Ist die Verstaatlichung der Stromübertragungsnetze unvermeidlich?
Für Wind- und Solarstrom werden neue Stromtrassen benötigt. Die Kosten stiegen durch die Erdverkabelung. Netzausbau stockt, Verstaatlichung naht?
Es gibt in Deutschland vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜN-Betreiber), die jeweils bestimmte regionale Zonen im Gebietsmonopol beliefern.
Die von den heutigen Übertragungsnetzbetreibern bedienten Regionen gehen zurück auf die vier großen überregionalen Energiekonzerne RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall, die im Rahmen des politisch verordneten Unbundling, also der Trennung von Netz und Stromerzeugung/-handel, geschaffen wurden.
Die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland
Die auf das Netz von RWE zurückgehende Amprion GmbH befindet sich heute mehrheitlich im Besitz von Investoren. Das sind mit 74,9 Prozent die M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um ein Konsortium von überwiegend deutschen institutionellen Finanzinvestoren aus der Versicherungswirtschaft und von Versorgungswerken.
Dazu zählen die MEAG, Swiss Life und Talanx sowie mehrere Pensionskassen. Mit 25,1 Prozent liegt noch eine Sperrminorität bei RWE. Amprion betreibt ein 11.000 Kilometer langes Höchstspannungsnetz und transportiert Strom in einem Gebiet von der Nordsee bis zu den Alpen.
50 Hertz Transmission und ihre Eigentümer
Die 50 Hertz Transmission ist Teil der internationalen EIia Group, eine belgische Holding mit einem Anteil an 50 Hertz von 80 Prozent. Die KfW Bankengruppe hält die anderen 20 Prozent. Beide Eigner halten ihre Anteile an 50Hertz über die deutsche Holdinggesellschaft Eurogrid GmbH.
Der Einstieg der KfW war über den Umweg von Elias Vorkaufsrecht erfolgt, um 2018 einen Einstieg der State Grid Corporation of China (SGCC) zu verhindern, der den Anteil des australischen Investors Industrie Funds Management (IFM) übernehmen wollte.
IFM hatte ursprünglich 40 Prozent von 50Hertz von Vattenfall übernommen und Elia 60, die später auf 80 Prozent aufgestockt hatten. Größter Anteilseigner von Elia sind über Publi-T belgische Kommunen. In welchem Umfange sich diese auf Dauer an den durch die deutsche Energiewende entstehenden Kosten beteiligen wollen, ist derzeit noch kein Thema.
TenneT TSO GmbH: Ein niederländisches Unternehmen in Deutschland
TenneT TSO GmbH mit Sitz in Bayreuth hat im Jahr 2010 das deutsche Hochspannungsnetz von E.ON erworben. Die gesamte TenneT-Gruppe betreibt über 25.000 Kilometer Hochspannungsleitungen und -kabel in Deutschland und den Niederlanden. Eigentümer der Muttergesellschaft TenneT Holding BV ist zu 100 Prozent der niederländische Staat.
Da dieser die deutsche Energiewende nicht finanzieren will, hat man schon 2023 Verkaufsverhandlungen mit dem deutschen Staat aufgenommen. Die FDP spricht sich dagegen aus.
TransnetBW: Ein Übertragungsnetzbetreiber im Wandel
Der Übertagungsnetzbetreiber TransnetBW war bis vor wenigen Monaten eine 100-prozentige Tochter der Energie Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr hatte sich die Südwest Konsortium Holding GmbH unter Führung der SV SparkassenVersicherung mit über 30 Sparkassen, Banken, Versicherungen und Körperschaften aus Baden-Württemberg einen 24,95-prozentigen Anteil an TransnetBW gesichert. Danach kam die KfW im Auftrag des Bundes mit ebenfalls 24,95 Prozent zum Zuge.
Verzögerungen beim Ausbau der Übertragungsnetze
Obwohl schon lange absehbar war, dass der Ausbau der Erneuerbaren im Norden und Osten der Republik deutlich schneller erfolgte als im Süden, wo sich die größten Verbraucherstandorte befinden, welche sich lange Zeit auf die Versorgung durch fossile Kraftwerkszentralen verlassen haben, hat der Übertragungsnetzausbau mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten.
Widersprüche und Einsprüche von Anliegern haben den Ausbau der oft als Stromautobahnen bezeichneten Höchstspannungstrassen über Jahre behindert.
Die Herausforderungen beim Ausbau der Höchstspannungsleitungen
Gerade in Bayern drängte man die Netzbetreiber, Höchstspannungsleitungen in Erdverkabelung auszuführen. Dies ist jedoch deutlich teuer als eine Freileitung, weil die geringere Übertragungskapazität je Leitungssystem jeweils mindestens die doppelte Anzahl von Kabelsystemen benötigt.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass im Bereich der Kabeltrassen das Anlegen von Hochwasserpoldern nicht möglich ist, weil durch die Retentionsräume der Zugang zu den Erdkabeln verhindert würde.
Übertragungsnetze verstaatlichen: Lösung oder Problem?
Aufgrund der gewaltigen Summen, die für den Ausbau der Übertragungsnetze benötigt werden und der gestiegene Zinsen, bekommen die ÜN-Netzbetreiber zunehmend Probleme mit der Finanzierung des Netzausbaus. Dazu kommt die Angst vor staatlichen Regulierungseingriffen, welche die erzielbaren Margen deutlich einschränken würden, um die Strompreise nicht wieder steigen zu lassen.
Da nimmt es kaum Wunder, dass die Übertragungsnetzbetreiber den Ausbau und den Betrieb der Hoch- und Höchstspannungsnetze lieber an den Bund verkaufen wollen, als selbst verstärkt ins Risiko zu gehen. Wenn den Übertragungsnetzbetreibern schlicht das Kapital ausgeht, scheitert der Ausgleich zwischen dem Nordosten und dem Süden der Republik und damit die Energiewende.
Bislang unterliegen die Übertragungsnetze wie auch die Verteilnetze der staatlichen Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Wenn der Staat nun nicht nur Gesetzgeber, sondern auch Eigentümer und Regulierer der Übertragungsnetze werden sollte, sieht dies hauptsächlich die FDP kritisch, hat jedoch selbst keinen besseren Vorschlag.
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