Kalaschnikovs und Uzis für Alle

Der aus der Clinton-Zeit stammende Assault Weapons Ban ist ab heute dank des Wahlkampfs nicht mehr in Kraft, obgleich die Polizei vor den Folgen einer Nichtverlängerung warnte

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Was sich vor einem halben Jahr auf der Mitgliederversammlung der Waffenlobby "National Rifle Association" (NRA) andeutete (Die Waffenlobby im US-Wahlkampf), wird ab Montag traurige Gewissheit: halbautomatische Maschinenpistolen und Sturmgewehre sind für "Joe Sixpack" ab sofort wieder legal im Waffenladen oder Online erhältlich.

Der Assault Weapons Ban war am 13. September 1994 von William Clinton unterzeichnet worden und machte kriegstaugliche Sturmgewehre und Maschinenpistolen wie "Beretta AR-70", "Tec-9", "Colt AR-15", "Uzi", "Streetsweeper" oder auch die "Kalaschnikov" AK-47 illegal. Ingesamt 19 Waffen unterlagen dem Verbot, darüber hinaus der Verkauf und Gebrauch von Magazinen mit mehr als 10 Schüssen. Als "assault weapon" definiert wurde eine Waffe, die ein schnell austauschbares Magazin oder Waffenkammer, Schalldämpfer oder einen pistolenähnlichen Griff zur Maximierung der Schussfrequenz hat. Die "Beretta AR-70", die in Italien produziert wird und ursprünglich von italienischen Sonderkommandos benutzt wurde, kann zum Beispiel 650 Schüsse pro Minute abfeuern.

Das Gesetz stopfte nicht alle Schlupflöcher. So trug Dylan Klebold beim Schulmassaker in Littleton, Colorado, in der "Columbine High School" im April 1999 eine "Tec-9", und das fast fünf Jahre nach Verhängung des Verbots. Doch im Vergleich zu den späten achtziger und frühen neunziger Jahren, als die zunehmenden Ballereien und Morde auf offener Strasse mit diesen Waffen zum öffentlichen Aufschrei und schließlich zu dem Gesetz führten, ging die Straßenkriminalität wesentlich zurück. Die Waffennarren setzten publizistisch alles daran, Initiativen zur Erneuerung des Waffenbanns zu ersticken. Die Begründungen, weshalb US-Bürger sich mit Maschinenpistolen versorgen müssten, lauteten von "Spaß" bis "Heimatschutz".

In these post 9/11 days, prudent Americans recognize that we are all vulnerable and should be prepared to defend ourselves, our families, our communities, and our country from threats that can strike us anytime and anyplace. A well-trained person, armed with a military style rifle can provide a deterrent and, if necessary, an effective defense. ...The real question should be: Why wouldn't you want to own one?

Zahlreiche USA-Polizeichefs warnten vor dem stillen Auslaufen des Gesetzes. Die Sicherheitsbehörden sähen sich angesichts der zu erwartenden Aufrüstung von US-Bürgern und kriminellen Banden ihrerseits deshalb gezwungen, ebenfalls weiter aufzurüsten, lautete eine düstere Warnung. Auch Waffenkontrollgruppen wie Stop the NRA, Brady Campaign oder Million Mrach versuchten in den letzten Wochen, den Republikaner-dominierten Kongress doch noch zur Verlängerung des Clinton-Gesetzes zu bewegen. In einer ganzseitigen "New York Time"-Anzeige war Mitte vergangener Woche das Bild Usama bin Ladens mit einer Maschinenpistole und der Unterzeile: "9-11-Terroristen können auf 9-13 kaum warten" zu sehen, und mehr als 80 nationale und regionale Mainstream-Tageszeitungen plädierten offen für die Verlängerung des Gesetzes.

Doch die Waffenindustrie und die Waffenfans können frohlocken. Denn auch die Demokraten in Kongress und Senat wollten sich zu nichts durchringen. Obwohl konstante 60 und 70 Prozent der Bevölkerung in den vergangenen Jahren für eine Erneuerung des Waffenbanns eintreten, setzte sich die mächtige NRA einmal mehr durch. Mit vier Millionen zahlenden Mitgliedern, hervorragenden Verbindungen und persönlichen Freundschaften bis ins Weiße Haus hinein ist die rechte Organisation nicht nur bei den Republikanern wohl gelitten, sondern auch bei den Demokraten stark umworben - gerade im Wahlkampf.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry hat sich, wie George Bush auch, für die Weiterführung des Gesetzes ausgesprochen. Doch um die Wechsel- und unentschiedenen Wähler in den "swing states" zu umwerben, posiert er immer wieder als "Sportschütze" in Jägerkleidung mit einer "shotgun" in der Hand. Auch das Wahlprogramm der Demokraten unterstützt zum ersten Mal ausdrücklich das "Recht, Waffen zu tragen", wie es im zweiten Verfassungszusatz heißt (Waffenbesitz ist ein von der Verfassung geschütztes Recht). Der Grund: Parteistrategen glauben, dass Al Gore vor vier Jahren mit seiner Forderung, Waffenbesitzer registrieren zu lassen, eben diese in die Arme der Republikaner getrieben und folglich die Bundesstaaten Virginia, Arkansas und Tennessee verloren hat. Bush, der im Wahlkampf 2000 dem Clinton-Gesetz zugestimmt hatte, versteckte sich strategisch klug hinter dem Kongress, in dem seine Partei den Ton angibt. Er brauchte nur abwarten.

Waffenkontroll-Organisationen und Polizeibehörden hoffen darauf, dass das Thema im Wahlkampf trotzdem relevant werden könnte. Halbautomatische Waffen, wie sie bei der Konfliktaustragung auf den Strassen wieder zum Einsatz kommen werden, waren das Lieblingsobjekt von Banden, die in den späten 80er und frühen 90er Jahren Hunderte von Menschen umbrachten. Ähnliches oder Schlimmeres sei jetzt wieder zu erwarten, heißt es. So traurig es ist - erst ein neues Massaker irgendwo auf den Straßen der USA wird den Irrsinn wieder zum öffentlichen Thema machen.