Kein Gegenmittel gegen Echelon

Vorabversion des Berichts des Echelon-Untersuchungsausschusses des Europaparlaments durchgesickert

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Der nichtständige Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments, der über das unter dem Namen Echelon bekannte globale Abhörsystem ermittelte, ist im Begriff, seinen Abschlussbericht vorzustellen. Eine Vorabversion des Berichts ist allerdings bereits durchgesickert und wurde gestern auf der Cryptome-Website von John Young veröffentlicht. Der Washington-Korrespondent des Magazins Wired Online nahm dies zum Anlass für einen Artikel unter der Schlagzeile, dass der Ausschuss-Bericht die Lauschmöglichkeiten von Echelon herunterspielen würde.

Der Ausschuss stützte sich im wesentlichen auf öffentliche Quellen und hatte keine Handhabe, Geheimdienstmitarbeiter von an Echelon beteiligten Staaten zu Aussagen zu zwingen. Erst vor zwei Wochen mussten Ausschuss-Mitglieder unverrichteter Dinge wieder aus Washington abreisen (Außer Spesen nichts gewesen?), nachdem die Bush-Administration Meetings in letzter Minute abgesagt hatte. Die von Cryptome veröffentlichte Version des Ausschussberichts stammt vom 4. Mai, er wurde also vor dem Hinauswurf der Europäer in Washington geschrieben. Abgeschlossen könne er erst nach dem Besuch in den USA werden, kann man im Vorwort lesen. Vervollständigt werden müsste unter anderem die Ausführungen zum Thema Wirtschaftsspionage.

Laut dem vorliegenden Bericht gilt es inzwischen als bewiesen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland miteinander das so genannte UKUSA-Abkommen vereinbarten. Auf seiner Grundlage hören die Geheimdienste dieser Länder gemeinsam die internationale Telekommunikation per Satellit, Kabel und möglicherweise Mikrowelle ab. Das auf vier Kontinenten installierte Abhörsystem sei "eines der wenigen Systemen, das Telekommunikation global abhören kann", stellt der Bericht fest. Allein Frankreich und Russland in Kooperation mit Kuba seien dazu geographisch und technologisch ebenfalls in der Lage.

Das System wurde zeitweise unter dem Codenamen Echelon geführt. Der Ausschuss geht davon aus, dass dies heute nicht mehr der Fall ist. Allein aufgrund der riesigen Datenmenge sei es unmöglich, jedes Signal aufzufangen. Die Auswertung konzentriere sich deshalb auf militärische, internationale politische sowie allgemein wirtschaftliche Informationen. Verwendet würden die Erkenntnise unter anderem auch zur Terrorismusbekämpfung, Kontrolle des Waffenhandels und Geldwäsche, nicht jedoch zur Wirtschaftsspionage. Der Vorwurf, dass das System auch eingesetzt werde, um amerikanischen Firmen Wettbewerbsvorteile unter anderem gegenüber westeuropäischen Alliierten zu verschaffen, war einer der Hauptgründe für die Einsetzung des Ausschusses gewesen. Abhörmaßnahmen würden nur stattfinden, falls Unternehmen in Drittstaaten "unfaire Praktiken" wie Bestechung verwendeten, heißt es nun in dem Bericht. Eine der politischen Implikationen ist, dass es auf lange Sicht Probleme mit dem britischen Engagement geben könnte, da die Geheimdienste innerhalb der Europäischen Union zunehmend miteinander kooperieren würden.

Was das Internet betrifft, so würde nur ein kleiner Teil der innereuropäischen Kommunikation über einen Switch in London geleitet, wo sie dann vom Geheimdienst GCHQ abgehört werden könne. 95 Prozent der deutschen Internetkomunikation würden beispielsweise über Frankfurt geroutet: "Praktisch bedeutet dies, dass die Echelon-Staaten nur zu einem sehr begrenzten Anteil der Internetkommunikation Zugang haben, die über Kabel läuft."

Der Bericht bestätigt die Annahme, dass die Signale mithilfe von elektronischen Wörterbüchern gefiltert werden. Eine politische Kontrolle der Suchkriterien fände nicht statt. Das System beabsichtige nicht, in die Privatsphäre von Privatpersonen einzudringen. So kommt der Bericht zu der Schlussfolgerung, dass die Möglichkeiten von Echelon in der Presse überbewertet worden seien, dass aber zugleich gegen Echelon-Abhörpraktiken "absolut kein Schutz" existiere. Der Ausschuss empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen. Unter anderem müsse die parlamentarische Kontrolle verstärkt werden. Auch müsse der Datenschutz eines europäischen Landes verbessert werden und sich auf alle europäischen Bürger erstrecken. deutschland und England werden dazu aufgerufen, weitere geheimdienstliche Aktivitäten der USA auf ihrem Gebiet von der Einhaltung des Europäischen Abkommens zum Schutz der Menschenrechte abhängig zu machen und dies auch zu überprüfen, auch wenn sie dies nur tolerieren. Bürger und Unternehmen sollten zum Schutz ihrer Kommunikation mehr auf Verschlüsselungstechniken setzen. Auch solle im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO Industriespionage geächtet werden. Unterstützt wird auch ein gemeinsamer europäischer Geheimdienst.

Gerhard Schmid, Berichterstatter des nichtständigen Echelon-Untersuchungsausschusses des Europaparlaments, hat in einem Telepolis-Gespräch ausführlich über den Ausschuss und die Echelon zugeschriebenen Abhörmöglichkeiten gesprochen (Das globale Abhör-Puzzle)

Anmerkung der Redaktion: Eine genauere Evaluation des Berichts in Telepolis ist am Beginn der kommenden Woche zu erwarten. Eine Pressekonferenz des Echelon-Ausschusses ist für kommenden Mittwoch geplant. Watch this space!