Ist es das Ende vom Trump-Reich?
Der damalige US-Präsident Donald Trump bei einer Zeremonie 2017. Bild: Navy Petty, DOD / CC BY 2.0
Hilflos wirkte Donald Trump im Gerichtssaal. Und das zu Recht, denn die Anklage könnte eine Wende bringen. Aber nicht nur rechtlich steht dem Ex-US-Präsidenten das Wasser bis zum Hals.
Am Dienstag musste Donald Trump vor Gericht in New York City erscheinen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass sich ein Ex-Präsident einem Verfahren stellen muss.
Trump werden 34 Straftaten von der Anklage zu Last gelegt. Juristen halten alle Anklagepunkte für bedeutsam und mit Dokumenten gut belegt. Im Kern geht es darum, dass er Schweigegeldzahlungen verschleierte und negative Geschichten unterdrücken ließ, und damit die Wahlen illegal beeinflusste.
Im Gerichtssaal wirkte Trump ohnmächtig, kraftlos, fehl am Platz. Zurück im sicheren Florida beschimpfte er erneut den Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg und seine Frau sowie den Richter, dessen Frau und seine Tochter. Doch auch das wirkte hilflos.
Droht dem Trump-Reich etwa sein Ende?
Man sollte vorsichtig sein mit Prognosen. Insbesondere, wenn es um den selbst erklärten Volkstribun und Ex-US-Präsidenten Donald Trump geht. Denn es stimmt, dass Trump seine Kritikerinnen und die Skeptiker immer wieder überrascht und Lügen gestraft hat. Aber auch abgesehen von der Klage – und weitere drohen, nicht nur wegen Anstiftung zum Staatscoup – könnte der Anfang vom Ende der großen Ära Trump eingeläutet sein.
Erinnern wir uns: Trump startete als Immobilienentwickler in New York City in den 1970er-Jahren. Er hatte das Wohnhäuser-Imperium seines Vaters geerbt (Donald Trump ist weit entfernt davon, ein Selfmade-Milliardär zu sein, auch wenn er das ständig behauptet). Und er ging daran, die Geschäfte auf seine ganz eigene Art und Weise zu betreiben und auszudehnen.
Wie der investigative Journalist und Pulitzer-Preisträger David Cay Johnston aufzeigt, der drei Bücher in den letzten Jahren über Trump geschrieben hat, log und betrog Trump sein Leben lang, während er die Leute um sich herum bestahl.
Kongenial schaffte er es dabei, das Rechtssystem immer wieder auszuhebeln, wobei er die Lücken bei sogenannten "White-Collar-Crimes" (Unternehmensverbrechen) ausnutzte und trotz, oder gerade wegen dieser Chuzpe zum internationalen Darling und Medienstar aufstieg.
Johnston listet im Interview mit Democracy Now etliche schmutzige und kriminelle Geschäftstätigkeiten auf: verbotene Diskriminierung von Schwarzen bei Wohnungsvermietungen, Steuerhinterziehungen, falsche Versprechungen, Veruntreuung von Spenden- und Stiftungsgeldern und so weiter.
Zehn Jahre habe Trump zudem mit einem einflussreichen internationalen Drogenhändler zu tun gehabt, dem er sich immer wieder erkenntlich zeigte. In seinen Casinos in Atlantic City soll er 12-, 13- und 14-jährige Kinder mit Alkohol, Limousinen und Hotelzimmern versorgt haben, weil sie über Geld für Glücksspiele verfügten.
Als er das Bonwit-Teller-Gebäude in Manhattan 1979 abreißen ließ, um dort den berühmt-berüchtigten Trump Tower zu errichten, heuerte er 400 Arbeiter an – in Trumps Welt "illegale Einwanderer" –, Menschen also, denen er später als Präsident den brutalen Krieg erklären und ihre Kinder an der Grenze entreißen sollte, um sie in de-facto-Gefängnissen zu isolieren.
Doch Trump wollte diejenigen, die den Tower für ihn bauten, nicht bezahlen, bis sie drohten, seinen Aufseher umzubringen. Und als sie schließlich bezahlt wurden, saß dort ein Mafioso, der jeden von ihnen zwang, einen Teil seines Lohns auszuhändigen. Aber Trump sei immer wieder davongekommen, so Johnston:
In all diesen Fällen ist ihm nie etwas zugestoßen. Als junger Mann setzte er sich gegen vier bundesstaatliche Anklagejurys durch. Er wurde nicht für Umsatzsteuerbetrug bestraft, als selbst der damalige Bürgermeister von New York, Ed Koch, forderte, er solle für 15 Tage ins Gefängnis gehen. Er ist einfach so davongekommen, und zwar dank der Techniken, die ihm der berüchtigte Anwalt Roy Cohn aus der McCarthy-Ära beigebracht hat, der einer seiner Anwälte war.
Trump machte weiter mit seinen dreisten Coups und Überraschungsmanövern. Nachdem seine Sendung "The Apprentice" vom Sender NBC abgesetzt wurde – eine herbe Kränkung fürs Trump-Ego –, kündigte er an, als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner anzutreten.
Niemand gab ihm eine ernsthafte Chance. Er setzte auf offenen Rassismus und rechten Kulturkrieg, spielte nun "dirty" auf der großen politischen Bühne. Und am Ende konnte er seine Herausforderin von den Demokraten Hillary Clinton schlagen – und alle waren überrascht.
Im Weißen Haus wütete er dann regellos. Sein ehemaliger Berater, John Bolton, schreibt in seinen Memoiren: "Behinderung der Justiz im Weißen Haus war eine Lebenseinstellung." Er missachtete 150 Vorladungen zum Kongress. Demokratische Abgeordnete brachten zwölf Vergehen im Kongressbericht Dezember 2019 vor, die ein Amtsenthebungsverfahren nach sich ziehen würden. Doch die demokratische Führung duckte sich auf dem Kapitol weg.
Lange ist es Donald Trump gelungen, seine schmutzigen Geschäfte, Lügen und Egomanie in Reichtum und Macht umzumünzen. Doch es zeigen sich mehr und mehr Risse im Trump-Reich.
Können sich die USA aus dem Sturm befreien?
1. Trump gewinnt keine Wahlen (mehr). Selbst beim Sieg 2016 über Clinton konnte er nicht die Mehrheit der Stimmen, den "popular vote" gewinnen. Nur das "electoral college", bei dem die sogenannten Wahlmänner und -frauen aus den Bundesstaaten über die Wahl entscheiden, verschaffte ihm den Sieg.
Bei der letzten Präsidentschaftswahl konnte Joe Biden von den Demokraten trotz Trumps ständigen Lügen, Aufhetzungen und egomanischen Medienangriffen, wenn auch nur hauchdünn, den Sieg erringen – zumindest was das "electoral college" angeht, bei den Stimmen insgesamt war der Abstand klarer.
Die Zwischenwahlen im November letzten Jahres zeigen, dass sich Trumps Wahlstern weiter im Sinkflug befindet. Viele der republikanischen Kandidat:innen für den Senat oder das Repräsentantenhaus, die Trump unterstützte, fielen durch. Eine Unterstützung wirkte sich meist negativ aus.
Vor allem junge Wähler ziehen den Republikanern und Trump zunehmend einen Strich durch die Rechnung. Sie wählen mit großen Mehrheiten progressive Kandidaten. Und diejenigen, die 2016 bei Trumps Wahl zehn Jahre alt waren, werden 18 und damit wahlberechtigt sein, wenn 2024 ein neuer Präsident gewählt und viele Sitze im Kongress vergeben werden. Es geht für die MAGA-Truppe ("Make America Great Again") in die falsche Richtung.
Während Trump am Dienstag in New York vor Gericht erscheinen musste, erlitten am selben Tag die Trump-Republikaner erneut zwei große Schlappen. Im Bundesstaat Wisconsin wurde eine Liberale gegen den Republikaner-Kandidaten in den dortigen Obersten Gerichtshof gewählt.
Damit ist der Supreme Court dort nun nach sehr langer Zeit wieder liberal, was aus diversen Gründen große Konsequenzen auch auf die anstehende Präsidentschaftswahl und die Machtbalance im Kongress haben könnte.
Denn über diesen den Republikanern bisher zugeneigten Gerichtshof planten die Trump-Anhänger, die Präsidentschaftswahl 2024 rechtlich angreifen zu können. Zugleich hatte der dortige Supreme Court eine Neueinteilung der Wahlkreise durchgeboxt, die republikanische Kandidaten bewusst bevorzugt.
Das könnte jetzt wieder rückgängig gemacht werden und den Demokraten neue Sitze im Kongress bringen. Der Journalist John Nichols aus Wisconsins nennt in The Nation diese Wahl daher "die wichtigste Wahl für das Jahr 2023".
In Chicago, die drittgrößte Stadt der USA, gewann zeitgleich ein progressiver Demokrat gegen den republikanischen Herausforderer und ist jetzt neuer Bürgermeister. Brandon Johnson kommt aus der Gewerkschaftsbewegung. Eine kappe Entscheidung, sicherlich, der "Wind of Change" bläst nicht mächtig, aber unablässig in eine Richtung.
2. Trump fehlt mehr und mehr die Mobilisierungskraft. Der von ihm angestiftete Staatscoup-Versuch am 6. Januar 2021 und die "Stop-The-Steal"-Kampagne sollten der Höhepunkt seiner Chuzpe-Strategie bilden, mit der er die Macht einfach mit einem Mob an sich reißen wollte.
Aber anstatt sich an die Spitze zu stellen, zog er sich ins Weiße Haus und später dann auf sein Luxus-Anwesen Mar-a-Lago zurück. Jetzt werden die, die seinen Rufen folgten, angeklagt oder sind bereits wegen schwerer Verbrechen wie Volksverhetzung verurteilt worden. Das wirkt nicht gerade mobilisierend für seine Anhänger.
Vor gut einer Woche verkündete Trump im texanischen Waco seine erneute Kandidatur um die US-Präsidentschaft. Sein erster Wahlkampfauftritt, groß angekündigt. Es sollte ein Fanal, eine Angriffserklärung werden. Er prahlte, dass Zehntausende gekommen sein. Auswertungen zeigen, dass es einige tausend Anhänger waren, die sich versammelten.
Trump hatte versprochen, dass seine Fans bei seiner Ankunft vor Gericht in Manhattan in Jubel ausbrechen würden – aber in Wirklichkeit war das Ganze ein ziemlicher Reinfall. Einige hundert Pro- und Anti-Trump-Demonstrierende hatten sich eingefunden.
Das Herzstück des Protests – ein Auftritt von Marjorie Taylor Greene, der QAnon-anhängenden, rechtsextremen republikanischen Verschwörungstheoretikerin – entpuppte sich als Farce. Keiner konnte sie richtig mit ihrem Megafon hören. Nach drei Minuten brach sie ab und verschwand.
Der Konzernkritiker und ehemalige Präsidentschaftskandidat Ralph Nader sieht in der Anklage Trumps eine "erste Wende" in Sachen Rechtlosigkeit. Das müsse nun erweitert werden. Der Trump-Analyst Johnston spricht von schleichendem Machtverlust:
Die Realität sieht so aus, dass Donald Trumps Unterstützung schwindet und immer mehr in Richtung Ohnmacht schrumpft. Er hat nicht einmal die Unterstützung der Mehrheit der Republikaner, und die Republikaner in Amerika sind eine Minderheitspartei.
Wie der ehemalige US-Arbeitsminister Robert Reich sagt, will Donald Trump nicht US-Präsident, sondern Führer einer faschistischen Nation werden. Aber ein faschistischer Führer muss dafür das System, auch das politische und das Rechtssystem, überwältigen.
Als US-Präsident ist ihm das nicht gelungen. Der von ihm angestiftete Staatscoup misslang. Nun bröckelt sein Reich. Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang. Aber wenn nicht Trump – was dann?
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind weiter ein gespaltenes Land. Doch die Misserfolge von Trumps Chuzpe-Strategie nehmen zu. Es sind zugleich Erfolge progressiver Kampagnen und gut organisierter Bewegungen, die den politischen Egomanen zunehmend in die Schranken weisen. Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, ob sich die USA aus dem Trump-Sturm befreien können.