Kampf um die Konzessionen

In Mexiko steht ein umstrittenes neues Rundfunk- und Fernsehgesetz kurz vor der Verabschiedung

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Das geplante Mediengesetz soll entscheidend zur Demokratisierung der Verhältnisse und zur Ermöglichung der Meinungsfreiheit beitragen. Doch die Debatte darum ist von Blockaden und Machenschaften gekennzeichnet. Die jetzt vorgelegte Reform des Mediengesetzes soll bezahlte Parteienwerbung in Rundfunk und Fernsehen ganz verbieten. Überdies sollen Grenzen für die Konzentration an Medieneigentum festgelegt werden, sowie Strafen für Verstöße gegen das Mediengesetz. Anstatt der Exekutive soll künftig ein Medienrat nach öffentlich nachvollziehbaren Kriterien über Konzessionen entscheiden, und ein Fonds für die Förderung unabhängiger Medienproduktionen soll eingerichtet werden (Mediokratie in Mexiko - Teil 1).

Das Thema wird deshalb so heiß gekocht, weil der nächste mexikanische Präsident turnusmäßig über die Verlängerung der meisten Konzessionen für die großen Medienimperien entscheiden wird, welche zwischen 2007 und 2011 anstehen - es ist also im ureigensten Interesse der Medienkonzerne Televisa & Co., ihren Einfluss auf die Politik nicht vor den kommenden Wahlen im Jahr 2006 schwinden zu sehen.

Insbesondere der voraussichtliche Kandidat der linksliberalen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) ist den Medien dabei ein Dorn im Auge, denn er ist Umfragen zufolge nicht nur der aussichtsreichste Kandidat, sondern ist auch in der Vergangenheit häufig gegen das mexikanische Fernsehen zu Felde gezogen, in dem soziale Bewegungen oder progressivere Ansichten kaum dargestellt werden. López Obrador war in der jüngsten Vergangenheit immer wieder Opfer von allerlei Rufmordkampagnen der Rechten, die seinem Image bisher jedoch nicht schaden konnten - im Gegenteil.

Ein weiterer Missstand im derzeitigen Mediengesetz ist, dass es keine klare Regelung für die Vergabe von Lizenzen für Freie oder Community-Radios enthält. Seit 1965 existieren in Mexiko nichtkommerzielle Radios, die entweder aus sozialen Bewegungen entstanden sind, klassische Gemeinde- und Bürgerradios sind oder aber entlegene Regionen beschallen, in denen die Kommerziellen gar nicht vertreten sind.

Anträge dieser Radiosender auf legale Frequenzen wurden in der Vergangenheit jedoch immer wieder abgelehnt, mit fadenscheinigen und zum Teil auch abenteuerlichen Begründungen: So sollten lokale Bürgerradios einem Artikel in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada zufolge nicht nur völlig unangemessene Finanzreserven nachweisen, sondern auch eine Bestätigung der mexikanischen Armee vorlegen, dass sie keine subversiven Inhalte senden würden. Ein Sender im Staat Veracruz wurde Mitte der 90er Jahre gewaltsam geschlossen, weil er angeblich codierte Botschaften für bewaffnete Gruppen versendete - diese stellten sich später jedoch schlicht als Programmanteile in verschiedenen Indianersprachen heraus.

Erste Lizenzen für Community-Radios

Die erbittertsten Feinde solcher Bürgerradios sind die privaten Medienkonzessionäre, die über ihre Industriekammer CIRT massive Lobbyarbeit gegen die Erteilung von Lizenzen an nichtkommerzielle Radios betreiben. Regierungsfunktionäre und CIRT-Vertreter nennen die Community-Radios gern "subversiv" und "Piratenradios", um sie öffentlich zu diskreditieren, ganz gleich, wie harmlos deren Programmgestaltung aussieht.

Insbesondere für die offiziell 11 Prozent indigene Bevölkerung Mexikos sind Community-Radios ein unverzichtbares Instrument zur Ausübung ihrer verfassungsmäßig garantierten Informations- und Meinungsfreiheit, da die kommerziellen Medien die indigene Lebensrealität nicht einmal ansatzweise zur Kenntnis nehmen, sie in indigenen Gebieten häufig gar nicht zu empfangen sind und für Menschen, die kein Spanisch sprechen, ohnehin nicht zu verstehen.

Das wohl bekannteste, aber bei weitem nicht das einzige regierungsunabhängige indigene Radio in Mexiko ist derzeit wohl Radio Insurgente, das von der südmexikanischen Guerilla EZLN im Bundesstaat Chiapas betrieben wird - allerdings hat dieser Sender aufgrund seiner Entstehung rund um den zapatistischen Befreiungskampf nie um eine Genehmigung ersucht. Dennoch hatte das Kommunikationsministerium SCT im August 2003 der EZLN damit gedroht, das Equipment von Radio Insurgente zu beschlagnahmen und den Sender stillzulegen. Da diese Drohung ganz offensichtlich politisch nicht durchsetzbar war - sie hätte das fragile Kräftegleichgewicht in Chiapas durcheinandergebracht -, sorgte sie damals jedoch eher für Belustigung.

In der Praxis wurden viele freie Radios bisher von der Regierung zwar stillschweigend geduldet, teilweise auch jahrzehntelang, doch konnte diese jederzeit die gesamte Ausrüstung beschlagnahmen und die Macher strafrechtlich verfolgen. Was durchaus öfters vorkam, vor allem bei progressiven Sendern in Konfliktzonen, beispielsweise im südöstlichen Bundesstaat Oaxaca, wo 2002 ein Gemeinderadio der Mixe-Indianer in Tlahuiltoltepec, das seit einem Jahr ohne Lizenz sendete, von der Polizei ohne den erforderlichen Richterbefehl geschlossen wurde. Im März 2003 sollten gleich 16 sogenannte illegale Radiosender stillgelegt werden - eine Aktion, die daran scheiterte, dass sie vorab öffentlich bekannt wurde. Auch unabhängige Journalisten werden in Mexiko häufig bedroht und manchmal auch ermordet, zuletzt Ende November 2004 im nördlichen Bundesstaat Sinaloa.

Seit vielen Jahren kämpft die mexikanische Vertretung des Weltverbands freier Radios, AMARC, für die Lizenzierung der 33 Sender, die in Mexiko dem Verband beigetreten sind, und um die Festlegung nachvollziehbarer Kriterien im Gesetz. Im vergangenen März wurde das Thema sogar vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH verhandelt, da Mexiko in Bezug auf die Informations- und Meinungsfreiheit diverse internationale Abkommen unterzeichnet hat, gegen die es laut Menschenrechtskommission in Bezug auf freie Radios verstößt.

Vielleicht war es diese Entscheidung der CIDH, die die Regierung schließlich noch vor der Reform des Mediengesetzes zum Einlenken bewegte: Im vergangenen Dezember wurden die ersten Lizenzen für insgesamt fünf indigene Community-Radios vergeben, was AMARC als Erfolg seiner Kampagne feierte. Leider unterscheidet der Verband selbst zwischen "ehrenhaften" Community-Radios, die um Legalisierung bemüht sind, und "wirklich illegalen" Piratenradios, womit er Wasser auf die Kriminalisierungsmühlen der Medienimperien und der mexikanischen Regierung gießt.

AMARC wirft der Regierung vor, die Regulierung der elektronischen Medien lediglich als ökonomische Angelegenheit zu betrachten, in der nur das Wohlbefinden einiger Unternehmen auf dem Spiel steht. Dies

widerspricht jedoch internationalen Standards zur Garantie der Meinungs- und Informationsfreiheit welcher Gesellschaft auch immer. Wenn lediglich ökonomische und technische Kriterien geltend gemacht werden, um das Treiben der Medien zu normieren, sorgt das nicht nur zum Ausgrenzung der Gesellschaft vom Zugang zu den Frequenzen, sondern es beschränkt und verletzt diese Menschenrechte.

Ob der nun vorliegende Reformentwurf zum Mediengesetz im Februar tatsächlich zur Abstimmung kommt, ist angesichts der Kräfteverhältnisse in Mexiko nach wie vor offen.