"Kein einziges ukrainisches oder russisches Leben darf mehr geopfert werden"

Seite 2: "Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine war illegal"

Aber zurück zur Ukraine. Der Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine war illegal. Ich verurteile sie aufs Schärfste. Aber die russische Invasion der Ukraine war nicht unprovoziert. Deshalb verurteile ich auch die Provokateure auf das Schärfste. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Als ich gestern diese Rede geschrieben habe, habe ich darauf hingewiesen, dass das Vetorecht in diesem Rat nur in den Händen der ständigen Mitglieder liegt und dass ich das mit Sorge sehe, dass das undemokratisch ist und diesen Rat etwas zahnlos macht.

Aber heute Morgen, als ich aufwachte, hatte ich eine Offenbarung. Zahnlos – vielleicht ist Zahnlosigkeit in mancher Hinsicht gut. Wenn dieser Rat zahnlos ist, kann ich mein freches Maul im Namen der Stimmlosen aufreißen, ohne Angst haben zu müssen, dass mir der Kopf abgebissen wird. Das ist ziemlich cool.

Ich habe heute Morgen in der Zeitung gelesen, dass ein Diplomat unter dem Schutz der Anonymität kommentiert hat, dass ich, Roger Waters, vor diesem Rat spreche. Er sagte: "Was kommt als Nächstes? Mr. Bean?"

Für alle, die es nicht wissen: Mr. Bean ist eine belanglose Figur aus einer britischen Comedy-Show im Fernsehen. Sie können also darauf wetten, dass der anonyme Diplomat Brite ist.

Ich glaube, es ist an der Zeit, meine Mutter vorzustellen, Mary Duncan Waters. Sie hat mich sehr geprägt. Sie war Lehrerin. Ich sage "war", weil sie vor 15 Jahren gestorben ist.

Auch mein Vater, Eric Fletcher Waters, hatte einen großen Einfluss auf mich. Er ist auch tot. Er fiel am 18. Februar 1944 bei Aprilia in der Nähe des Brückenkopfes von Anzio in Italien. Ich war damals erst fünf Monate alt. Ich kann also Krieg und Verlust beurteilen.

Aber zurück zu meiner Mutter. Als ich ungefähr 13 Jahre alt war, kämpfte ich mit einigen üblen Pubertätsproblemen. Ich versuchte mich zu entscheiden, was ich einmal werden wollte.

Egal, was es war, ich weiß es nicht mehr. Aber meine Mutter setzte sich zu mir und sagte:

"Hör zu, du wirst im Laufe deines Lebens mit einigen üblen Problemen konfrontiert werden, Roger. Und wenn es so weit ist, hier mein Rat: Lies, lies, lies, finde alles heraus, was du kannst, egal, was es ist. Betrachte die Dinge von allen Seiten, aus allen Blickwinkeln, höre dir alle Meinungen an, besonders die, mit denen du nicht übereinstimmst. Untersuche die Dinge gründlich, und wenn du das getan hast, hast du die härteste Arbeit hinter dir und der Rest wird leicht sein."

Da wir gerade davon sprechen, das Richtige zu tun, komme ich zu den Menschenrechten. Wir, das Volk, wollen universelle Menschenrechte für alle unsere Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität.

Um es klar zu sagen: Das schließt das Recht auf Leben und Eigentum nach dem Gesetz ein, beschränkt sich aber nicht darauf, weder für Ukrainer noch für Palästinenser.

Lassen Sie das auf sich wirken. Und natürlich gilt auch für alle anderen, dass eines der Probleme von Kriegen darin besteht, dass es in einem Kriegsgebiet oder überall dort, wo Menschen unter militärischer Besatzung leben, keine Rechtsmittel gibt, dass es keine Menschenrechte gibt.

Deshalb geht es heute um die Friedenschancen in der Ukraine unter besonderer Berücksichtigung der Aufrüstung des Kiewer Regimes durch Dritte.

Was sagen die Millionen ohne Stimme? Sie sagen: Danke, dass Sie uns heute zuhören. Wir sind die Vielen, die nicht zu den Kriegsgewinnern gehören. Wir sind nicht bereit, unsere Söhne und Töchter als Futter für eure Kanonen aufzuziehen.

Das einzig Vernünftige, was wir heute unternehmen können, ist, einen sofortigen Waffenstillstand für die Ukraine zu fordern. Ohne Wenn und Aber. Kein einziges ukrainisches oder russisches Leben darf mehr geopfert werden, kein einziges. Sie sind uns alle wertvoll.

Es ist an der Zeit, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen. Sie alle kennen die Geschichte mit dem Titel "Des Kaisers neue Kleider". Natürlich kennen Sie sie.

In der Tat stehen die politischen Führer Ihrer jeweiligen Staaten mehr oder weniger nackt vor uns. Wir haben eine Botschaft für sie.

Es ist eine Botschaft der Flüchtlinge aus den Lagern.

Eine Botschaft aus den Elendsvierteln und Favelas.

Eine Botschaft von allen Obdachlosen auf allen kalten Straßen, von allen Erdbeben und Überschwemmungen der Erde.

Es ist auch eine Botschaft von all den Menschen, die noch nicht verhungert sind, aber sich ständig fragen müssen, wie sie mit dem wenigen Geld, das sie verdienen, ein Dach über dem Kopf und Essen für ihre Familien bezahlen können.

Meine Heimat. England ist Gott sei Dank kein Empire mehr. Aber in diesem Land gibt es jetzt ein neues Sprichwort: Iss oder heize – beides geht nicht (engl.:eat or heat).

Dieser Aufschrei hallt durch ganz Europa. Offenbar glauben die Herrschenden, dass wir uns alle einen ewigen Krieg leisten können. Wie verrückt ist das?

Die rund vier Milliarden Brüder und Schwestern dieser stimmlosen Mehrheit, die zusammen mit den Millionen der internationalen Antikriegsbewegung eine riesige Wählerschaft bilden, sagen: Genug ist genug. Wir fordern einen Wandel.

Präsident Biden, Präsident Putin, Präsident Selenskyj: Die USA. Nato, Russland, die EU - Sie alle: Bitte ändern Sie jetzt den Kurs. Stimmen Sie heute einem Waffenstillstand in der Ukraine zu.

Das wird nur der Ausgangspunkt sein, aber von diesem Ausgangspunkt aus wird alles seinen Lauf nehmen.

Stellen Sie sich den kollektiven Seufzer der Erleichterung vor, den Ausbruch der Freude, den internationalen Einklang der Stimmen, die eine Hymne auf den Frieden singen. John Lennon, der aus seinem Grab heraus die Faust in die Luft reckt.

Endlich hat man uns in den Korridoren der Macht gehört, die Tyrannen haben eingewilligt, das Spiel mit dem nuklearen Feuer aufzugeben. Wir werden nicht alle in einem nuklearen Holocaust sterben, zumindest nicht heute. Die Mächtigen sind überzeugt, das Wettrüsten und den ewigen Krieg als ihren gewohnten Modus Operandi aufzugeben.

Wir können aufhören, all unsere kostbaren Ressourcen für den Krieg zu verschwenden. Wir können unsere Kinder ernähren, wir können sie wärmen, wir können vielleicht sogar lernen, mit all unseren Brüdern und Schwestern zusammenzuarbeiten, um unseren schönen Heimatplaneten vor der Zerstörung zu bewahren.

Wäre das nicht schön?