Israel: Wird der IGH auf Völkermord erkennen?
Südafrika treibt seine Klage gegen Israel wegen Völkermord im Gazastreifen voran. Tausende Dokumente sollen die Schuld Tel Avivs belegen. Doch das wird schwierig.
Südafrika hat am Montag, dem 28. Oktober beim Internationalen Gerichtshof (IGH) fristgerecht sein Memorial über die Anwendung der Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes im Gazastreifen eingereicht. Das meldet das Präsidialamt in Pretoria in einer Pressemitteilung.
Gemäß der Geschäftsordnung des Gerichtshofs darf das Memorial nicht öffentlich gemacht werden. Der Schriftsatz umfasst über 750 Seiten und wird durch Beweisstücke und Anhänge von über 4.000 Seiten Umfang ergänzt.
Nach Auffassung von Pretoria enthält das Dokument, in dem die Hauptklage Südafrikas gegen Israel festgehalten ist, Beweise, die zeigen, wie die israelische Regierung gegen die Völkermordkonvention verstoßen hat. Israel habe die im Gazastreifen lebenden Palästinenser mit einer Reihe von zerstörerischen Waffen physisch getötet und ihnen den Zugang zu humanitärer Hilfe verwehrt.
"Massensterben und Zwangsumsiedlung"
Israel habe überdies Lebensbedingungen geschaffen, die auf die physische Zerstörung der Palästinenser abzielen und mehrere vorläufige Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofs ignoriert und missachtet. Schließlich habe Israel Hunger als Kriegswaffe eingesetzt, um die "Entvölkerung des Gazastreifens durch Massensterben und Zwangsumsiedlung von Palästinensern zu fördern".
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Die Dokumente zeigten, dass hinter Israels völkermörderischen Handlungen die spezielle Absicht stehe, einen Völkermord zu begehen. Zudem habe Israel es versäumt, die Anstiftung zum Völkermord sowie den Völkermord selbst zu verhindern und diejenigen zu bestrafen, die ihn anstiften und begehen.
Al Jazeera macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass der israelische Minister Itamar Ben-Gvir erst vor ein paar Tagen die Räumung des Gazastreifens von Palästinensern gefordert und erklärt habe, Israel könne das Gebiet besiedeln. Er hatte auf einer von der israelischen Regierungspartei organisierten Siedlerkonferenz gesprochen.
Zu viele Beweise?
Südafrikanische Diplomaten versichern, dass Aussagen wie diese unbestreitbaren Beweise für Israels völkermörderische Absichten liefern. Das Problem sei eher, dass zu viele Beweise vorlägen, erklärte Botschafter Vusimuzi Madonsela, Südafrikas Vertreter in Den Haag, gegenüber Al Jazeera.
Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Wie Al Jazeera weiter ausführt, besteht die Herausforderung in diesem Verfahren darin, die völkermörderische Absicht des Staates Israel nachzuweisen.
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Dafür sei eine Verbindung zwischen den Äußerungen von Beamten und dem programmatischen Charakter der Zerstörung des Gazastreifens aufzuzeigen. Auch wenn niemand daran Zweifel hege, dass in Gaza Kriegsverbrechen begangen worden seien, müsse Südafrika beweisen, dass der Staat verantwortlich sei.
Zusammenhang zwischen Staat und Tat
Im juristischen Sprachgebrauch der Völkerrechtler wird dieser Nexus zwischen Staat und Tat als dolus specialis bezeichnet – die spezifische Absicht, eine Gruppe entweder ganz oder teilweise zu vernichten. Es steht zu befürchten, dass der Fall scheitert, wenn Südafrika diesen Nachweis nicht erbringen kann.
In den vergangenen neun Monaten haben fast 100 Menschen – darunter zahlreiche Anwälte und Wissenschaftler – an verschiedenen Teilen des Falles gearbeitet, damit die Frist des IGH eingehalten werden kann. Geleitet wurde das Team von drei hochrangigen südafrikanischen Anwälten und einem Professor für internationales Recht.
Am 26. Januar hatte der IGH entschieden, dass es plausibel sei, dass Israel gegen die Völkermordkonvention verstoßen haben könnte. Der Gerichtshof hatte Tel Aviv gleichzeitig angewiesen, dafür zu sorgen, dass die israelische Armee von völkermörderischen Handlungen gegen Palästinenser absieht.
Gleichwohl hat Israel den Kampf gegen Gaza hauptsächlich im Norden Gazas verschärft und humanitäre Hilfe für alle in der Enklave lebenden Menschen weitgehend blockiert.