Japan vor Revolution in der Chip-Herstellung

Ein Siliziumwafer in der Halbleiterproduktion
(Bild: IM Imagery/Shutterstock.com)
Möglicher Gamechanger für Halbleiterfertigung. Chips könnten deutlich günstiger werden. Japans strategische Position in der Branche gestärkt.
Ein neues Lithographiesystem aus Japan könnte die Herstellung von Halbleitern tiefgreifend verändern. Damit könnten die Kosten für die Produktion des 7-Nanometer-Prozesses und noch kleinerer Chips in Zukunft drastisch sinken. Das berichtet [1] die Asia Times unter Berufung auf das Okinawa Institute of Science and Technology (Oist).
Das Euv-Verfahren
Das Oist hat eine vereinfachte Optik für die Euv-Lithografie [2] entwickelt, die den Stromverbrauch um den Faktor zehn senken soll. Dies könnte den Weg für billigere Produktionsanlagen ebnen und das Monopol des niederländischen Unternehmens Asml in diesem Bereich herausfordern.
Euv steht für extreme ultra violet, also extreme ultraviolette Strahlung, die für die Halbleiterherstellung genutzt wird. Die kurze Wellenlänge des ultravioletten Lichts erlaubt die Abbildung sehr kleiner Details für die Belichtung von Wafer genannten Siliziumscheiben.
Das Verfahren ist seit Ende der Nullerjahre Stand der Technik in der Halbleiterfertigung und wurde seither stetig weiterentwickelt, was immer kleinere Fertigungstoleranzen möglich macht.
Vier statt zehn Spiegel
Professor Tsumoru Shintake vom Oist bezeichnet die neue Erfindung als technologischen Durchbruch, die nahezu alle bestehenden Probleme der herkömmlichen Belichtung lösen könnte.
Wie das Oist in seiner Veröffentlichung erklärt [3], sind in herkömmlichen optischen Systemen wie Kameras oder älteren Lithographiewerkzeugen die Blenden und Linsen symmetrisch zur Zentralachse angeordnet. Bei extrem ultraviolettem Licht, das von den meisten Materialien absorbiert wird, ist das nicht möglich. Stattdessen werden in Euv-Systemen halbmondförmige Spiegel verwendet, die die Strahlen in einem asymmetrischen Zickzackmuster reflektieren, was die optische Leistung verringert.
Mit dem neuen Verfahren werden nun zwei achsensymmetrische Spiegel in einer Linie ausgerichtet und lediglich vier statt zehn Spiegel verwendet. Da Euv-Licht bei jeder Reflexion um 40 Prozent schwächer wird, erreicht bei zehn Spiegeln nur etwa 1 Prozent Lichtquellenenergie den Wafer, während bei vier Spiegeln über 10 Prozent ankommen. Dadurch kann eine kleinere Euv-Lichtquelle mit nur einem Zehntel der Leistung genutzt werden.
Ei des Kolumbus
Die Projektion des Schaltmusters auf den Siliziumwafer erfolgt laut Oist mit nur zwei reflektierenden Spiegeln, ähnlich wie bei einem astronomischen Teleskop. "Diese Konfiguration ist unglaublich einfach", sagt Shintake, "wenn man bedenkt, dass herkömmliche Projektoren mindestens sechs reflektierende Spiegel benötigen.
Diese Vereinfachung wurde durch eine neue Sicht auf die Theorie der Aberrationskorrektur in der Optik ermöglicht.
"Wie das Ei des Kolumbus mag es auf den ersten Blick unmöglich erscheinen, aber sobald es gelöst ist, wird es sehr einfach", sagte Shintake.
Technik soll ab 2026 in Japan zum Einsatz kommen
Die Leistungsfähigkeit des Systems wurde bereits durch eine optische Simulationssoftware bestätigt und dürfte für die Herstellung moderner Halbleiter ausreichen. Das Oist hat die Technologie zum Patent angemeldet und plant, das Konzept zunächst mit einem halbskaligen Modell zu demonstrieren.
Nach erfolgreicher Verifikation des Konzepts soll bis 2026 in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren japanischen Industriepartnern ein funktionsfähiges Euv-Lithographiesystem aufgebaut werden.
Als wahrscheinlichster Partner gilt Nikon, das sich vor 15 Jahren wegen technischer Schwierigkeiten und hoher Kosten aus der Euv-Lithographie zurückgezogen hat. Auch Canon könnte als Partner in Frage kommen, obwohl das Unternehmen derzeit an der Kommerzialisierung der Nanoprägelithografie arbeitet, einer völlig anderen Technologie, bei der Schablonen anstelle von Optiken verwendet werden.
Wenn alles nach Plan läuft, könnte Japans globale Position in der geopolitisch wichtigen Halbleiterindustrie erheblich gestärkt werden.
Keine Änderung mit Blick auf China zu erwarten
Gegenwärtig hindern Sanktionen die USA daran, Euv-Lithografieausrüstung an China zu verkaufen, was es für chinesische Unternehmen fast unmöglich macht, Halbleiter auf Basis von sieben, fünf oder noch weniger Nanometern herzustellen, wie sie für moderne Prozessoren zum Einsatz kommen und derzeit vom taiwanesischen TSMC für große Segmente des Weltmarkts produziert werden.
Ob das neue Verfahren aus Japan etwas ändern wird, lässt die Zeitung offen. Angesichts der Westbindung Japans scheint es jedoch mehr als fraglich, ob China Zugang zu der Technologie erhalten wird. Zu einer Diversifizierung der weltweiten technologischen Basis dürfte die japanische Erfindung dennoch beitragen.
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Links in diesem Artikel:
[1] https://asiatimes.com/2024/08/japan-on-edge-of-euv-lithography-chip-making-revolution/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/EUV-Lithografie
[3] https://www.oist.jp/news-center/news/2024/7/29/innovative-euv-lithography-technology-dramatically-increases-energy-efficiency-and-reduces-capital
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