Kapitalmarkt-Traum geplatzt: Berlin und Rom streiten um die Commerzbank

Commerzbank-Turm bei Sonnenuntergang

(Bild: Anski21 / Shutterstock.com )

Deutschland legt sich quer: Die UniCredit soll die Commerzbank nicht übernehmen dürfen. Doch der Streit mit Italien könnte die Kapitalmarktunion gefährden.

Der Streit um die geplante Übernahme der Commerzbank durch die italienische UniCredit spitzt sich zu. Deutschland wehrt sich vehement dagegen, dass das Frankfurter Kreditinstitut unter das Dach des Mailänder Rivalen schlüpft. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich empört über das aggressive Vorgehen von UniCredit-Chef Andrea Orcel.

"Unfreundliche Angriffe und feindliche Übernahmen sind nicht gut für Banken, deshalb hat die Bundesregierung hier eine klare Position bezogen", sagte Scholz kürzlich dem Finanzdienst Bloomberg in New York. Er kritisierte die Art und Weise, wie Orcel eine mehr als 20-prozentige Beteiligung an der Commerzbank aufgebaut hat.

UniCredit greift nach der Commerzbank

Der italienische Kreditgeber hatte Mitte September zunächst einen Anteil von neun Prozent gemeldet und diesen in dieser Woche auf über 20 Prozent aufgestockt – und ist damit noch vor dem deutschen Staat größter Aktionär. Orcel hatte angekündigt, eine Komplettübernahme der Commerzbank zu prüfen.

Dieses Vorhaben stößt in Berlin jedoch auf heftigen Widerstand. Neben der Regierung lehnen auch die Gewerkschaften und die Commerzbank selbst die Avancen aus Mailand ab. Die designierte Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp betonte, sie sei "nicht begeistert" von der Aussicht, Teil der UniCredit zu werden.

Streit belastet deutsch-italienische Beziehungen

Der Übernahmepoker sorgt nicht nur für Unruhe im deutschen Bankensektor, sondern belastet auch die heiklen diplomatischen Beziehungen zwischen Berlin und Rom. Die italienische Regierung ist zunehmend frustriert über den deutschen Widerstand gegen den Deal.

Einige Beamte in Rom kritisieren hinter vorgehaltener Hand, dass Deutschland zwar für mehr europäische Integration eintrete, sich dann aber einer möglichen Übernahme der Commerzbank widersetze. Auch Außenminister Antonio Tajani sprang der UniCredit zur Seite und warf den Deutschen Doppelmoral vor.

"In Europa herrscht freier Markt", sagte Tajani. Und das gelte besonders, wenn in Italien ein Unternehmen übernommen werden solle. Wenn aber ein italienisches Unternehmen in Deutschland kaufen wolle, dann gelte der Binnenmarkt plötzlich nicht mehr. Auch Orcel verteidigte sein Vorgehen. Er habe alle Beteiligten konsultiert und wolle den Dialog über das weitere Vorgehen wieder aufnehmen.

Übernahmestreit gefährdet Kapitalmarktunion

Der Übernahmepoker droht aber auch ein wichtiges europäisches Projekt zu torpedieren: die Schaffung einer Kapitalmarktunion. Sowohl Bundeskanzler Scholz als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten zuletzt für eine stärkere Integration der Finanzmärkte in der EU geworben.

"Wir brauchen endlich eine funktionierende Kapitalmarktunion", hatte Scholz gesagt. Nur so könne Europa im internationalen Wettbewerb mit den USA und China bestehen, hatte Macron betont. Dieser drängt darauf, durch Fusionen große europäische Player zu schaffen. Er zeigte sich offen für die Übernahme französischer Banken.

Doch der deutsche Widerstand gegen den UniCredit-Deal könnte die Kapitalmarktpläne nun ausbremsen. "Deutschland wird nun vorgeworfen, die europäische Bankenintegration nur zu seinen eigenen Bedingungen voranzutreiben", sagte der Finanzexperte David Marsh laut Bloomberg. Sollte die Integration scheitern, sieht Macron Europa auf dem absteigenden Ast.

Commerzbank rüstet sich zur Verteidigung

Während in den Hauptstädten um die Zukunft der Commerzbank gerungen wird, rüstet sich das Institut selbst zur Verteidigung gegen die Italiener. Mit Bettina Orlopp übernimmt in Kürze erstmals eine Frau den Chefposten.

Die bisherige Finanzchefin gilt als loyal und durchsetzungsstark. Sie muss nun eine Strategie entwickeln, um die Eigenständigkeit der Commerzbank zu bewahren. Unterstützung erhält sie von der Belegschaft. Die Arbeitnehmervertreter lehnen eine Übernahme strikt ab.