Jaguar ohne Sprungkraft: Würgt Woke-Werbung den Motor ab?

Die alte Fifur des springenden Jaguars der Automarke und das neue Logo

Die Nobelmarke erfindet sich futuristisch neu: Kritiker zerlegen die neue Imagekampagne und machen daraus einen Kulturkampf. Aus der Kurve geflogen?

Steht der Jaguar der gleichnamigen Kult-Automarke für kolonialistischen Raubtier-Kapitalismus? Das ist eins der Rätsel, die sich mit dem kühnen Versuch der Kreativabteilung des Herstellers auftun, die Marke zu erneuern – "Rebranding", wie das im Jargon heißt.

Dazu setzen die Kreativen auf ein völlig neues Image, im dem das weltweit bekannte Markenzeichen, die springende Raubkatze als Logo verschwindet und nur mehr auf einer Plakette als weiße Negativ-Schablone in einer Welt aus tausend Stäben auftaucht. Obendrein springt der Jaguar nun in eine andere Richtung.

"Brechen mit alten Formen"

Das Logo wurde radikal verändert, der neue Schriftzug trägt in der Mitte aus unerfindlichen Gründen die Großbuchstaben "G" und "U"; eine Frau mit einem Hammer demonstriert einen Teil der Großbotschaft: "Break the moulds", heißt "Brechen mit den alten Formen"

"Jaguar" habe gestern seine Marke gekillt, prophezeit ein Kritiker, der sich The Gentleman Racer nennt. Er ist nicht der Einzige, der in der Marketingstabsarbeit keine Neue Welt, sondern Sargnägel sieht.

Es ist ein ganzer Konvoi, der gegen die neue Jaguar-Kampagne auffährt. In der Menge gesichtet: Elon Musk, der Brexit-Treibstofflieferant Nigel Farage und der neurechte Martin Sellner.

Der Streit ums neue Jaguar-Image hat größere Reichweite, heißt das, und die Frage "Warum nur, wo sich doch nur eine Minderheit eine solche Nobelkarosse leisten kann" ist leicht mit einem Wort beantwortet: Kulturkampf wallender Gemüter gegen Woke.

Was verkauft ihr?

Wobei man Elon Musk von dieser Beschreibung ausnehmen kann, er stellte nur eine einzige Frage zum Rebrand-Video, das die Zündkerze für die Aufregung abgibt, und er hat in der Sache recht: "Verkauft ihr Autos?"

Im Video ist jedenfalls kein Auto zu sehen, nur der Markenname am Anfang. Man den Clip schnell ansehen, es dauert nur 30 Sekunden, weswegen er nicht beschrieben werden muss.

Der Clip, der verstört

Nur so viel: Eine kleine Gruppe diverser Menschen in Haute Couture ähnlichen Gewändern steigt aus einem Aufzug mit der Aufschrift "JaGUar", die Ästhetik knüpft irgendwie an die Black-Panther-Filme an, der Clip soll wohl irgendwas mit Future signalisieren, eine bunte kreative Zukunft, die Überholtes hinter sich lässt, eine neue Welt ohne Grau (wie aus den Auspuffen), irgendwie anarchisch und eigenwillig.

"Nichts wird kopiert", heißt der Hauptslogan – möglicherweise auf Konkurrenten aus China gemünzt – es folgen: "Schaffe (im Sinn von Kreieren) im Übermaß", "Zerstört das Gewöhnliche" und eben "Breche mit alten Formen". Gegen Ende sitzt die Gruppe auf einem Stein in einer Art Marslandschaft und die Köpfe schauen in unterschiedliche Richtungen.

Das Kunststück gibt einige Rätsel auf, es ist elitär wie die Marke, aufschlussreich wohl nur für Personen, die im Kreativ-Milieu zu Hause sind, vermutlich sind da viele Anspielungen versteckt. Nur: Für wen soll das funktionieren? Zahlt sich die Provokation, der Bruch mit dem gewohnten Edel-Image, aus?

"Go woke, go broke"

Jedenfalls wird damit Aufmerksamkeit erreicht, allerdings eher negative, wie auf X, dem Twitter unter Elon Musk. Dort wird gegen die Woke-Kultur im Video gewettert. Vom Schnellbrater-Sentenzen-Grill gibt’s mit Gift aufgepeppten Smalltalk: "Keiner dieser Leute (aus dem Aufzug, Einf. d. A.) kann parallel einparken", "Jaguar wird pleite gehen", das Rebranding wird mit der missglückten Mode-Farce-Parodie "Zoolander" verglichen und als absurder 2021-Müll bezeichnet (Sellner), da die Woke-Party vorbei sei, schon im Todeskampf.

Bezeichnend, weil auch die eigene Macht dieser Öffentlichkeit zelebrierend, ist die mehrfach geäußerte Prophezeiung, dass sich Jaguar mit dieser Kampagne auf dem Weg von Bud Light bewege. Die Biermarke hatte eine Werbungkampagne mit einem Transgender-Model geschaltet, danach brach der Verkauf deutlich ein. Es blieb der Spruch: "Go woke, go broke", der nun auf die Jaguar-Kampagne geklebt wird.

Hintergrund: Schluss mit dem Verbrenner-Jaguar

Hintergrund für die Werbekampagne ist, dass Jaguar zum E-Auto-Hersteller wird. Das Unternehmen, das seit 2008 gemeinsam mit Land Rover zum indischen Tata Konzern gehört, plant, ab 2026 rein elektrische Fahrzeugmodelle auf den Markt zu bringen.

Das Werk in Halewood wird auf E-Fahrzeug-Produktion umgestellt, und der Verkauf von Neuwagen in Großbritannien wurde eingestellt. Aktuelle Jaguar-Modelle, die noch im Bestand sind, würden als Gebrauchtwagen verkauft, zitiert Business Insider einen Unternehmenssprecher.

Seit 2021 verfolgt Jaguar das Ziel, vollständig auf Elektrofahrzeuge umzusteigen, während die Produktion von Verbrennern schrittweise beendet wurde. Wie das als Elektroauto aussieht, will Jaguar am 2. Dezember in Miami mit dem ersten Konzeptfahrzeug zeigen.

Wie wird das Unternehmen auf die Gegenöffentlichkeit reagieren?

"Fast alle Instagram-Kommentare mit den meisten Likes zum Jaguar-Posting sind kritisch, wobei der beliebteste Kommentar, der mehr als 13.000 Mal geliked wurde, behauptet, das Unternehmen habe ‚‘eine britische Ikone getötet‘", heißt es bei Forbes.