Israel startet Bodenoffensive in Gaza und droht mit "totaler Verwüstung"

Rauch steigt über zerstörten Häusern auf

Israel hat die Angriffe auf den Gazastreifen fortgesetzt und eine Bodenoffensive gestartet

(Bild: ImageBank4u/Shutterstock.com)

Israels Armee ist erneut in den Gazastreifen einmarschiert. Verteidigungsminister Katz droht der Zivilbevölkerung. Ein Überblick.

Die israelische Armee (IDF) hat am Mittwoch mit einem neuen Bodeneinsatz im nördlichen Gazastreifen begonnen. Ziel der "begrenzten" Operation sei es, eine "Pufferzone" zwischen dem Norden und Süden des Küstengebiets zu schaffen, teilten die Streitkräfte mit.

Bodentruppen hätten zudem die Kontrolle im sogenannten Netzarim-Korridor ausgeweitet, der den Gazastreifen von Nord nach Süd teilt.

Bruch der Waffenruhe

Kurz zuvor hatte Israel die Luftangriffe wieder aufgenommen und damit die seit Mitte Januar geltende Waffenruhe gebrochen. "Die Spielregeln haben sich geändert", erklärte Israels Verteidigungsminister Israel Katz am Dienstag.

Israels Regierung wirft der Hamas vor, Vermittlungsvorschläge für eine Verlängerung der Waffenruhe verweigert zu haben. Alon Liel, ehemaliger Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, hält dies jedoch für einen Vorwand. Gegenüber Al Jazeera erklärte er, der Bruch des Waffenstillstands sei "politisch" begründet.

"Die israelische Regierung will keine langfristigen Verhandlungen über die Zukunft des Gazastreifens, weil sie keiner Lösung außer der israelischen Kontrolle zustimmt. Je näher man also ernsthaften Verhandlungen über die Zeit danach kommt, desto weniger ist Israel daran beteiligt", so Liel.

Die israelische Öffentlichkeit sei insbesondere mit Blick auf die nach wie vor im Gazastreifen befindlichen Geiseln "verwirrt und wütend" über die jüngsten Entwicklungen, fügte er hinzu. Er sagte, die Welt müsse zeigen, dass sie sich für Gaza eine andere Zukunft wünsche als die israelische Regierung.

Die Hamas warf Israel vor, für den Bruch der Waffenruhe verantwortlich zu sein.

Laut Hamas-Vertreter Basem Naim habe es bis kurz vor Beginn der Angriffe noch Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch und eine Verlängerung der Waffenruhe gegeben. Netanjahu habe die Attacken jedoch aus "innenpolitischem Kalkül" und um Rechtsextreme zu beschwichtigen begonnen, so Naim. Man könne nicht darauf vertrauen, dass sich Israel an Vereinbarungen halte.

Während der Feuerpause waren Zehntausende Palästinenser in ihre Heimatorte im Norden des Gazastreifens zurückgekehrt.

Hunderte Tote bei Luftangriffen befürchtet

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) warnte, dass die Zahl der Verletzten in den vergangenen 36 Stunden aufgrund der Wiederaufnahme der Militäroperationen stark zugenommen habe. Wegen der kürzlich ausgesetzten humanitären Hilfe für das Küstengebiet seien die Vorräte an medizinischen Hilfsgütern zudem erheblich zurückgegangen.

Seit dem Beginn der jüngsten Angriffe gab es laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium mehr als 700 Tote, die meisten davon Frauen und Minderjährige. Mehr als 900 Menschen seien verletzt worden. Israel blockiert seit dem 2. März die Einfuhr jeglicher Hilfsgüter, darunter Nahrungsmittel und Medizin.

Angriff auf UN-Büro

Unter den Toten befindet sich auch ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen. Der Exekutivdirekter des Büros für Projektdienste der Vereinten Nationen (Unops), Jorge Moreira da Silva, erklärte, dass Angriffe auf UN-Einrichtungen ein Verstoß gegen das Völkerrecht seien.

Der Tod des UN-Mitarbeiters sei seiner Einschätzung nach "kein Unfall" gewesen, da die "Räumlichkeiten den israelischen Streitkräften gut bekannt" seien und das Unops Büro isoliert von anderen Gebäuden stand.

Unops arbeitet in Gaza an der Beschaffung und Verteilung von Treibstoff und erleichtert die Verteilung von Hilfsgütern nach Gaza.

Katz droht Zivilbevölkerung

Der israelische Verteidigungsminister Katz drohte indes der Bevölkerung in Gaza am Mittwochabend offen mit Vernichtung.

In einer im israelischen Fernsehen übertragenen Rede sagte er: "Einwohner von Gaza, dies ist eure letzte Warnung." Was noch komme, werde "viel schlimmer sein".

"Gebt die Geiseln frei und vertreibt die Hamas, dann eröffnen sich euch neue Möglichkeiten – einschließlich der Umsiedlung in andere Teile der Welt für diejenigen, die dies wünschen. Die Alternative ist Zerstörung und totale Verwüstung", so Katz.

Anfang Februar wies Katz die israelischen Streitkräfte an, Vorbereitungen für eine "freiwillige Umsiedelung" der Bevölkerung des Gazastreifens zu treffen, der von Israel seit 1967 illegal besetzt gehalten wird.

Netanjahu: Angriffe sind "erst der Anfang"

Auch Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte, die jüngsten Angriffe seien "erst der Anfang". Um israelische Geiseln freizubekommen, sei "militärischer Druck unerlässlich". Man werde weiterkämpfen, bis alle Kriegsziele erreicht seien. 58 Geiseln befinden sich laut israelischer Armee noch in Gefangenschaft, 34 von ihnen sollen tot sein.

Israels Armeesprecher Avichay Adraee untersagte Palästinensern derweil in einer Erklärung die Benutzung der Salah-al-Din-Straße, die den Norden und Süden des Gazastreifens verbindet. Offenbar soll die Bevölkerung erneut in Richtung der ägyptischen Grenze im Süden gedrängt werden.

Das bei einem arabisch-islamischen Sondergipfel gebildete Ministerkomitee zu Gaza verurteilte die Wiederaufnahme der Kämpfe und den "direkten Beschuss von Gebieten, in denen unbewaffnete Zivilisten leben" als "Eskalation, die die Gefahr eines breiteren Konflikts in der Region erhöht".

Es rief die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf Israel auszuüben, um die "Aggression und Verstöße" sofort zu beenden.