Kampf dem Alkohol: Russische Regionen drehen den Zapfhahn zu
Einige russische Regionen haben den Verkauf von Alkohol verschärft
(Bild: 279photo Studio/Shutterstock.com)
Eine Reihe russischer Regionen geht gegen den Verkauf von Alkohol vor. Positiven Effekten steht die Ausbreitung illegaler Märkte gegenüber. Eine Bestandsaufnahme.
Seit Beginn des Jahres haben eine Reihe von Regionen in der Russischen Föderation mit verschiedenartigen Anti-Alkohol-Kampagnen begonnen: Regionen wie Vologda, Burjatien, Transbaikalien oder Jakutien schränken die Zeiten für den Alkoholverkauf erheblich ein.
Bereits im Jahr 2012 wurde in Russland ein landesweites Alkoholverkaufsverbot von 23 Uhr bis acht Uhr eingeführt, welches meist durch regionale Einschränkungen ergänzt wird. Ausgenommen sind Bars und Restaurants. Seit 2012 ist der Konsum von Alkohol auf öffentlichen Plätzen im gesamten Land verboten.
Neues föderales Gesetz
Anlass für die jüngste Initiative war die Einführung eines entsprechenden föderalen Gesetzes, welches am 1. April 2024 in Kraft trat.
Dieses gibt den Regionen das Recht die Zeiten des Alkoholverkaufs in sogenannten "Naliwaiki" (Schankwirtschaften und Kneipen), die sich in Wohngebäuden und angrenzenden Gebieten befinden, unabhängig zu regulieren, mit Ausnahme von Restaurants. Viele Regionen machen davon jetzt Gebrauch.
Vorausgegangen waren zahlreiche Beschwerden von Bewohnern, wonach die "Naliwaiki" tagsüber als Geschäfte fungieren und nachts Alkohol verkaufen, was zu Lärm und Störungen führe und die Bevölkerung daran hindere, friedlich zu leben.
Bislang war der Alkoholverkauf in Lokalitäten dieser Art, die sich in oder nahe Wohngebieten befinden, nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten. Die Regionen können die Vorschriften nun und verschärfen oder den Alkoholverkauf in solchen Einrichtungen ganz verbieten.
Beispiele aus zwei Regionen
Die bislang weitreichendsten regionalen Beschränkungen führte der Oblast Vologda im Nordwesten Russlands ein. Dort ist der Verkauf von Alkohol seit dem 1. März 2025 wochentags auf zwei Stunden von 12 bis 14 Uhr nachmittags beschränkt. An Wochenenden und arbeitsfreien Feiertagen gilt die Beschränkung von acht bis 23 Uhr.
Laut dem Gouverneur des Gebiets Vologda, Georgi Filimonow, sei der Alkoholverkauf nach einem Monat bereits um 19 Prozent zurückgegangen und der Umsatz sei speziell in den sogenannten "Alkomärkten" (in denen neben Spirituosen auch andere Lebensmittel und Produkte verkauft werden), um 50 Prozent gesunken. Man stelle bereits einen Rückgang der Zahl der "Alkomärkte" und "Naliwaiki" um 33 Prozent fest.
Zudem sei die Zahl der Patienten, die mit einer Alkoholvergiftung in das regionale klinische Krankenhaus eingewiesen werden, im Vergleich zum Februar um 26 Prozent zurückgegangen. Nun sammele man Daten über den Rückgang der Anzahl der unter Alkoholeinfluss begangenen Straftaten.
Gegenüber der Zeitschrift Kommersant erklärt er: "Der russische Norden steht vor einer schweren demografischen Krise, und unser Ziel ist es, diese zu überwinden". Seines Erachtens seien 71 Prozent der Todesfälle von Männern im erwerbsfähigen Alter auf hohen Alkoholkonsum zurückzuführen.
Dazu gehörten nicht nur tödliche Krankheiten wie Bauchspeicheldrüsenentzündung, Leberzirrhose oder Kardiomyopathie, sondern auch Trunkenheit am Steuer und tödliche Schlägereien.
In der Autonomen Republik Burjatien im fernen Osten Sibiriens wurden die Zeiten des Alkoholverkaufs um drei Stunden beschränkt. Von vormals neun Uhr morgens bis neuen Uhr abends auf elf Uhr vormittags bis acht Uhr abends. An insgesamt 17 föderalen und regionalen Feiertagen darf kein Alkohol verkauft werden.
Alexej Tsidenow, Leiter der Region Burjatiens, erläuterte, dass sich seine Republik "in der negativen Spitzengruppe Russlands" befinde. Die Sterblichkeitsrate durch Alkohol und alkoholbedingte Krankheiten sei bis 2024 um nahezu 20 Prozent gestiegen.
Während der Pro-Kopf-Alkoholkonsum in Russland insgesamt seit Jahren abnimmt, liegt dieser in einigen Regionen deutlich über dem nationalen Durchschnitt.
Auch ist die Zahl der Menschen mit der Diagnose Alkoholabhängigkeit im Jahr 2022 im Vergleich zu den letzten Jahren im Land erstmals gestiegen. Von 2010 bis 2021 hatte sie sich um das Dreifache verringert. Das Gesundheitsministerium führt dies auf die Belastung durch die Pandemie zurück
Kurzfristige Auswirkungen und illegale Märkte
Während die längerfristigen Auswirkungen der Maßnahmen hinsichtlich gesundheitlicher Fragen gegenwärtig schwierig einzuschätzen sind, geht der Verband der Einzelhandelsunternehmer (Acort) davon aus, dass die in einigen russischen Regionen eingeführten Maßnahmen zur Beschränkung des Alkoholverkaufs zu finanziellen Verlusten führen werden: So zur Schließung von 1000 Geschäften, zum Abbau von 5000 Arbeitsplätzen und zu Mindereinnahmen der regionalen Haushalte in Höhe von mehreren Milliarden Rubel pro Jahr.
Andere Stimmen aus dem Einzelhandel gehen davon aus, dass die Eingrenzung der Verkaufszeiten aus der Erfahrung heraus nur kurzfristige Auswirkungen auf den Markt hat, da die Nachfrage mit der Anpassung der Verbraucher zurückkehre.
In der Region Vologda hat sich der Korrespondent des Kommersants, Alexander Tschernich, vor Ort ein Bild gemacht. In Gesprächen mit Einwohnern stellte sich wenig überraschend heraus, dass verstärkt auf Vorrat gekauft oder sich wenn möglich an die neuen Einkaufszeiten angepasst wird.
Babuschka-Schwarzmarkt
Häufig gehen auch Rentnerinnen und Rentner alkoholische Getränke für Arbeitende ohne die nötigen zeitlichen Ressourcen einkaufen. Gemäß Hörensagens sollen einige wenige Großmütterchen (Babuschkas) Alkohol mittlerweile auf bestimmten Bänken weiterverkaufen.
Nicht wenige Taxifahrer sollen ebenfalls am alternativen Alkoholgeschäft beteiligt sein mit angemessen gefüllten Kofferräumen. In der bekannten Maxim-Taxi-App sollen Kunden beim Taxiruf entsprechende Bestellungen aufgeben können.
Denkbar sind auch Kurztrips in benachbarte Regionen des Gebiets Vologda, da es keine Kontrollpunkte für das Mitführen von Alkohol gibt. Zusätzlich kann das Gaststättengewerbe durch die zusätzliche Nachfrage zu bestimmten Uhrzeiten profitieren, wobei hier für viele Menschen finanzielle Hürden bestehen.
Das Aufkommen illegaler Verkaufsstellen könnte nicht nur für den Markt Folgen haben, sondern bei Verbrauchern auch schwere gesundheitliche Probleme auslösen, zum Beispiel durch den Konsum von gepanschtem Alkohol oder anderen Ersatzprodukten.
Demnach könnten allein restriktive Maßnahmen ohne zusätzliche Anti-Alkohol-Kampagnen und Kontrollen leider eine zweideutige Wirkung entfalten.