KI-Transformation: Das Ende der klassischen Berufsbilder
KI verändert die Arbeitswelt radikal. Fast drei Viertel der deutschen Firmen nutzen bereits KI-Systeme zur Prozessautomatisierung. Doch was bedeutet das für klassische Berufe?
Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend in den Betrieben eingesetzt. Sei es per Überwachungssysteme in der Logistik, um "Leerlaufzeiten" zu reduzieren. Oder bei der Arbeitssuche über KI-gestützte Systeme, die Lebensläufe und Videointerviews auswerten, um Bewerber auszusortieren.
Derzeit findet eine "fundamentale Transformation der Arbeit" statt, sagt Bernard Marr, Bestseller-Autor und KI-Experte. Fast drei Viertel der Unternehmen hierzulande nutzen bereits KI bei der Automatisierung von Prozessen, wie eine aktuelle Studie der Lufthansa Industry Solutions zeigt.
Die erfolgreichen Mitarbeiter der Zukunft werden weder reine KI-Experten noch traditionelle Fachkräfte sein.
Bernard Marr
Denn gefordert sei nicht nur Fachwissen, also "Know-how", sondern auch "Know-When": "das Wissen, wann und wie KI sinnvoll einzusetzen ist", so Marr.
Deshalb machen sich Beschäftigte Sorgen um den Arbeitsplatz. Das World Economic Forum prognostiziert in seinem Bericht Future of Jobs Report 2025, dass bis 2030 weltweit 41 Prozent der Unternehmen Stellen abbauen werden.
Die Entwicklung soll durch neue Technik vorangetrieben werden. "Berufe wie Buchhalter oder Steuerberater, deren Expertise über Jahrzehnte als sichere Bank galt, sehen sich einer neuen Konkurrenz ausgesetzt: Algorithmen, die schneller, präziser und günstiger arbeiten", berichtet Fred Eichwald für www.arbeits-abc.de.
Das stellt auch für Unternehmen eine Herausforderung dar. "Fördere eine Unternehmenskultur, die experimentelles Lernen und kontinuierliche Anpassung unterstützt. Der Report zeigt klar: Die Zeit der einmaligen Transformationen ist vorbei – kontinuierliche Evolution ist angesagt", fordert Buchautor Bernard Marr. Neue Technik biete die Chance, nervige Aufgaben zu automatisieren, damit sich jeder auf das konzentrieren könne, "was uns als Menschen ausmacht: Kreativität, emotionale Intelligenz und komplexes Problemlösen", so Marr.
Probleme bei Umsetzung der EU-Verordnung zu KI
Wie schwierig die Umsetzung der EU-Verordnung zu KI (EU-KI-VO) ist, zeigt sich für viele Unternehmen. Neben den klar definierten Risikoklassen sieht die Verordnung umfassende Transparenzpflichten vor, die den Umgang mit KI-Systemen in der Arbeitswelt betreffen. Texte, die von KI erstellt wurden, müssen in Zukunft gekennzeichnet werden und als solche erkennbar sein (Artikel 50 EU-KI-VO).
Datenschutzrechtlich ist das Verbot automatisierter Entscheidung zu beachten: "Hiernach dürfen Personen keiner Entscheidung unterworfen werden, die ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruht, sofern diese Entscheidung eine rechtliche Wirkung entfaltet oder die Person in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt (Beispiel: Automatisiere Kreditabsagen aufgrund von Scoring-Werten), erläutert Carolin Thomse, Redakteurin der Fachzeitschrift Gute Arbeit.
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat sich in einer aktuellen Stellungnahme zu wichtigen datenschutzrechtlichen Fragen geäußert. Wichtig sei die Klärung, ob KI-Systeme als "anonym" anzusehen sind, denn in dem Fall können keine personenbezogenen Daten abgeleitet werden, berichtet Lukas Stelten, Rechtsanwalt bei CMS Law Tax. Werden als Testdaten für diese Software etwa digitale Personalakten genutzt, ist ein Bezug auf einzelne Beschäftigte durchaus möglich.
"Laut EDSA sollen KI-Modelle nur dann als anonym anzusehen sein, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich aus ihnen personenbezogene Daten extrahieren lassen", berichtet Lukas Stelten, der Unternehmen zu datenschutzrechtlichen Fragen berät.
Aus der Stellungnahme der EU-Datenschutzbehörde ergeben sich Vorgaben für Unternehmen:
Will sich der Verantwortliche auf die Anonymität seines KI-Modells berufen, liegt die "Beweislast" bei ihm: Er muss die Aufsichtsbehörde auf Basis der von ihm durchgeführten Tests und der von ihm erstellten Dokumentation davon überzeugen, dass sich aus seinem KI-Modell keine personenbezogenen Daten extrahieren lassen.
Lukas Stelten
Diese Pflichten beschäftigen derzeit viele Firmen.
Sorge vor Diskriminierung durch KI
Aber auch für die Beschäftigten gibt es viele Unsicherheiten. Manche Formulierungen der EU-KI-VO sind unklar und müssen noch durch Datenschutzbehörden oder Gerichte geklärt werden. Ein Beispiel findet sich im Artikel 5 der KI-Verordnung. Denn danach sind die folgenden Praktiken im KI-Bereich verboten:
Das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme oder die Verwendung eines KI-Systems, das Techniken der unterschwelligen Beeinflussung außerhalb des Bewusstseins einer Person oder absichtlich manipulative oder täuschende Techniken mit dem Ziel oder der Wirkung einsetzt, das Verhalten einer Person oder einer Gruppe von Personen wesentlich zu verändern, indem ihre Fähigkeit, eine fundierte Entscheidung zu treffen, deutlich beeinträchtigt wird, wodurch sie veranlasst wird, eine Entscheidung zu treffen, die sie andernfalls nicht getroffen hätte, und zwar in einer Weise, die dieser Person, einer anderen Person oder einer Gruppe von Personen erheblichen Schaden zufügt oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zufügen wird.
Diese Regelung zu "KI-Systemen mit einem unannehmbaren Risiko" lässt vieles offen. Unscharfe Beschreibungen und Begriffe führen zu Fragen:
- Was ist unterschwellige Beeinflussung?
- Was sind absichtlich manipulative Techniken?
- Wie ist erkennbar, ob der Betrieb Techniken einsetzt, die geeignet sind, das Verhalten einer Person oder einer Gruppe von Personen wesentlich zu verändern?
- Ab wann handelt es sich um eine Zufügung erheblichen Schadens?
Gefordert ist ein Weiterdenken über das Tagesgeschäft hinaus. "Unternehmen, die heute Stellen abbauen, um Maschinen und Technologien einzusetzen, sollten zugleich in Programme investieren, die Mitarbeitende für neue Aufgaben am Arbeitsmarkt vorbereiten", so Fred Eichwald. Wichtig sei die Förderung von Fähigkeiten, die "Maschinen (noch) nicht ersetzen können – Kreativität, soziale Intelligenz, Führungsqualitäten", betont Eichwald.
In den Personalabteilungen herrscht beim KI-Einsatz dagegen Skepsis – das zeigt der aktuelle Xing-Arbeitsmarktreport.
Zwar sagen 38 Prozent der Befragten, dass KI die Objektivität im Rekrutierungsprozess erhöhen kann, indem unbewusste Vorurteile erkannt werden. 45 Prozent sehen allerdings die Gefahr, dass KI bestehende Ressentiments verstärkt, wenn Algorithmen falsch programmiert sind. Und 39 Prozent der Befragten befürchten, dass KI zum Verlust des persönlichen Kontakts im Bewerbungsprozess führt.