Kalter Krieg im All
Die Vorläufer von "Star Wars"
Der „Griff zu den Sternen“, die Reise in den Weltraum hatte im letzten Jahrhundert ganz irdische Ursachen: Militärische Überlegenheit war auch im All angesagt. Die USA entdeckten so Chrustschows Raketenbluffs und schickten Astronauten auf den Mond. Und aus einem alten Nazi-Waffenprojekt entstand im Laufe der Jahre das heutige Space-Shuttle
Natürlich lag den Wissenschaftlern durchaus daran, mehr über die Welt über ihren Köpfen zu erfahren. In den 50ern und 60ern wusste man nicht, ob ein Lebewesen die Reise in den Weltraum überhaupt überleben würde und in welchem Zustand es zurückkäme – Science-Fiction-B-Movies jener Zeit zeigen ohne entsprechendes Wissen durchaus plausible Alpträume, in denen nach der Rückkehr aus den Raumfahrern im All entstandene Monster dem Raumschiff entstiegen.
Energie und Geld wurden jedoch immer dann investiert, wenn es um militärische Entwicklungen ging oder zumindest den Status einer Nation. Dass USA und UDSSR gleichermaßen die Raketenversuche der deutschen Wissenschaftler für militärische Zwecke fortsetzten, war klar, doch Koroljow – der Name von Werner von Brauns Gegenspieler in der Sowjetunion – war bis 1963 geheim und nicht mal seine engsten Mitarbeiter kannten mehr als sein Pseudonym „S.P.“.
Der Start des Sputnik-Satelliten am 4.Oktober 1957 wurde von den sowjetischen Raketenforschern dabei zunächst nur als überflüssige, störende Ablenkung von ihren eigentlichen, militärischen Zielen empfunden. Erst wegen der hohen internationalen Aufmerksamkeit will Chrustschow, dass Korolkow zur kommenden Sowjet-Feier noch schnell etwas nachsetzt: Die Hündin Laika wird ins All geschossen. Und dort bleibt sie auch – das Problem der Landung ist erst noch zu lösen.
Am 12. April 1961 schießt die Sowjetunion schließlich den ersten Menschen in den Orbit: den Kosmonauten Juri Gagarin. Sein Flug von 108 Minuten war ein großer Sieg im Kalten Krieg – doch mit damals unkalkulierbarem Risiko: Man wusste nicht, ob der Raumfahrer krank oder verrückt zurückkommen würde. Als alles gut geht, wurde in der UDSSR fast so groß gefeiert wie zum Ende des II. Weltkriegs. Nun ist aller Welt klar: Die Sowjets haben das Rennen zu den Sternen eröffnet und liegen weit vorn.
Auf der anderen Seite der Welt, im Weißen Haus, herrscht derweil Grabesstimmung. Erst Tage vor Gagarins Flug konnte der Geheimdienst CIA dem Präsidenten von den Vorbereitungen zu der Mission berichten. John F. Kennedy trommelt seine Berater zusammen. Er will den Vorsprung der Sowjets aufholen – koste es, was es wolle. Doch er weiß, dass die Sowjets nur einen geringen technischen Vorsprung haben.
Zunächst wird Allan Shepard auf eine etwas kürzere Reise als Juri Gagarin ins All geschickt, dann bittet Kennedy Werner von Braun um Rat für ein Projekt, mit dem die Russen übertrumpft werden können. Der schlägt vor, einen Mann zum Mond zu schicken. Jesco von Puttkamer war nicht begeistert: Das Projekt sollte innerhalb von 8 Jahren durchgeführt werden, innerhalb von zwei Wahlperioden, damit der Präsident noch etwas davon hatte. Offiziell verkündete Kennedy deshalb, dass „noch in diesem Jahrzehnt“ ein Amerikaner den Mond betreten solle. Kennedy erlebte nicht einmal mehr den Beginn des Apollo-Programms, aber sein Zeitplan wurde eingehalten. Anders als in der UDSSR fanden alle Starts vor laufenden Kameras statt – die Regierung brauchte die Zustimmung der Steuerzahler.
Nach der amerikanischen Mondlandung ist der Wettlauf zum Mond beendet. 1975 kommt es in der Apollo-Sojus-Mission zum ersten Rendezvous der beiden Supermächte im All und es folgen Jahrzehnte gemeinsamer Projekte. Das Wettrüsten im All ist allerdings nicht beendet.
Keinem Forschungsbereich wurde in diesen Jahren so viel Geld und Anstrengung gewidmet wie der Raumfahrt. Den geheimen Wettlauf ins All umgeben auch heute noch unzählige Legenden und Geheimnisse – gerade die militärischen Aspekte der Raumfahrt liegen vielfach im Dunkeln: Die Supermächte zündeten Atombomben im All, entwickelten Killersatelliten und trainierten Soldaten für den Krieg der Sterne. „Kalter Krieg im All“ gewährt neue Einblicke in selten thematisierte Aspekte des Wettlaufs ins All. Die Informationen stammen aus erster Hand: So berichtet Sergej Chruschtschow, Sohn des ehemaligen sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow und führender Raketeningenieur der UdSSR, ausführlich über die Planungen seines Vaters.
Eine angebliche Globalrakete der Russen existiert zu diesem Zeitpunkt nur als Dummy, der bei Militärparaden vorgeführt wird. Es gab insgesamt nur fünf russische Raketen, doch die Amerikaner sollten denken, es gäbe mehr. Chruschtschow sagte zu seinem Sohn „Wir produzieren Nachrichten wie Würstchen“. Der fragte zurück: „Wie kannst Du so was behaupten, wir haben doch nur 5 Raketen?“ – „Das ist egal, es wäre nur wichtig, um einen Krieg zu beginnen, aber ich will ihn verhindern. Amerika soll uns für stärker halten, als wir sind“
Doch damit geben sich die Amerikaner nicht zufrieden. Ihnen war es wichtig, zu sehen, was in der Sowjetunion vor sich geht. Dazu hatten sie das Spionageflugzeug U2, das für normale Abfangjäger mit 20 km unerreichbar hoch flog – bis die Sowjets eine U2 mit neuen Raketen abschießen. Im Corona-Programm sollen nun mit Fotoapparaten bestückte Satelliten die Schlappe der U2 ausbügeln. Doch 13 Satellitenstarts misslingen – ein ziviles Projekt wäre längst abgebrochen worden. Erst der 14. Versuch bringt einen Film mit unscharfen Bildern zurück.
Schwierig war das Bergen der Kapseln mit den belichteten Filmen nach der Fototour, da das neue Raketenfotoprogramm ja nicht einmal im eigenen Land bekannt war und auch nicht bekannt werden sollte – den Amerikanern war schon peinlich genug, mit der U2 auf frischer Spionage-Tat erwischt worden zu sein. Flugzeuge mit Fanggabeln versuchten die Filmkapseln im Flug zu fangen. Landeten sie im Wasser, sendeten sie 18 Stunden. Waren sie bis dahin nicht gefunden und geborgen, löste sich ein Stöpsel im Salzwasser auf und die Fotos verschwanden samt Kapsel im Ozean.
Schon die ersten, noch unscharfen Fotos enttarnten Chruschtschows Raketenbluff. Doch die Amerikaner behielten ihr neues Wissen für sich und verbreiteten selbst weiter fleißig die Mär von Chruschtschow Raketenmacht, gegen die eigene Rüstung notwendig sei. Erst 40 Jahre später werden die ersten Unterlagen freigegeben.
Die Militärs freuten sich über die NASA-Aktivitäten, weil so Raketenprojekte nun auch aus zivilen Mitteln entstanden. Doch sie hatten auch weiterhin eigene Projekte, so den „Horten-Gleiter“ aus Hitlers Wunderwaffenprojekt, der zur X-20 wurde, dem Vorläufer eines Raumgleiters. Eine Militärbasis im All soll so eingerichtet werden – doch das ganze Projekt erweist sich in jenen Jahren noch als zu teuer.
X-20 ersteht Jahre später als das heutige Space-Shuttle wieder auf. Die Sowjets sehen es zusammen mit der Strategic Defence Initiative (SDI – „Star Wars“) als militärische Bedrohung. Das Shuttle wird von der NASA gebaut, aber vom Militär mit konstruiert – bei einigen militärischen Shuttle-Einsätzen ist bis heute geheim, was die Nutzlast war. SDI soll auf dem Höhepunkt der Planung 1983 einige 100 raketenbestückte Abwehrstationen im All stationieren. Doch auch nach 25 Jahren Tests funktionieren die Laserwaffen nicht zuverlässig.
1962 findet dann die Kuba-Krise am Boden statt – ausgelöst allerdings durch Luftaufnahmen: Castro hatte russische Atomraketen ins Land gebracht. Zuvor fühlte sich Amerika sicher zwischen zwei Ozeanen. Um nicht den III. Weltkrieg auszulösen, muss Chruschtschow die Raketen wieder abziehen.
Um die Flugzeit zu verkürzen, was in Kuba gescheitert ist, will die Sowjetunion nun Raketen im All stationieren. Dagegen startet Amerika die ersten „Star Wars“-Abwehrprogramme. Nun werden rein militärische Entwicklungen im All getestet: Atombomben sollen anfliegende Atomraketen und feindliche Satelliten zerstören. Der elektromagnetische Puls (EMP), der Geräte und Telekommunikationsstrukturen zerstört, war beiden Seiten schon bei den ersten Tests aufgefallen. Die USA befürchtete prompt eine russische Atomexplosion im All über den USA.
Das System Almaz soll wiederum den Sowjets unter dem Deckmantel ziviler Projekte die erste Militärbasis im All ermöglichen. Sesta sollte wiederum ein Aufklärungssatellit bemannt mit zwei Kosmonauten werden. Auch eine Schnellfeuerkanone zur Verteidigung wurde eingebaut und getestet, dazu gehörte ein 11m-Teleskop, damit konnte man Panzer auf der Straße anpeilen. Die Hälfte der Versuche hat funktioniert. Bis in die 70er wurde weiterentwickelt.
Heute ist der Kalte Krieg, das Spannungsverhältnis zwischen USA und UDSSR nach dem Ende des II. Weltkriegs, fast vergessen. Eine Arte-Dokumentarfilmreihe wirft einen Blick auf die noch nicht so alte Geschichte der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Sabine Kempers und Peter Bardehles Dokumentation beleuchtet die immer noch geheimen Kapitel der Weltraumfahrt und zeigt so die historischen Grundlagen für die unter US-Präsident Bush wieder aktuell gewordene "New Missile Defense" auf.
Kalter Krieg im All, Deutschland 2001, Dokumentation von Peter Bardehle und Sabine Kemper, 52 Minuten, Arte TV, Mittwoch 1. Juni 2005, 20.45 Uhr, Wiederholung: Freitag, 3. Juni 2005, 16.45 Uhr
Geschichte am Mittwoch: Der Kalte Krieg, Dokumentarfilmreihe auf Arte TV, Mittwoch 18. Mai 2005 bis Mittwoch 15. Juni 2005, jeweils um ca. 20.45 Uhr