angriff militärische oder staatliche Ziele im Iran ins Visier nimmt, nicht aber dessen Ölindustrie oder Atomprogramm. Auch führende europäische Regierungen teilen diese Botschaft.
Washington und europäische Hauptstädte sorgen sich, dass ein Angriff auf Irans Ölinfrastruktur die Ölpreise weltweit in die Höhe treiben könnte – erst recht, wenn der Iran wie 2019 erfolgreich saudische Ölfelder attackiert. Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan warnte bei einem Besuch in Katar, wo er Irans Präsidenten Masoud Peseschkian traf, vor einem solchen Szenario.
Keine Ölpreisexplosion im US-Wahlkampf gewünscht
Eine derartige Eskalation könnte sich auf die US-Präsidentschaftswahlen auswirken. Steigende Ölpreise würden Russlands Wirtschaft stärken, während der Westen versucht, die Ukraine in ihrem Krieg gegen Putins Regime zu unterstützen.
Präsident Biden riet Israel öffentlich davon ab, Irans Ölindustrie anzugreifen und kündigte an, dies mit Netanjahu zu besprechen. Bis Dienstag kam es jedoch zu keinem Telefonat, was als einer der Gründe für Netanjahus Entscheidung gilt, Gallants USA-Reise zu verschieben.
Wenige Stunden zuvor waren Zitate aus Bob Woodwards neuem Buch "War" veröffentlicht worden, darunter Bidens harsche Kritik an Netanjahu, den er als "schlechten Menschen" bezeichnet haben soll. Das Weiße Haus dementierte die Zitate nicht.
Erneute Waffenstillstandsverhandlungen?
Die US-Regierung hofft, in den kommenden Tagen einen Weg zu finden, um Waffenstillstandsverhandlungen und die Freilassung von Geiseln in Gaza wieder aufzunehmen.
Regierungsvertreter befürchten jedoch, dass Netanjahu daran derzeit kein Interesse hat. Sie sorgen sich, er könnte den regionalen Konflikt bewusst eskalieren und Israels Militäroperationen im Libanon ausweiten wollen, obwohl das Weiße Haus letzte Woche erklärte, Israels erwartete Operation im Libanon werde begrenzt sein.
Ein möglicher israelischer Schlag gegen den Iran hätte weitreichende regionale und globale Folgen. Europäische Regierungen und die USA befürchten einen Anstieg der Ölpreise, sollte Irans Ölindustrie getroffen werden. Dies könnte die Weltwirtschaft belasten und sich auf die US-Wahlen 2024 auswirken.
Auch eine Eskalation des Konflikts mit dem Iran sowie ein Übergreifen auf Nachbarländer wie den Libanon oder Saudi-Arabien wird befürchtet. Die Verschiebung von Gallants USA-Reise verdeutlicht die wachsenden Spannungen zwischen Israel und den USA in dieser Frage und dürfte das ohnehin angeschlagene Vertrauensverhältnis weiter strapazieren. Eine diplomatische Lösung scheint derzeit in weite Ferne gerückt.