Ist der Bitcoin-Boom nur ein digitaler Karneval?
Der Bitcoin knackte erstmals die 100.000-Dollar-Marke. Für viele Krypto-Fans ist das der ultimative Triumph. Doch Experten warnen vor einem bösen Erwachen.
In einem für die Kryptowelt historischen Moment hat der Bitcoin kürzlich erstmals die Marke von 100.000 US-Dollar überschritten. Auslöser für den jüngsten Kursanstieg war die Euphorie der Krypto-Anhänger über die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, der sich als Bitcoin-freundlich präsentierte.
Trump nominierte daraufhin mit Paul Atkins einen Krypto-Befürworter zum neuen Chef der US-Börsenaufsicht SEC. Dies nährt die Hoffnung auf eine Lockerung der Regulierung.
Marktkapitalisierung nähert sich Zwei-Billionen-Dollar-Marke
Bei einem Preis von 100.000 US-Dollar nähert sich die Marktkapitalisierung von Bitcoin der Zwei-Billionen-Dollar-Marke. Damit übertrifft Bitcoin den Wert von Staatsanleihen vieler Länder.
Bereits vor Trumps Wahl hatten viele Krypto-Investoren einen Bitcoin-Kurs von 100.000 Dollar vorhergesagt. Hedgefonds-Manager Anthony Scaramucci und Milliardär Michael Novogratz sagten dies bereits vor Monaten voraus.
Doch nicht alle Experten teilen die Euphorie. Der Finanzjournalist Lionel Laurent warnt in einem Kommentar für Bloomberg davor, die Risiken auszublenden:
Wie beim Karneval im Rom des 18. Jahrhunderts, an dem der Dichter Goethe teilnahm und bei dem alles Verrückte und Törichte erlaubt war, außer Messerstechereien und Schlägereien, sind es die verwirrten Touristen, die in der Minderheit sind.
Trotz Höhenflug: Bitcoin bleibt volatil und krisenanfällig
Denn trotz aller Höhenflüge ist die Geschichte des Bitcoins auch von Krisen und Skandalen geprägt. Zwischen Ende 2021 und Ende 2022 brach der Kurs um fast 80 Prozent ein, nachdem mehrere Kryptowährungsunternehmen wie FTX zusammengebrochen waren. Skeptiker kritisieren zudem den fehlenden inneren Wert und die dezentrale Architektur mit einem enormen Energieverbrauch.
„Niemand benutzt Bitcoin, um seine Lebensmittel zu kaufen“, gibt Laurent zu bedenken. Laut einer Studie der Deutschen Bank AG besitzen nur sieben Prozent der US-Verbraucher Bitcoins. Und eine Umfrage der britischen Financial Conduct Authority habe ergeben, dass nur 16 Prozent der Krypto-Besitzer damit bezahlen.
Niedrige Akzeptanz trotz Spekulations-Hype
Skeptiker konzentrierten sich daher auf die mangelnde Akzeptanz in der realen Welt – „aber es sind die Spekulanten, die auf das sogenannte digitale Gold setzen und reich geworden sind“, schreibt Laurent. Die realen makroökonomischen Bedingungen müssten gut bleiben, um diesen spekulativen Glanz zu erhalten. Sollte die US-Wirtschaft ins Stottern geraten, könnte das die Attraktivität von Bitcoin untergraben.
Die jüngste Rally wirft laut Laurent auch längerfristige Fragen auf: Wie gefährlich könnte die Verspieltheit der Finanzwelt in einer Welt von 24/7-Trading-Apps, legalisierten Sportwetten und Sofortzahlungen werden? Krypto-Rallyes haben Anleger einer Vielzahl von Betrügereien und Programmen zum schnellen Reichtum ausgesetzt.
„Es wird eine Neuregulierung geben müssen und vielleicht ein komplettes Umdenken, wie die Grenzen zwischen Investment und Glücksspiel überwacht werden“, warnt der Experte.
Auch wenn Bitcoin im Finanzsystem angekommen ist, bleibt die Kryptowährung sehr volatil und anfällig für externe Schocks. Anleger sollten daher die enormen Risiken im Auge behalten, auch wenn die Nachfrage hoch ist und ein erneuter Angebotsengpass die Preise weiter nach oben treiben könnte.
„Die Hoffnung ist, dass dieser Karneval bald ausklingt“, schließt Laurent. „Aber die Geschichte der Finanzmanien, hauptsächlich der von der Politik geförderten, zeigt, dass uns noch einige Unfälle bevorstehen.“