Jungbrunnen Klonen?

Zellen aus geklonten Kühen scheinen "jünger", d.h. länger teilungsfähig, zu sein, als dies bei ihrem Alter zu erwarten wäre

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Sechs in den USA geklonte Kühe scheinen zumindest jünger zu sein, als sie eigentlich sein müssten. Aus ihnen entnommene Körperzellen zeigen keine Anzeichen des Alters, was die Vermutung entstehen lässt, dass Klonen womöglich den Prozess der Alterung umkehren könnte.

Robert Lanza und seine Kollegen von Advanced Cell Technologies (ACT) berichten in dem Science-Artikel "Extension of Cell Life-Span and Telomere Length in Animals Cloned from Senescent Somatic Cell" vom 28.4., dass sie nicht wissen, warum Klonen bei diesen Kühen den Alterungsprozess umzukehren scheint und ob der beobachtete Vorgang deren Lebensspanne tatsächlich verlängert. Sollte Klonen jedoch Zellen verjüngen können, so gäbe es natürlich eine große Zahl von Anwendungen für diese Technik, beispielsweise für Ersatzgewebe oder -organe zur Transplantation. Weil die Zellen "jünger" sind, können sie sich öfter teilen und ergeben so alleine schon eine größere Menge an Zellen. Wie immer in der Aufmerksamkeitsökonomie scheuen sich auch Wissenschaftler nicht, trotz aller gebotenen Vorsicht angesichts der Forschungsergebnisse gleich einmal ins Spekulieren zu geraten: "Es gibt eine sehr reale Möglichkeit", so Lanza, "dass dies, falls das zelluläre Phänomen sich auf einen ganzen Organismus überträgt, zu einem Patienten oder einem Tier mit einer längeren Lebensspanne führt. ... Menschen, die natürlicherweise 120 Jahre leben können, könnten dann auch 200 Jahre lang leben."

Aber in die ganze Problematik, was es heißen könnte, die Lebensdauer der Menschen auch "nur" um wenige Jahrzehnte zu verlängern, will sich Lanza gar nicht erst einlassen: "Wir glauben, es wäre voreilig und nicht sicher, unsere Arbeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt an Menschen anzuwenden, und es wäre amoralisch, sie für andere als therapeutische Zwecke, d.h. zur Erleichterung des Leidens bei Krankheiten, einzusetzen." Das andere kommt ja dann sowieso, wenn man einmal ein sicheres Klonverfahren zur Verjüngung entwickelt haben sollte. Advanced Cell Technologies werden sich da bestimmt nicht zurückhalten, zumal auch andere Unternehmen wie etwa Geron sich mit dem Zusammenhang von Klonen, Stammzellen und Lebensverlängerung beschäftigen (Kalifornische Wissenschaftler haben erstmals die biologische Uhr in menschlichen Zellen verstellt).

Wegen der Schwierigkeiten mit menschlichen Eizellen verwendet ACT Kuhzellen zum Experimentieren, in die Kerne erwachsener Zellen eingesetzt werden. Beim Klonen geht man davon aus, dass das Zytoplasma der Eizelle den eingesetzten Zellkern umprogrammiert und wieder in einen embryonalen Zustand zurückversetzt. Das Unternehmen wollte auch Kuheizellen zum Klonen menschlicher Zellen verwenden, doch noch ist ungelöst, inwiefern das noch in der Eizelle verbliebene genetische Material der Mitochondrien mit dem menschlichen Zellkern sich verträgt. Man will versuchen, aus menschlichen Zellen Mitochondrien zu entnehmen und sie in die Eizellen zu injizieren, wobei man hofft, dass dadurch die Mitochondrien der Kuh verdrängt werden. Eine andere Möglichkeit ist, die Faktoren zu identifizieren, mit denen die Eizelle den Kern umprogrammiert und die Telomerkappe verlängert. ACT ist überdies letztes Jahr schon einmal aufgefallen, als Jose Cibelli einen hybriden Mensch-Kuh-Embryo geschaffen hatte. Dazu benutzte er seine eigenen Zellen, denen er die Zellkerne entnahm und in entkernte Kuheier einsetzte. Nach einigen Zellteilungen wurde der Vorgang zwar wieder unterbrochen, der dennoch für einiges Aufsehen wegen der damaligen Tabuverletzung verursachte.

Aber noch ist das alles Spekulation. Normalerweise haben Zellen eine bestimmte Lebensdauer, die durch die Zahl ihrer Teilungen festgelegt ist. Bei jeder Teilung wird an den Enden der Chromosomen eine Art "Kappe" aus Telomerase, einem Enzym, abgebaut. Nur Stammzellen, die prinzipiell ewig leben, können Telomerase wieder erzeugen und sich dadurch weiter teilen. Die Wissenschaftler benutzten zum Klonen Zellen eines 45 Tage alten Fötus, die kurz vor ihrem Lebensende standen und sich nur noch ein paar Mal teilen konnten. Doch in den geklonten Kühen standen die Zellen nicht mehr kurz vor dem Tod, sondern konnten sich noch mehr als 90 Mal teilen. Meist waren die Telomere der geklonten Kühe sogar länger als die von neugeborenen Kälbern.

Dieses Ergebnis kam auch deswegen überraschend, weil beim geklonten Schaf Dolly der Sacherverhalt genau anders herum war: Dollys Chromosomen hatten kürzere Telomere an ihren Enden als bei Schafen in ihrem Alter üblich, weswegen man damals davon ausging, dass sie das Alter ihrer genetischen Mutter (6 Jahre), aus der der Zellkern entnommen wurde, geerbt hatte und deswegen vorzeitig gealtert war. "Das ist wirklich bemerkenswert", sagt Lanza. "Telomere von allen Kälbern, auch von demjenigen, das heute seinen ersten Geburtstag hat, sehen aus wie die von Neugeborenen." Grund ist möglicherweise ein anderes Klonverfahren. Dolly wurde aus Zellen erzeugt, die sich in einen Ruhezustand versetzt wurden. Überdies stammten die Zellkerne für Dolly aus Euterzellen, während die der Kühe aus Bindegewebe kamen. Nach Lanza gibt es durchaus Unterschiede bei den Zellen, wie sie Telomere wiederherstellen können, was wichtig für eine Auswahl von Spenderzellen sein könnte.

Für Michael West, den Präsidenten von ACT, liegt der Sachverhalt, zumindest was die Shareholder angeht, auf der Hand: "Das ist der erste Tag in einem neuen Zeitalter der Behandlung von altersbedingten Krankheiten. Wir können eine Zelle von einem Patienten entnehmen, daraus Hunderte oder Tausende von jungen Zellen erzeugen und ihm ein junges Immunsystem oder ein junges Gelenk in seinem Knie geben." Aber dann ist da auch noch die Frage, ob zur Züchtung von menschlichem Gewebe auch die Züchtung von menschlichen Embryonen notwendig ist.

Ganz so einfach wird die Realisierung der Zellverjüngungstechnik allerdings nicht werden. Ein Problem ist schon einmal die Ineffizienz des Verfahrens. So konnte ein Kalb nur nach jeweils 271 Versuchen geklont werden, was bedeutet, dass man Hunderte von menschlichen oder tierischen Eizellen für die Umprogrammierung einer Zelle benötigte. ACT will jetzt erst einmal mit Mäusen weiter experimentieren, da man bei deren kürzerer Lebenserwartung besser und vor allem schneller nachprüfen kann, ob Klonen tatsächlich das Leben eines Organismus verlängern kann.