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Ithaka war gestern

Premierminister Mitsotakis gibt Orientierung auf seiner Heimatinsel Euböa. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Griechenland: Heute ist es die Reise nach Samothraki

Homers berühmtes Epos, die Odyssee, beschreibt in Gesängen die Irrfahrten und Abenteuer seines Helden, Odysseus. Stolze zehn Jahre soll der Kriegsheld von Troja für seine von amourösen Abenteuern unterbrochene Heimreise von Troja nach Ithaka gebraucht haben.

Moderne Version der Odyssee für Touristen

Eine relativ erheblich kürzere Zeit, zehn Tage, sitzen Touristen auf der Insel Samothraki im Norden Griechenlands fest. Ihr Ziel, die Hafenstadt Alexandroupoli ist nur 31 Seemeilen entfernt. Und doch können viele von ihren erst zum Wochenende vor der Insel herunter.

Den Touristen ist dabei weniger nach homerischen Gesängen, sondern vielmehr nach homerischem Streit zumute. Die Geschäftsleute der Insel und die dort im Tourismus arbeitenden Angestellten hingegen stehen vor einer ökonomischen Katastrophe. Für sie ist mitten in der Hochsaison das Tourismusgewerbe für 2019 erledigt. Sie klagen über bis zu 100 Prozent Stornierungen.

Was ist geschehen? Samothraki ist eine der Inseln der sogenannten "agoni Grammi". Damit werden Schiffsrouten bezeichnet, die für den Betreiber ohne staatliche Unterstützung wenig lukrativ sind. Viele der griechischen Inseln sind nur im Sommer ein idyllischer Ort zum Leben. Die Winter sind kalt und feucht. Die Seeverbindung zum Festland hängt extrem von den Witterungsverhältnissen ab.

In so einem Ambiente wollen und können nur wenige Inselbewohner überleben. Industrielle Jobs sind allein schon wegen der schlechten Anbindung ans Festland nahezu ausgeschlossen. Der Tourismus, Fischerei und die Landwirtschaft sind die Hauptbroterwerbe.

Die Zuschüsse für die wirtschaftlich nicht lukrativen Schiffsrouten werden vom Staat nach alljährlicher Ausschreibung vergeben. Es liegt auf der Hand, dass bei dieser Art der Ausschreibung neben den qualitativen Aspekten auch die möglichst geringen Kosten für die Reeder eine Rolle spielen. Kurz, auf den Linien verkehren nicht unbedingt die neuesten und besten Schiffe.

Das Unglück für Samothraki nahm am 6. August seinen Lauf, als das Fährschiff SAOS II mitten im Meer einen Maschinenschaden hatte und nach Alexandroupoli umkehren musste. Ein weiteres Schiff musste einspringen. Das ist, mitten in der griechischen touristischen Hochsaison, leichter gesagt als getan. Die Fähren haben im August eine Auslastung von knapp 100 Prozent. Den Umständen entsprechend kurzfristig, konnte die Fähre Azores Express als Ausweichlösung organisiert werden.

Diese traf am 12. August vor dem Hafen von Samothraki ein, konnte aber nicht anlegen, weil der Kapitän die herrschenden Winde als zu gefährlich für sein Schiff ansah, und umkehrte. Es schien, als habe wie bei Odysseus, der antike Gott der Winde, Aiolos, seine Hand im Spiel.

Die in Alexandroupoli wartenden Touristen, die für die Haupturlaubszeit der Griechen rund um den 15. August, das Marienfest, Unterkünfte auf Samothraki gebucht hatten, mussten stornieren und sich anderweitig orientieren.

Die auf Samothraki festsitzenden Touristen dagegen hatten ein Problem mit ihrem verlängerten Urlaub. Zwar stellten Hoteliers und Stadtgemeinde kostenlose Unterkünfte zur Verfügung, die Gastwirte spendierten zur Beruhigung der Gemüter auch kostenloses Essen. Aber, abgesehen von der Tatsache, dass einige auch aus beruflichen Gründen wieder weg mussten und nicht konnten, gingen auf der Insel langsam aber sicher die Ressourcen zu Neige.

Der Reeder der SAOS II gab schließlich auf. Er bemängelte zudem, dass die Hafenanlagen auf der Insel nicht den Standards entsprechen würden, und somit eine sichere Fährverbindung nicht zu gewährleisten war.

Ergo musste ein weiteres Schiff gefunden werden, die Andros Express. Sie musste allerdings zunächst einmal von Piräus nach Samothraki kommen, was erneut Zeit kostete. Zwischenzeitlich hatten die staatlich Verantwortlichen die Idee, ein reines PKW-Fährschiff nach Samothraki zu schicken, um zumindest die Autos aus dem Hafen heraus zu bekommen.

Waldbrand Makrymallis/Euböa. Foto: Wassils Aswestopoulos

Die Touristen waren alles andere als begeistert, als sie im Hafen erfuhren, dass das Schiff allein ihre Autos und nicht sie selbst aufs Festland bringen sollte. Mangels Information konnten sie den Schritt zudem auch gar nicht nachvollziehen.

Statt die Touristen zu informieren, wann sie endlich von ihrer Urlaubsinsel herunter kommen konnten, mussten diese tagtäglich in den Hafen eilen und dort warten. Schließlich kam die Andros Express an, konnte aber als nachvollziehbaren Gründen nicht alle Menschen und Autos an Bord nehmen. Es waren schlicht zu viele. Dies soll mit vier Fahrten pro Tag bis zum Wochenende geschafft werden. Samothraki verfügt über keinen Flughafen.

"Wir machen alles anders"

Seitens der neuen Regierung Mitsotakis scheint die Losung "wir machen alles anders" zu gelten. Denn im Februar gab es für die Insulaner, damals ohne Touristen, ein vergleichbares Problem. Die Syriza-Regierung schickte seinerzeit ein Schiff der Kriegsmarine und verhinderte somit frühzeitig ein Chaos.

Handelsmarineminister Ioannis Plakiotakis rechtfertigte sich im Fernsehen, dass Kriegsschiffe und die Küstenwache nicht zur Personenbeförderung vorgesehen seien. Formal mag er damit Recht haben. Er müsste jedoch auch erklären, warum die Kriegsmarine den Nea Dimokratia Parlamentarier Simos Kedikoglou von der Pilgerinsel Tinos holte. Dort weilte der frühere Minister für das Marienfest des 15 August.

Weil auf seiner Heimatinsel Euböa seit dem 13. August ein verheerender Waldbrand wütet, wollte Kedikoglou beim Besuch des Premierministers Mitsotakis vor Ort unbedingt dabei sein. Die Küstenwache holte ihn ab, brachte ihn auf die Insel Mykonos und dort nahm Kedikoglou den Flieger. Er schaffte es damit pünktlich zum Fototermin im Dorf Makrymallis.

Waldbrand auf Euböa. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Anders als in der Causa Samothraki hat die Regierung den Staatsapparat beim Waldbrand auf Euböa vorbildlich organisiert. Die konzertierte Aktion der Feuerwehr, des Militärs, der freiwilligen Helfer und der Polizei verhinderte Todesopfer unter der menschlichen Bevölkerung der Insel. Zahlreiche Wildtiere, Nutztiere und Haustiere, sowie bislang 2500 Hektar, teilweise unter Naturschutz stehender Wald, sowie zahlreiche Felder und Weinberge sind jedoch verloren.

Die Logistik beim Katastropheneinsatz, samt der Evakuierungen von vier Dörfern, war - anders als im Vorjahr bei Mati nahe Athen - straff organisiert und effektiv.

Für Samothraki und Euböa stellt sich nun die Frage, ob die Geschädigten, anders als unter den Vorgängerregierungen, auf eine Auszahlung der von Politikern schnell versprochenen, aber nie wirklich ausgezahlten Entschädigungen hoffen können.

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