Ist die Marktwirtschaft alternativlos?
Seite 3: Verschwendung und Schweinezyklus
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Außer der Abwicklung der Käufe haben die Angestellten in den Läden die Aufgabe – auch dies eine Gemeinsamkeit in beiden Gesellschaftsformen –, für die Bevorratung mit den angebotenen Gütern zu sorgen. Das geschieht, ebenfalls in beiden Fällen, auf der Grundlage statistischer Erfahrungswerte über die Nachfrage nach den verschiedenen Sorten von Konsumartikeln. Wie sollte es auch sonst gehen?
Von diesem Punkt an tun sich allerdings Unterschiede auf, die hier näher besprochen werden sollen, da sie uns die Schönheiten der Marktwirtschaft vor Augen führen.
Es geht an mit den Reaktionen, wenn die statistischen Annahmen über die Nachfrage einmal daneben liegen, wie das bei statistischen Annahmen eben vorkommt: im Kapitalismus werden Waren, die im Laden liegen bleiben, vernichtet oder allenfalls mit gewissen Preisabschlägen verkauft, denn der Händler will sich ja nicht die eigene Nachfrage zerstören.
Im Sozialismus können sie verschenkt werden. Dauerhafte Abweichungen führen hier wie dort zu Anpassungen der Produktion. Im Kapitalismus geht das so: bleiben bestimmte Waren im Laden liegen, werden sie nicht nachbestellt; nach einiger Zeit merkt das dann der Großhändler, und bestellt auch nicht nach und das geht möglicherweise noch über ein paar weitere Zwischenhändler, bis schließlich der Produzent die mangelnde Nachfrage wahrnimmt.
Auch die Rückmeldung über erhöhte Nachfrage nimmt ihren Verlauf über mehrere Stufen, bevor sie beim Produzenten ankommt. Im Sozialismus kann eine zentrale Koordination eingerichtet werden, die die Rückmeldungen direkt aus den Verkaufsstellen entgegennimmt, sammelt und bei Bedarf die Produktionsbetriebe weiterleitet. Es geht also dort schneller als hier.
Wie geht es weiter, wenn ein kapitalistischer Produktionsbetrieb wahrnimmt, dass eine nicht befriedigte Nachfrage nach einem bestimmten Artikel besteht? Zunächst ist anzumerken, dass die Nachfrage als solche es nicht ist, was die Kapitalisten zu Reaktionen veranlasst, schließlich ist ja der Zweck der kapitalistischen Produktion nicht, den Wünschen der Konsumenten nachzukommen, sondern Gewinn zu machen.
Die erhöhte Nachfrage muss erst ihren Niederschlag in erhöhten Preisen gefunden haben, bevor etwas geschieht. Gut, zu Preiserhöhungen wird es aber sicher kommen, möglicherweise auch wieder entlang der Reihe von Zwischenhändlern.
Und was passiert dann? Jeder Betrieb, der die bestimmte Ware produziert, verlegt sich nun ohne Absprache mit seinen Konkurrenten darauf, mehr davon zu produzieren, um von den erhöhten Preisen zu profitieren. Das wird dazu führen, dass insgesamt nun deutlich mehr produziert wird, als Nachfrage danach besteht. Es beginnt also nun das umgekehrte Spielchen, allerdings ebenfalls wieder unkoordiniert und deshalb über das Ziel hinausschießend.
So geschieht im Kapitalismus die Anpassung der Produktion an die Nachfrage in Wellenbewegungen, die so regelmäßig auftreten, dass sich dafür eine gängige Bezeichnung eingebürgert hat, nämlich "Schweinezyklus", weil sich das bei der Schweinezucht besonders ausgeprägt beobachten lässt.
Im Sozialismus wird die Produktion zentral koordiniert. Da kann man die Produktion eines stark nachgefragten Artikels daher gesamtgesellschaftlich gerade so weit erhöhen, als aufgrund der Meldungen aus den Läden angemessen erscheint. Es wird also kein Schweinezyklus entstehen.
Bisher wurde von der Distribution der Konsumgüter gesprochen. Wie sieht es mit der Distribution der Produktionsmittel aus? Innerhalb eines jeden kapitalistischen Unternehmens gibt es Beschaffung und Lagerhaltung sowohl von extern gekauften als auch von selbst erstellten Arbeitsmitteln, Rohstoffen und Halbfertig-Produkten.
Der Austausch zwischen den Unternehmen findet am Markt statt, mit fast identischen Erscheinungen wie oben für den Konsumgütermarkt beschrieben; innerhalb eines Unternehmens werden die Güter durch interne Koordination dorthin gebracht, wo sie gebraucht werden. Wieso sollte letzteres nicht auch im Sozialismus funktionieren, wo die gesamte Produktion der Gesellschaft wie in einem einzigen Unternehmen organisiert wird?
Innerhalb der Produktionseinheiten besteht hier wie dort ein internes Rechnungs- und Verteilungssystem, das sich aus der Kenntnis der technischen Abläufe ergibt und durch geeignete Lagerhaltung im Hinblick auf unvorhergesehene Schwankungen und sonstige Ereignisse stabilisiert wird.
Oft wird von den Apologeten des Kapitalismus bezweifelt, dass so große Produktionseinheiten, wie es die gesamte Wirtschaft im Sozialismus wäre, in effizienter Weise mittels interner Planung funktionieren könnten.
So zu argumentieren, widerspricht jedoch gerade dem, was man im Kapitalismus ständig beobachten kann, denn es ist ja gerade die Effizienzsteigerung durch Größengewinn, was im Kapitalismus unentwegt Erweiterungen und Zusammenschlüsse von Firmen motiviert. In Wirtschaftskreisen hat sich dafür auch schon ein eigener Terminus eingebürgert: Synergieeffekte.
Ein anderes Argument betrifft die Innovationsfreudigkeit, die angeblich nur durch die Konkurrenz am Markt motiviert werden könne. Das ist, wenn es denn je gegolten hat, nicht mehr zeitgemäß, denn neue Technologien zu entwickeln, verlangt heute so große Vorschüsse an Forschungsarbeit, deren Resultat und damit deren Anwendungsmöglichkeiten zudem im Voraus schwer abschätzbar sind, dass diese fast immer erst einmal in öffentlichen Institutionen erfolgt oder staatlich stark subventioniert wird.
Teil 2: Die Wundertätigkeit des Markts
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