Jared Kushners Geschäft mit der Knappheit

Bild: Chairman of the Joint Chiefs of Staff via Flickr (CC BY 2.0)

Public-Private-Partnerships zur Pandemiebekämpfung. Eine schlechte Idee

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie die Trump-Regierung mit der immensen Nachfrage nach Masken, Schutzausrüstung und Ventilatoren umgeht, zeigt, wie in Notzeiten Verantwortlichkeiten des Staates privatisiert werden. Die Versorgung von Krankenhäusern wird zu einem riesigen Geschäft, die Bundesstaaten dazu zwingt Hilfsgüter in Blindauktionen zu ersteigern. Auch in der Notzeit soll der Wettbewerb der gerechte Ressourcenverteiler sein. Dabei hat Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Berater, eine führende Rolle übernommen, die ihn dazu befugt "in unserer Stunde des existenziellen Horrors, Entscheidungen über Leben und Tod von allen Amerikanern" zu treffen, wie die New York Times kommentierte.

Kushner ist nicht nur innerhalb der Coronavirus Response Task Force von Vizepräsident Mike Pence für eine Versorgungseinheit zuständig. Er hat auch sein eigenes Team, das auch als "Schatten-Task-Force" bezeichnet wird. Diese ist dafür verantwortlich, die Produktion wichtiger Güter wie Ventilatoren, persönliche Schutzausrüstung (PSA) und N95-Atemschutzmasken hochzufahren und deren Beschaffung und Verteilung an die Bundesstaaten zu koordinieren.

Kushner startete im März im Rahmen der Notstandsbefugnisse der Regierung eine Initiative, um Freiwillige aus dem Privatsektor für die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie zu gewinnen. Er hatte behauptet, dass ein Netz privater Unternehmen effizienter arbeiten würde als die FEMA. Im Rahmen des Projekts wurden acht Junior-Analysten des New Yorker Investmentfonds Insight Partners in die Zentrale der FEMA entsandt, um bei der Beschaffung von Schutzkleidung und Testkits für medizinisches Personal zu helfen. Dabei werden ungeprüft Verträge mit dubiosen wie auch der FEMA unbekannten Händlern abgeschlossen.

Wie es scheint, öffnet Kushner einer massiven Profitmacherei Tür und Tor. Insgesamt wirft auf Anweisung Kushners die FEMA mit Geld um sich, das eher in die Taschen privater Händler fließt, als in die der Hersteller. Mindestens 80% der medizinischen Waren wurden bei Händlern bestellt, die bisher nie mit Behörden zusammengearbeitet haben.

Panthera & Blue Flame Medical

Die Washington Post berichtete, dass die Federal Emergency Management Agency (FEMA) im April einen 55-Millionen-Dollar-Auftrag für N95-Schutzmasken an Panthera Worldwide LLC vergeben habe. Panthera, im Bereich der taktischen Ausbildung tätig, hat keine Historie, die irgendwas mit medizinischen Gütern zu tun hätte. Der FEMA-Vertrag mit Panthera sei exklusiv und ohne öffentliche Ausschreibung vergeben worden.

"Wir haben im Laufe der Jahre medizinische Schulungen für das DoD durchgeführt, und durch diese Kontakte mit dieser Gemeinde wurden Bezugsquellen erschlossen, um die Reaktion auf COVID-19 zu unterstützen", sagte ein Geschäftsführer von Panthera Worldwide LLC gegenüber der Post. Lizzie Litzow, eine FEMA-Sprecherin, sagte, der Vertrag mit Panthera umfasse 10 Millionen Masken und fügte hinzu: "Panthera ist kein Hersteller, sondern ein Vertreiber von N95-Masken."

Der Preis, den die FEMA für Panthera pro Maske zahlt, beträgt demnach etwa 5,50 Dollar. Das ist deutlich höher als der Preis, den die Regierung Firmen wie 3M zahlt, die nur 63 Cent pro N95-Maske verlangen. Die Muttergesellschaft von Panthera Worldwide LLC, Panthera Enterprises, meldete im vergangenen Herbst Insolvenz an und sagte bei der Anmeldung des Konkurses, dass sie seit fast zwei Jahren keine Mitarbeiter mehr beschäftigt habe. Zufälligerweise liegen Pantheras offene Schulden bei 50 Millionen Dollar.

Gleichzeitig entstehen in dieser Krisenzeit neue Händler für Schutzausrüstungen, die nun das große Geschäft riechen. Da ist zum Beispiel die Firma "Blue Flame Medical". Sie wurde am 23. März gegründet, vier Tage vor der Verabschiedung des zwei Billionen schweren Hilfspakets "CARES-Act". Auf ihrer Website, deren Domain blueflamemedical.health erst am 20.März registriert wurde, heißt es: "Wir sind das größte globale Netzwerk von Lieferanten medizinischer Produkte, bieten Logistik für das Gesundheitswesen und schwer zu beschaffende medizinische Güter, um den Covid-19-Ausbruch zu bekämpfen."

Geschäftsführer von Blue Flame Medical sind Mike Gula, vormals republikanischer Fundraiser, und John Thomas, republikanischer Berater. Auf die Frage, wie die Firma plötzlich über die behaupteten Liefermöglichkeiten verfügen kann, sagte Thomas laut Politico nur: "It's just relationship-based. I can't say more." Er verfüge über die nötigen Beziehungen, mehr könne er dazu nicht sagen. Woher kriegen Firmen wie Panthera oder Blue Flame Medical ihre Waren?

Masken von 3M

Aktuell versorgen sich die USA mit Produkten aus China. Die FEMA importiert den größten Teil der medizinischen Hilfsgüter über Public-Private-Partnerships (PPP), ein von Jared Kushner vorgeschlagener Plan, den die Trump-Regierung "Project Airbridge" (Projekt Luftbrücke) nennt. Sie nutzt gecharterte Frachtflüge, um Lieferzeiten zu verkürzen. Steuergelder bezahlen die Kosten für die Flüge, deren Fracht nur zur Hälfte an die Regierung geht, was wohl Bedingung der PPP war. Davon profitieren Unternehmen wie Dupont oder Medline, die den staatlichen Lieferservice - 750.000 bis 800.000 Dollar pro Flug - nutzen.

Um die eigene medizinische Güterversorgung sicherzustellen, reaktivierte Trump das Defense Production Act. Das Gesetz aus den 1950er Jahren erlaubt es dem Präsidenten, im Namen der nationalen Sicherheit Produktionsaufträge der Regierung zu priorisieren und Unternehmen anzuweisen, bestimmte Güter für die Regierung zu produzieren. In diesem Fall würden diese Güter chirurgische Masken, Schutzkleidung, Desinfektionsmittel und andere medizinische Geräte wie Ventilatoren umfassen. Zu diesen Firmen zählen GM, Ford und 3M.

US-Präsident Donald Trump wies 3M (Minnesota Mining and Manufacturing Company) an, für die Federal Emergency Management Agency N95 Schutzmasken für die USA zu produzieren. Doch 3M weigerte sich zunächst dem Folge zu leisten, bzw. forderte eine für das Unternehmen nützliche Gesetzesänderung.

Da 3Ms Schutzmasken für Bergbau und Bauarbeiter bestimmt sind und den Auflagen für medizinisches Material nicht genügen, wurde in das CARES-Gesetz nachträglich eingefügt, dass Hersteller für den Einsatz bestimmter industrieller Masken bis zum Jahr 2024 von ihrer Haftung befreit, wenn medizinisches Personal sie im Zuge der COVID-19 Pandemie benutzen, da die Masken im Gegensatz zu medizinischen Masken gegebenenfalls weniger Partikel aus der Luft filtern.

Die endgültige Gesetzesvorlage - die auf die Herstellerhaftung für weitere Arten von Industriemasken verzichtet, die während der Coronavirus-Krise sowie bei künftigen Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit verwendet wurden - wurde am 02.04. von Trump unterzeichnet. Trump verkündete stolz, er habe mit dem Unternehmen 3M eine "einvernehmliche" (amicable) Vereinbarung über die Produktion von Masken getroffen. 3M stellt in den nächsten drei Monaten 55,5 Millionen Gesichtsmasken pro Monat her, insgesamt also 166,6 Millionen Masken. Diese werden von der Regierung günstig aufgekauft.

Doch für wieviel werden sie weiterverkauft?

Blindauktion um Masken

Ob von der FEMA beschlagnahmt oder durch Kushners Team von dubiosen Firmen bestellt oder günstig von 3M abgekauft, letztlich sitzt die Trump-Regierung bald auf einem Berg an Masken und Schutzausrüstungen. Sie könnte entsprechend der Hilfsforderungen an die Bundesstaaten ausliefern. Stattdessen beauftragt sie private Firmen mit der Verteilung der Mittel.

Die Firma Every Ancillary bietet dafür die Plattform. Der Kauf von medizinischen Hilfsgütern läuft dabei wie eine blinde Auktion ab, bei der Every Ancillary als Maklerunternehmen zwischen Verkäufern und Bietern auftreten. Every Ancillary listet Waren wie Thermometer, Masken, Scanner zur Fiebererkennung in Menschenmengen und Testkits online auf. Die Gebote werden dem unsichtbaren Verkäufer über den Makler zusammen mit einem Nachweis der Zahlungsfähigkeit und einer zweiseitigen Geheimhaltungsvereinbarung vorgelegt, die die Parteien grundsätzlich daran hindert, offen in ihre Verhandlung zu treten. Einige Produkte müssen in Beträgen von einer Million auf einmal bestellt werden.

Verantwortliche der Bundesstaaten befinden sich so im Preiskampf um Ausrüstung. Auch die FEMA bietet mit, und steigert wiederum die Preise, statt dass sie die Verteilung übernimmt. "Wie schrecklich uneffizient!", sagte Andrew Cuomo, der Gouverneur von New York.

Der Wettbewerb um Beatmungsgeräte, Masken und persönlicher Schutzausrüstung, von dem Leute wie Kushner behaupten, er sei effizienter als die Verteilung über die FEMA, kommt zu einer Zeit, in der Knappheit lukrative Geschäftsmöglichkeiten im privaten Sektor bietet. Letztlich bringt sie unterversorgte Bundesstaaten dazu, zuzusehen, wie ihre Not ausgenutzt wird und ihre Bürger sterben. Etwa ein Drittel aller Infizierten und ein Viertel aller Covid-19-bedingten Todesfälle stammen aus den USA.