Ist die Anerkennung des Palästinenserstaats mehr als eine symbolische Geste?

Seite 2: Fassadenpolitik

Es waren Nichtofferten, mit viel PR als "großzügige Angebote" an die Öffentlichkeit verkauft, die die Gegenseite wegen ihrer "Maximalforderungen" aber verschmäht hätten. Sie waren so "großzügig", dass weder die UN, die EU, die Weltbank, Menschenrechtsorganisationen noch führende Spezialisten für das Westjordanland in ihnen einen funktionstüchtigen Staat erkennen konnten.

Selbst Vertreter der israelischen Verhandlungsseite bezeichneten die Angebote im Nachhinein als inakzeptabel. Währenddessen verschwinden immer mehr wertvolles Land, Wasserreserven und wichtige Gebiete um Ostjerusalem hinter israelischen Separationsanlagen und Mauern.

Nach außen äußerten Israel und die USA zwar, dass man eine Zweistaatenlösung grundsätzlich unterstütze, de facto wurde sie aber in der UN und in Verhandlungen blockiert. Die Netanjahu-Regierung hat im Zuge des Gaza-Kriegs nun auch offiziell erklärt, dass man einen Palästinenserstaat nicht akzeptieren werde.

Viele Staaten Europas sind zwar der Ansicht, dass nur eine Zweistaatenlösung Frieden in Nahost bringen kann. Doch der größte Teil folgte letztlich der Linie Washingtons und Tel Avivs (was insbesondere für Deutschland gilt), während die jeweiligen Regierungen bei UN-Abstimmungen den Kopf einzogen.

Das entscheidende US-Veto

Bis zum heutigen Tag haben lediglich acht EU-Länder einen palästinensischen Staat in der UN-Generalversammlung anerkannt. Es sind Bulgarien, Zypern, die Tschechische Republik, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien, die Slowakei und Schweden. Jetzt kommen für die EU bzw. Europa mindestens drei weitere Staaten hinzu.

Da das US-Veto im UN-Sicherheitsrat und die Verhandlungsblockade von Israel, unterstützt von Washington, weiter besteht und nur über diese Wege die Umsetzung eines Palästinenserstaats möglich ist, wird die derzeitige Anerkennungsoffensive in Europa, so hilfreich sie ist, letztlich zu einem symbolischen Akt bzw. einer moralischen Geste degradiert. Doch gleichzeitig wird Israel und den USA die Botschaft gesendet, dass man nicht mehr bereit ist, stumm an der Seitenlinie zu verharren.

Akiva Eldar, politischer Kolumnist bei der israelischen Zeitung Haaretz, erklärte gegenüber Al Jazeera, die Anerkennung des palästinensischen Staates durch Norwegen, Spanien und Irland wende sich gegen die "Philosophie Netanjahus und der Mehrheit der israelischen Knesset, niemals einem palästinensischen Staat zuzustimmen, schon gar nicht unilateral".

"Erst vor ein paar Monaten hat die Mehrheit der Knesset eine sehr seltsame Resolution gegen jede unilaterale Anerkennung eines palästinensischen Staates verabschiedet", so Eldar.

Biden treu an der Seite Netanjahus

Der langjährige palästinensische Politiker Mustafa Barghouti bezeichnete die Anerkennung des palästinensischen Staates durch Irland, Spanien und Norwegen als einen "mächtigen politischen und symbolisch bedeutsamen Schritt", der die Erreichung von "Freiheit und Gerechtigkeit" für das palästinensische Volk näher bringe.

Es ist ein sehr wichtiger Schritt, um das Recht des palästinensischen Volkes – unseres Volkes – auf Selbstbestimmung zu kennzeichnen.

Bisher steht die Biden-Regierung in den USA jedoch weiter hinter der Netanjahu-Regierung, sendet Waffen an Israel für den Gaza-Krieg und verhindert nicht nur die Umsetzung eines Waffenstillstands, sondern auch die Einrichtung eines Palästinenserstaats. Solange das so ist, kann ein Palästinenserstaat nicht eingerichtet werden.

Doch die Washington-Blockade ist tatsächlich fragiler, als manche denken. Biden könnte aufgrund seiner Israel-Unterstützung der Verlust von wichtigen Stimmen bei den Präsidentschaftswahlen im November drohen. Auch international verliert der US-Kurs gegenüber Israel immer weiter die Weltöffentlichkeit – was am Ende den Druck auf Washington erhöhen könnte, zumindest Zugeständnisse zu machen.

Neuordnung in Nahost?

In den USA und Europa zeigen uns Umfragen, dass Mehrheiten das Vorgehen Israels in Gaza für nicht gerechtfertigt halten und die Zweistaatenlösung unterstützen, während die Proteste insbesondere an Universitäten zunehmen, einen Waffenstillstand durchzusetzen und die israelische Besatzungspolitik zu beenden.

Dazu kommen Entscheidungen der beiden internationalen Gerichtshöfe in Den Haag. Dabei handelt es sich um den Internationalen Gerichtshof der UN, der Verbrechen von Staaten behandelt und von "plausiblem Völkermord" Israels in Gaza spricht, und den Internationalen Strafgerichtshof, der kriminelles Verhalten von Personen verfolgt und gerade Haftbefehlanträge nicht nur gegen drei Hamas-Vertreter, sondern auch gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant gestellt hat.

All das sind Anzeichen für Verschiebungen, vielleicht der Anfang einer Neuordnung des Kräfteverhältnisses in Nahost. Wie auch immer: Es wird in Zukunft schwerer werden für Israel und die USA, die Friedenslösung, die Einrichtung eines palästinensischen neben einem israelischen Staat, wie von der Welt und dem internationalen Recht gefordert, weiter zurückzuweisen bzw. auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.