Jeffrey D. Sachs: Der Wirtschaftskrieg der USA gegen China

US-Präsident Joe Biden nimmt an einem virtuellen Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am 15. November 2021 im Weißen Hauses teil. Bild: Cameron Smith, White House / Public Domain

Die chinesische Ökonomie schwächt sich ab. Das liegt insbesondere an den USA, die Beijing als Handelsrivalen bekämpfen. Wie es dazu kam und warum das China-Bashing wohl scheitern wird.

Chinas Wirtschaft verlangsamt sich. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass Chinas BIP-Wachstum im Jahr 2023 weniger als fünf Prozent betragen wird, was unter den Prognosen des letzten Jahres und weit unter den hohen Wachstumsraten liegt, die China bis Ende der 2010er-Jahre verzeichnete.

Jeffrey D. Sachs ist Professor an der Columbia University. Er hat drei Generalsekretäre der UN beraten.

Die westliche Presse ist voll von Chinas angeblichen Verfehlungen: eine Finanzkrise auf dem Immobilienmarkt, ein allgemein zu hoher Schuldenstand und andere Übel. Doch ein Großteil der Verlangsamung ist das Ergebnis von US-Maßnahmen, die darauf abzielen, Chinas Wachstum zu bremsen.

Eine solche US-Politik verstößt gegen die Regeln der Welthandelsorganisation und ist eine Gefahr für den weltweiten Wohlstand. Die chinafeindlichen Maßnahmen entstammen dem bekannten Regelwerk der US-Politik.

Ziel ist es, den wirtschaftlichen und technologischen Wettbewerb mit einem großen Rivalen zu verhindern. Die erste und offensichtlichste Anwendung dieses Konzepts war die Technologieblockade, die die USA während des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion verhängten. Die Sowjetunion war Amerikas erklärter Feind und die US-Politik zielte darauf ab, den sowjetischen Zugang zu fortschrittlichen Technologien zu blockieren.

Die zweite Phase der Rivalen-Bekämpfung ist weniger offensichtlich und wird im Allgemeinen sogar von sachkundigen Beobachtern übersehen. Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre versuchten die USA bewusst, das Wirtschaftswachstum Japans zu bremsen.

Dies mag überraschen, da Japan ein Verbündeter der USA war und ist. Doch Japan wurde "zu erfolgreich", da japanische Firmen in Schlüsselsektoren wie Halbleiter, Unterhaltungselektronik und Automobile die US-Firmen überflügelten. Japans Erfolg wurde in Bestsellern wie "Japan as Number One" von meinem bereits verstorbenen, großartigen Kollegen, dem Harvard-Professor Ezra Vogel, weithin bejubelt.

Mitte bis Ende der 1980er-Jahre schränkten die US-Politiker die US-Märkte für Japans Exporte ein (durch sogenannte "freiwillige" Beschränkungen, die mit Japan vereinbart wurden) und drängten Japan zur Überbewertung seiner Währung. Der japanische Yen wertete von etwa 240 Yen pro Dollar im Jahr 1985 auf 128 Yen im Jahr 1988 und 94 Yen pro Dollar im Jahr 1995 auf und verdrängte japanische Waren vom US-Markt.

Mit dem Einbruch des Exportwachstums geriet Japan in eine Krise. Zwischen 1980 und 1985 stiegen Japans Exporte jährlich um 7,9 Prozent; zwischen 1985 und 1990 fiel das Exportwachstum auf 3,5 Prozent jährlich und zwischen 1990 und 1995 auf 3,3 Prozent pro Jahr. Als sich das Wachstum merklich verlangsamte, gerieten viele japanische Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, was Anfang der 1990er-Jahre zu einer finanziellen Pleite führte.

Mitte der 1990er-Jahre fragte ich einen der einflussreichsten Regierungsbeamten Japans, warum Japan seine Währung nicht abwertete, um das Wachstum wieder anzukurbeln. Seine Antwort war, dass die USA das nicht zulassen würden.

Jetzt nehmen die USA China ins Visier. Seit etwa 2015 sehen die politischen Entscheidungsträger der USA China eher als Bedrohung denn als Handelspartner an. Diese Änderung der Sichtweise ist auf den wirtschaftlichen Erfolg Chinas zurückzuführen.

Chinas wirtschaftlicher Aufstieg begann die US-Strategen zu beunruhigen, als Beijing 2015 eine Politik des "Made in China 2025" ankündigte, um Chinas Aufstieg an die Spitze der Robotik, der Informationstechnologie, der erneuerbaren Energien und anderer fortschrittlicher Technologien zu fördern. Etwa zur gleichen Zeit kündigte China seine "Belt and Road"-Initiative an, die den Aufbau einer modernen Infrastruktur in ganz Asien, Afrika und anderen Regionen unterstützen soll, wobei hauptsächlich chinesische Finanzmittel, Unternehmen und Technologien zum Einsatz kommen.

Biden folgt Trump, Trump folgt Obama: "China als Feind"

Die USA kramten das alte Konzept hervor, um Chinas rasantes Wachstum zu bremsen. US-Präsident Barack Obama schlug zunächst vor, eine neue Handelsgruppe mit asiatischen Ländern zu gründen, die China ausschließen sollte, aber Präsidentschaftskandidat Donald Trump ging noch weiter und versprach einen regelrechten Protektionismus gegen China.

Nach seinem Wahlsieg 2016, den er mit einem Anti-China-Programm errungen hatte, verhängte Trump einseitige Zölle gegen China, die eindeutig gegen die WTO-Regeln verstoßen. Um sicherzustellen, dass die WTO nicht gegen die US-Maßnahmen votiert, setzten die USA das WTO-Berufungsgericht außer Kraft, indem sie Neubesetzungen verhinderten. Die Trump-Administration blockierte auch Produkte führender chinesischer Technologieunternehmen wie ZTE und Huawei und forderte US-Verbündete auf, dasselbe zu tun.

Als Präsident Joe Biden sein Amt antrat, erwarteten viele (auch ich), dass Biden Trumps chinafeindliche Politik umkehren oder abmildern würde. Das Gegenteil war der Fall. Biden verschärfte die Maßnahmen, indem er nicht nur Trumps Zölle gegen China aufrechterhielt, sondern auch neue Durchführungsverordnungen unterzeichnete, um Chinas Zugang zu fortschrittlichen Halbleitertechnologien und US-Investitionen zu beschränken.

Amerikanischen Unternehmen wurde informell geraten, ihre Lieferketten von China in andere Länder zu verlagern, ein Prozess, der als "Friendshoring" im Gegensatz zum Offshoring bezeichnet wird. Bei der Durchführung dieser Maßnahmen haben die USA die Grundsätze und Verfahren der WTO vollständig ignoriert.

Die USA bestreiten vehement, dass sie sich in einem Wirtschaftskrieg mit China befinden. Aber wie ein altes Sprichwort sagt: Wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, ist es wahrscheinlich eine Ente.

Die USA greifen auf ein vertrautes Schema zurück. Und die Politiker in Washington bedienen sich einer martialischen Rhetorik, indem sie China als Feind bezeichnen, der eingedämmt oder besiegt werden muss.

Die Ergebnisse zeigen sich in einer Umkehrung der chinesischen Exporte in die USA. In dem Monat, in dem Trump sein Amt antrat, im Januar 2017, entfielen 22 Prozent der US-Wareneinfuhren auf China.

Als Biden im Januar 2021 sein Amt antrat, war der Anteil Chinas an den US-Einfuhren auf 19 Prozent gesunken. Im Juni 2023 war der Anteil Chinas an den US-Einfuhren auf 13 Prozent gesunken. Zwischen Juni 2022 und Juni 2023 sanken die US-Einfuhren aus China um satte 29 Prozent.

Natürlich ist die Dynamik der chinesischen Wirtschaft komplex und kaum allein durch den Handel zwischen China und den USA bestimmt. Vielleicht werden sich Chinas Exporte in die USA teilweise erholen. Dennoch scheint es unwahrscheinlich, dass Biden im Vorfeld der Wahl 2024 die Handelsschranken gegenüber China lockern wird.

Im Gegensatz zu Japan in den 1990er-Jahren, das in Bezug auf seine Sicherheit von den USA abhängig war und daher den Forderungen der USA nachkam, hat China angesichts des US-Protektionismus einen größeren Handlungsspielraum. Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass China seine Exporte in das übrige Asien, Afrika und Lateinamerika durch Maßnahmen wie die Ausweitung der Belt and Road Initiative erheblich steigern kann.

Meiner Einschätzung nach ist der Versuch der USA, China einzudämmen, nicht nur prinzipiell falsch, sondern auch in der Praxis zum Scheitern verurteilt. China wird überall in der Weltwirtschaft Partner finden, die eine kontinuierliche Ausweitung des Handels und des technologischen Fortschritts unterstützen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem Online-Medium Other News. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.

Jeffrey D. Sachs ist Universitätsprofessor und Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University, wo er von 2002 bis 2016 das Earth Institute leitete. Außerdem ist er Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network und Kommissar der UN Broadband Commission for Development. Er war Berater von drei Generalsekretären der Vereinten Nationen und ist derzeit SDG-Beauftragter von Generalsekretär Antonio Guterres. Sachs ist der Autor des kürzlich erschienenen Buches "A New Foreign Policy: Jenseits des amerikanischen Exzeptionalismus" (2020). Zu seinen weiteren Büchern gehören: "Building the New American Economy: Smart, Fair, and Sustainable" (2017) und "The Age of Sustainable Development," (2015) mit Ban Ki-moon.