Keine Internetolympiade in Australien

Das IOC hatte eine rigide Beschränkungspolitik bei der Internetberichterstattung verfolgt und sagt jetzt, man habe die Bedeutung des Internet weit überschätzt.

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Olympischer Sport, das sind nicht nur mit allen Mitteln hochtrainierte Sportler, sondern auch genaue Messungen, also Maschinen und Fluten von statistischen Daten. Und was sich erfassen lässt, wird auch erfasst, um neue Rekorde zu melden. Trotz Berichterstattung in den Medien war die Teilnahme, zumindest was die Auslastung aller Wettkampfveranstaltungen mit Zuschauern angeht, in Australien mit 87 Prozent bislang am höchsten (Atlanta 82 Prozent). Aber natürlich gibt es noch mehr Rekorde. Beispielsweise was die Medien und das Internet angeht.

Da es in Australien schön heiß ist, wurde natürlich auch von den Besuchern rekordverdächtig viel getrunken: 10000 Gläser Bier oder 70000 Flaschen Coke wurden täglich verkauft, Wasser scheint mit 3000 Flaschen nicht so bei den Zuschauern beliebt gewesen zu sein. Dafür wurden immerhin eine Milliarde Lutscher vom Personal des Olympischen Parks verschenkt oder selbst gelutscht. Überhaupt wurden mit 420 Millionen Dollar Umsatz mehr offizielle Andenken als bislang verkauft. Dafür gab es auch eine bislang einmalige Sicherung (DNA-Markierung zur Authentifizierung von Waren).

Immerhin stellt auch das olympische Dorf einen Rekord ein: es ist mit 665 Häusern die größte Siedlung, deren Energie für Strom und Warmwasser von Solaranlagen stammt. 80 Prozent des Abfalls, der an Wettkampforten entstanden sei, wurde recycelt, die Verwendung von Wasser in Trinkwasserqualität um 50 Prozent abgesenkt, indem beispielsweise die Spülung von 2500 Toiletten mit Gebrauchtwasser erfolgte.

Doch jetzt zu den Medien. Die Olympischen Spiele in Australien wurden in mehr Länder als jemals zuvor übertragen. Waren es bei den Spielen in Barcelona noch nur 193, in Atlanta 214, so konnten jetzt die Menschen in 220 Ländern die Spiele auf der Glotze verfolgen. Allein an Fernseheinnahmen wurden dieses Jahr über 1,3 Milliarden US-Dollar erzielt, vor vierzig Jahren in Rom ging es gerade einmal um eine halbe Million.

Angst hatte man beim IOC und beim amerikanischen Sender NBC, der sich die meisten und teuersten Rechte gesichert hatte, schon im Vorfeld. Daher wurde strikt begrenzt, was ins Internet und wann darf. Um das Geschäft mit NBC, der sich mit 725 Millionen Dollar die amerikanischen Rechte eingekauft hatte, nicht zu verderben, hat das IOC allen außer NBC verboten, Radio- oder Videoaufnahmen ins Internet zu stellen - und auch dort kamen sie, um das Fernsehen als primäres Medium zu schützen, erst mit einer Verzögerung von 15 Stunden. Netzjournalisten hielt man weitgehend außerhalb. Und auch wenn, wie man auf der offiziellen, von IBM betriebenen Olympia-Website www.olympics.com/ heute erfährt, dass die Spiele in Australien "ein neues Kapitel in der Internetgeschichte" eröffnet hätten, so sind sie auch wegen der Verhinderungstaktik keineswegs zu der prophezeiten Internet-Olympiade geworden.

Gleichwohl, www.olympics.com konnte während der Spiele mehr als neun Milliarden Hits verzeichnen. Bei den Winterspielen in Nagano 1998 waren es noch 634 Millionen. Was aber auf den ersten Blick nach einer sehr hohen Zahl aussieht, schrumpft gleich zusammen, wenn es um die Zahl der visits geht, also um die einzelnen Besucher, die zur Website gekommen sind. Während das IOC von der Vermutung ausging, dies würden 35 Millionen Besucher sein, so scheinen es gerade einmal etwas mehr als 15 Millionen gewesen zu sein.

Mitglieder des IOC sagen jetzt, dass man die Bedeutung des Internet für die Berichtserstattung überschätzt hatte, wie BBC News berichtet. Vizepräsident Dick Pound meinte, dass man einem "Internet hype" zum Opfer gefallen sei. Noch müsse viel geschehen, damit das Internet wirklich in Konkurrenz zum Fernsehen treten könne. Marketingdirektor Michael Payne sagte, man sei davon ausgegangen, dass die Welt sich durch das Internet verändert habe, aber 99,5 Prozent der Zuschauer hätten weiterhin das Fernsehen benutzt.

Das aber ist natürlich auch eine Folge der Politik des IOC gewesen, das Internet möglichst gegenüber dem Fernsehen kurz zu halten. Während das Fernsehen als Massenmedium gut kontrolliert werden kann, wäre dies vermutlich im Internet sehr viel schwerer geworden. Und obgleich eigentlich jeder Besucher mit einer Videokamera, einem Audiorecorder, einem tragbaren Computer und einem Handy zu einem Internetberichterstatter hätte werden können, ging davon keine finanzielle oder, in Bezug auf das Fernsehen, aufmerksamkeitsökonomische Bedrohung aus - abgesehen davon, dass andere Sportereignisse und die Zeitverschiebung in den USA für schlechte Einschaltquoten sorgte. Hier waren sie die bislang niedrigsten seit 1960, was schon einiges bedeutet. Auch in Deutschland wurden keine Erfolge erzielt, allerdings heißt es, dass in Europa insgesamt die Zuschauerzahlen angestiegen seien, ebenso in Kanada oder Südamerika. Das mangelnde Interesse der Amerikaner muss sich jedenfalls mehr als nur der Zeitverschiebung verdanken, sollte man also meinen. Auch wenn die amerikanischen Fernsehrechte noch immer mehr als die Hälfte der Erlöse von der Vergabe der Fernsehrechte für das IOC erbringen, so braucht man sich dort trotzdem nicht allzu große Sorgen zu machen, schließlich brachten US-Sender Anfang der 80er Jahre noch 80 bis 90 Prozent der Gesamteinnahmen ein. Der Anteil an den Gesamteinnahmen liegt heute hingegen bei 20 Prozent.

Das IOC bereitet im Dezember allerdings eine Tagung über neue Medien vor, bei der es auch darum gehen wird, wie man in Zukunft mit dem Internet umgehen wird. Werden dann die Olympischen Spielen 2004 in Athen zur ersten wirklichen Internetolympiade? Bis dahin kann schließlich technisch noch einiges geschehen, beispielsweise allein, was die Bandbreite angeht.