Jagd auf Erdgas: Wird Frankreich Soldaten im Jemen-Krieg einsetzen?

Seite 2: Warum reisen Kanzler und Vize-Kanzler nicht nach Bayern, Hessen, Baden-Württemberg

Erst kürzlich stellte US-Präsident Joe Biden den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in seinen Gesprächen mit Saudi-Arabien hintenan und versuchte stattdessen neue Energielieferungen aus Saudi-Arabien zu erhalten. Offensichtlich haben die USA selbst Energieprobleme und werden genauso wenig wie Kanada oder Katar die europäischen Energiewünsche nennenswert erfüllen können.

Wenn aber nun tatsächlich französische Soldat:innen im Jemen-Krieg den Erdgasexport aus dem Jemen militärisch sichern, hat das eine ganz neue Dimension: Europa greift wegen seines Erdgashungers in den Jemen-Krieg ein. Was das im Hinblick auf erneute Anschläge des islamistischen Terrors auch für die EU bedeuten könnte, lässt sich allenfalls erahnen.

Erstaunlich ist, dass bisher kein europäisches Medium über diese mögliche Absicht Frankreichs zur militärischen Sicherung neuer Erdgaslieferungen aus dem Jemen berichtet hat.

Dabei wird immer klarer: Es gibt keine Strategie, die die notwendige vollständige Ablösung russischer Energielieferungen mit fossilen und atomaren Energielieferungen aus anderen Lieferländern schaffen kann – schon gar nicht ohne neue geopolitische Verwerfungen und Kriege, erst recht nicht kurzfristig für diesen Winter und auch nicht mittel- oder langfristig.

Und im Übrigen würde diese Strategie auch den entscheidenden Booster geben, die Erdüberhitzung massiv zu beschleunigen. Neue und schlimmere Dürren, Hitzeperioden, Waldbrände, Starkregen und andere Katastrophen auch in Deutschland sind dann die Folge.

Es gibt nur den einen Ausweg: Den Ausbau der Erneuerbare Energien zu beschleunigen. Doch dafür braucht es keine französischen Soldat:innen im Jemen-Krieg, keine Reisen von Kanzler und Vizekanzler nach Katar, Israel, Ägypten, Kanada und sonst wohin.

Es bräuchte aber sehr wohl Reisen der beiden in die Bundesländer, um deren Blockaden gegen die Erneuerbaren Energien zu lösen, nach Bayern, um die 10H-Regel zu Fall zu bringen, nach Baden-Württemberg, um endlich neue Windausbaugebiete zu bekommen, nach Hessen, um die Abschaltung der kleinen Wasserkraft zu stoppen.

Und es braucht endlich klare Vorgaben für den Ausbau der Erneuerbare Energien und keine Diskriminierung, wie es jetzt die Gasumlage vorsieht. Sie soll allen Ernstes auch auf den Bezug von heimischem Biogas erhoben werden, obwohl genau die Biogaskonsument:innen bisher schon freiwillig erheblich mehr bezahlt haben als die Erdgas-Kund:innen.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist viel zu schwach. Im ersten halben Jahr der Ampelkoalition ist der Windkraftausbau mit 977 Megawatt (MW) weiter auf dem erschreckend niedrigem Niveau, welches unter Ex-Minister Peter Altmaier (CDU) massiv gedrosselt wurde.

Die letzten Ausschreibungsergebnisse für Solaranlagen auf Dächern sind weit unterzeichnet und das, obwohl schon die Ausschreibungsvolumina viel zu niedrig sind, im Vergleich zur Zielerfüllung der Regierungsziele.

Die Ampelkoalition sowie auch die EU müssen sich endlich besinnen und die massiven Bremsen des Ausbaus der heimischen Erneuerbaren Energien lösen, statt in fernen Ländern um LNG zu betteln, welches diese sowieso nicht in ausreichender Menge liefern können.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien.