Ist das Methanol-Auto das bessere E-Auto?
Da wird es für die Einkäufe oder die Sportsachen der Kinder etwas eng: Methanolreformer des NECAR 3. Bild: HDP, CC BY-SA 2.5
Ein Ex-Audi-Ingenieur wirbt für ein Fahrzeug mit einer Methanol-Brennstoffzelle und der BR hilft dabei. Diese Fragen blendete der öffentlich-rechtliche Sender aber aus
Spätestens seit der Bayerische Rundfunk Anfang Mai eine Dokumentation über ein Methanol-Brennstoffzellen-Auto ausgestrahlt hat, ist das Netz voll von Diskussionen um dieses Antriebskonzept. Das Versprechen: Es soll so leise, sauber und nachhaltig sein wie ein E-Auto, aber gleichzeitig innerhalb von wenigen Minuten vollgetankt werden können und 800 Kilometer Reichweite haben, sodass es die Vorteile beider Welten - Elektro- und Verbrennungsmotor - kombiniert. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
Entsprechend euphorisch lesen sich die Kommentare zu diesem Konzept. Im Bericht wird Ex-Audi-Ingenieur Roland Gumpert vorgestellt, der zwei Autos mit diesem Antrieb ausgerüstet hat und der vom Bayerischen Rundfunk mehrere Testfahrten dokumentieren lässt. Schnell kam die Frage auf, warum die Automobilindustrie diese anscheinend vielversprechende Technik nicht weiterverfolgt.
Was ist also der Unterschied zwischen einem E-Auto und einem Methanol-Brennstoffzellenauto? Eigentlich sind diese Begriffe gar nicht so trennscharf abgegrenzt, wie der Titel dieses Artikels vermuten lässt, denn grundsätzlich sind beides Elektroauto: Sie werden beide mittels Elektromotoren angetrieben, die von einer Traktionsbatterie gespeist werden. Nur die Art, wie diese Batterie aufgeladen wird, unterscheiden sich. Wenn wir "E-Auto" sagen, meinen wir in der Regel eigentlich ein BEV (Battery electric vehicle), bei dem die Batterie direkt wieder aufgeladen wird. Berühmte Vertreter sind alle Tesla-Modelle, der VW ID.3 oder auch der Porsche Taycan.
Anstatt die Batterie per Ladekabel wieder aufzuladen, kann man nun verschiedene Kraftstoffe tanken, die das während der Fahrt erledigen. Bereits recht bekannt ist das Brennstoffzellenfahrzeug, umgangssprachlich auch Wasserstoffauto genannt. Der Wasserstoff wird in einem Hochdrucktank mitgeführt und zusammen mit aus der Außenluft angesaugten Sauerstoff mittels einer Brennstoffzelle in Energie und Wasser umgewandelt. Das Wasser wird zum Auspuff geleitet, die Energie speist die Batterie und ab da funktioniert der Antrieb wie im BEV - wenn auch mit deutlich kleinerer Batterie. Wem das Wort Brennstoffzellenfahrzeug zu sperrig ist, kann auch die Abkürzung FCEV (Fuel cell electric vehicle) nutzen.
Der Methanol-PKW von Roland Gumpert schaltet nun noch einen weiteren Schritt vor dieses Konzept. Da der Wasserstoff sich nicht gerade einfach lagern und transportieren lässt, tankt sein Sportwagen stattdessen ein Gemisch aus Methanol und Wasser, das sich ähnlich praktisch lagern und tanken lässt wie Benzin oder Diesel. Im Auto selbst ist nun ein Methanol-Reformer verbaut, eine Vorrichtung, die das Methanol-Wasser-Gemisch unter großer Hitze in Wasserstoff und CO2 umwandelt.
Hohe Reichweite durch übergroße Batterie
Mit diesem Wasserstoff wird nun wie im gewöhnlichen FCEV verfahren. Der ganze Antrieb schaltet also drei Vorgänge hintereinander, bis die Batterie den Strom für die Beschleunigung des Fahrzeugs liefern kann:
- Methanol wird in Wasserstoff und CO2 gewandelt.
- Wasserstoff wird in Strom und Wasser gewandelt.
- Strom lädt Batterie auf
Das vorgestellte Methanol-Auto ist also eigentlich eher ein Methanol-Wasserstoff-Elektroauto, das man mit Methanol und Wasser tankt, und aus dessen Auspuff Wasser und CO2 entweichen.
Halt! CO2? Wieso ist es dann überhaupt klimaschonend? Das ist es tatsächlich, wenn das Methanol mit klimaneutralem Strom erzeugt wird. In dem Fall wird der Atmosphäre bei der Methanol-Herstellung das CO2 entzogen, was beim Fahren wieder emittiert wird, ein insgesamt klimaneutraler Kreislauf entsteht (genau wie bei E-Fuels).
Bislang wird Methanol allerdings vornehmlich aus Erdgas durch kombinierte Dampf- und Autothermreformierung gewonnen. Ein mit solchem Methanol betanktes Auto hat das gleiche Problem wie ein mit grauem Wasserstoff betanktes Brennstoffzellenfahrzeug: Die Fahrt an sich ist zwar leise und abgasfrei, die Herstellung des Kraftstoffs verbraucht aber fossile Brennstoffe. Damit das Konzept nachhaltig ist, müssten also entsprechende Mengen von klimaneutral hergestellten Methanol hergestellt werden.
Lohnt sich dieser Aufwand? Der Bericht legt das nahe, denn mit diesem Konzept würden gleich mehrere Nachteile von BEVs beseitigt: Mehr Reichweite und kurze Tankzeiten würden direkt viele Menschen überzeugen und schneller vom Verbrennungsmotor abgewöhnen können. In den vielen Online-Kommentaren wurde außerdem positiv bewertet, dass man dann auch die umweltschädliche Batterieproduktion vermeiden könne.
Das Konzept könne in jedes beliebige Auto eingebaut werden, in einen Polo mit 50 PS oder in einen Langstrecken-LWK mit 40 Tonnen, man sei den normalen Batterieautos haushoch überlegen, wird Firmengründer Gumpert zitiert. Um das zu beweisen, hat er seinen Sportwagen "Nathalie" gebaut, der über die eingangs erwähnten 800 Kilometer Reichweite verfüge.
Das tut er tatsächlich, aber auch, weil darin neben dem 65-Liter-Tank für das Methanol eine recht große Lithium-Ionen-Batterie mit 70 Kilowattstunden Kapazität verbaut ist. Zum Vergleich: Das Oberklassemodell Tesla Model S wird ab dieser Batteriekapazität produziert und erreicht allein durch diese Batterie 350 km Reichweite. Die Freude über das Auto ohne Umweltauswirkungen durch Batterieherstellung ist an dieser Stelle also etwas verfrüht.
Wasserstofffahrzeuge in Konstruktion aufwändiger als BEVs
Im Gegensatz zu herkömmlichen Brennstoffzellen-PKW wie einem Hyundai Nexo oder einem Toyota Mirai ist diese Batterie also extrem groß. Der Grund ist, dass sie maßgeblich für die Beschleunigung benötigt wird: Die Brennstoffzelle einer Nathalie kann allein nur 15 kW leisten. Mit leerer Batterie dürfte der Wagen am Berg also kaum einen LKW überholen können.
Die vom Bayerischen Rundfunk vielfach gemachte Behauptung "Drei Minuten tanken, 800 Kilometer fahren" stimmt so also leider nicht. Man kann den 65-Liter-Tank mit Kraftstoff für 560 Kilometer betanken (das Auto stellt laut Hersteller 1,82 Kilowattstunden pro Liter Methanolgemisch bereit). Richtiger Fahrspaß kommt aber wohl nur auf, wenn auch die Batterie aufgeladen wurde oder man erst mal in langsamen Geschwindigkeiten unterwegs ist und die Batterie währenddessen auflädt.
Aber gut, für Menschen, die viel Langstrecke fahren, ist das ja vielleicht dennoch das bessere Konzept. Um das zu bewerten, fehlt uns aber immer noch eine wichtige Größe: die Kosten. Der Prototyp Nathalie dürfte mit seinen 400.000 Euro Kaufpreis für die meisten Angestellten nicht ins Budget passen, aber vielleicht ein in Serie hergestelltes Fahrzeug mit dem gleichen Konzept?
Ausgerechnet diesbezüglich bemüht sich der Bayerische Rundfunk leider um keine konkrete Aussage. Dabei wäre das ein entscheidender Faktor, stehen die Vorzeichen für einen Preisvorteil eher schlecht. Schon die herkömmlichen Wasserstofffahrzeuge sind in ihrer Konstruktion deutlich aufwändiger als die reinen BEVs.
In Brennstoffzellen sind Edelmetalle verbaut, aktuell primär Platin, was diese Bauteile generell teuer macht und ebenfalls eine Rohstoffabhängigkeit schafft. Diese Zellen sorgen für die elegante Reaktion, durch die aus Sauerstoff und Wasserstoff Energie und Wasser werden, aber dazu muss auch für ideale Bedingungen gesorgt werden. Bei niedrigen Temperaturen muss der Brennstoffzellen-Stack von Wasserresten befreit und vorgeheizt werden, sonst startet die Reaktion gar nicht. In Betrieb hingegen muss er gekühlt werden, und all das muss reibungslos funktionieren.
Zudem ist die Umgebungsluft nicht rein genug. Würde sie ungefiltert genutzt, würde Staub die Zellmembranen blockieren und auf Dauer schädigen, entsprechend aufwändige Filtersysteme werden benötigt. Aber selbst gefilterte Luft verhindert nicht, dass die Membran mit zunehmender Lebensdauer ihre Leistungsfähigkeit verliert. Aufgrund all dieser Faktoren sind die Wasserstofffahrzeuge oder FCEVs aktuell ungefähr 50 Prozent teurer als ähnlich große BEVs.
Ohne Methanol-Reformer geht es nicht
Im Gegensatz zu den FCEVs hat das Methanol-Antriebskonzept nun einen kleinen Kostenvorteil, weil es anstatt eines 700-bar-Wasserstofftanks nur einen gewöhnlichen Tank für eine Flüssigkeit benötigt. Dafür benötigt der Methanol-Sportwagen jedoch zusätzlich noch eine Vorrichtung, um die Flüssigkeit erst mal in Wasserstoff umzuwandeln. Diese Vorrichtung nennt sich Methanol-Reformer. Er kommt ebenfalls nicht ohne Edelmetalle wie Palladium und Silber aus, was aus dem Kostenvorteil wieder einen Nachteil machen dürfte.
Nicht nur die Produktion, auch Betrieb und Wartung könnten sich im Alltag als echte Kostentreiber erweisen. Für das Bundesverkehrsministerium hat der Entwickler einen E-Smart zu einem Methanol-Smart umgebaut. Bei Minute 16:04 kann man im Beitrag sehen, dass die ganze benötigte Technik nur eingebaut werden konnte, indem der Kofferraum dafür geopfert wurde. Ja, man kann das Konzept in einen Polo mit 50 PS einbauen, aber wie viel man danach noch transportieren kann, und ob das Attribut "haushoch überlegen" dann noch so recht passt, ist fraglich.
Man kann also davon ausgehen, dass Kaufpreis und Betrieb deutlich teurer sind als bei einem BEV. Bleibt die Frage, ob das Tanken günstiger ist. Der aktuelle Marktpreis von Methanol sagt hier wenig aus, da es sich um fossil hergestelltes Methanol handelt. Für Klimaneutralität muss das Methanol hingegen aus EE-Strom oder Atomstrom hergestellt werden. Für 100 Kilometer benötigt der Prototyp 11,5 Liter Methanol, das laut Bundesenergieministerium pro Liter 11,7 Kilowattstunden Strom in der Herstellung benötigt, womit wir bei einem Primärenergiebedarf von 134 Kilowattstunden / 100 Kilometer lägen.
Mit dieser Energiemenge kann man in einem Tesla Model S rund 650 Kilometer weit fahren oder alternativ einen durchschnittlichen Haushalt zwei Wochen lang mit Strom versorgen. Setzt man gängige Industriestromtarife von 18,55 Cent an, liegt man bei reinen Netto-Herstellungskosten von 25 Euro / 100 Kilometer.
Selbst wenn die gesamte deutsche Stromproduktion aus dem Jahr 2020 in die Methanol-Herstellung flösse, reichte die hergestellte Menge nicht aus, um die aktuelle deutsche PKW-Flottenleistung damit zu erbringen. Hier müsste auf Projekte im Ausland ausgewichen werden wie das Haru-Oni-Projekt von Siemens Energy im Süden von Chile, mit dem laut Siemens im kommenden Jahr 750.000 Liter E-Methanol hergestellt werden sollen.
Wie sehr die steten Winde in dieser Region die Kosten zu reduzieren imstande sind, wird sich zeigen. Dass der Verlust von 80 Prozent der eingesetzten Primärenergie am Ende günstiger ist als das direkte Aufladen einer Batterie, darf aber bezweifelt werden. Wer im haushoch überlegenen Methanol-Auto unterwegs sein möchte, sollte also damit rechnen, diese Überlegenheit entsprechend bezahlen zu müssen.
Massive Industrie-Anlagen wären nötig
Der scheinbare Vorteil, dass es keinen Milliardenausgaben bedarf, um Deutschland mit Elektrotankstellen auszustatten, wirkt gar nicht mehr so vorteilhaft, wenn stattdessen ähnliche Summen in entsprechend groß dimensionierte Industrieanlagen zur Methanol-Herstellung investiert werden müssen.
Zudem werden diese Kraftstoffe dringend für Branchen benötigt, bei denen wir mit Batterietechnik nicht weit kommen. Für Schiffs- und Flugverkehr, Stahlwerke, ganz allgemein Industriewärme und Maschinen in der Landwirtschaft werden wir Kraftstoffe benötigen, die dort etwas wichtiger sind als im Szenario, dass Menschen nach 400 Kilometer Fahrt drei Minuten tanken anstatt 20 Minuten laden können.
Die in den kommenden Jahren erscheinenden BEVs dürften aufgrund weiter fallender Preise in der Batterieproduktion ähnliche Reichweiten und mit über einer Million Kilometern deutlich höhere Lebensdauern erreichen. Entsprechend riskant ist es für Autohersteller, ins Methanol-PKW einzusteigen. Der Markt für Brennstoffzellen-PKW ist mit deutschlandweit 808 zugelassenen Fahrzeugen schon überschaubar, wie wird ein noch komplexeres, noch teureres Konzept da abschneiden?
Zudem ist die Idee nicht neu: Daimler hat bereit 1997 das NECAR 3 entwickelt, ein Methanol-Brennstoffzellen-Fahrzeug mit dem exakt gleichen Antriebskonzept. Auf der Wikipedia-Seite zur Modellreihe kann man den Methanol-Reformer im Kofferraum des Fahrzeugs sehen. An einen Urlaub mit zwei Kindern und entsprechend viel Gepäck ist damit nicht zu denken.
Es könnte seine Gründe gehabt haben, warum Daimler das Konzept nicht weiterverfolgt hat.