Keine Lösung der Zypern-Frage in Sicht
- Keine Lösung der Zypern-Frage in Sicht
- Der Annan-Plan und sein Scheitern
- Das erneute Scheitern rückt eine Lösung in weite Ferne
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Nordzypern ist das einzige annektierte Gebiet innerhalb der EU. Die Insel ist durch den Gasstreit strategisch noch bedeutender geworden
Ende April wurde in Genf zum wiederholten Mal über die Zypern-Frage verhandelt. Die UN bemühten sich bei den Verhandlungen mit den Zypern-Garantiemächten Griechenland, Türkei und Großbritannien sowie mit Nord- und Südzypern, die Konflikte der geteilten Insel zu lösen. Die Verhandlungen scheiterten jedoch erneut. Damit bleibt die Zypern-Frage auch fast 50 Jahre nach der türkischen Invasion 1974 ungelöst.
Es ist kaum möglich, die komplizierte Zypernfrage in einem einzigen Artikel differenziert darzustellen. Die Analysen dazu füllen Bücherwände. Von daher reißt dieser Artikel nur die relevanten Themen an und gibt einen Überblick über die Problematik. Es gibt bezüglich Zypern viele offene Fragen. Alle Beteiligten haben ihre Hausaufgaben zu einer Lösung des Konflikts nicht erfüllt. Sie sind auch abhängig von den politischen Konstellationen innerhalb der Garantiemächte.
Kurzer geschichtlicher Abriss zu Zypern
Schon 1827 gab es auf Zypern, das damals noch zum Osmanischen Reich gehörte, Bestrebungen der griechischen Zyprioten sich Griechenland anzuschließen (Enosis). In der Zeit des Osmanischen Reiches hatten sich vermehrt muslimische Türken aus Anatolien in Zypern niedergelassen. Im Berliner Vertrag von 1878 bestimmten die europäischen Mächte, dass das Osmanische Reich Zypern an Großbritannien verpachten musste.
1925 annektierte Großbritannien die Insel und machte sie zur britischen Kronkolonie. In dieser Zeit forderten die griechischen Zyprioten einen Anschluss an Griechenland. Die griechische Bevölkerung fühlte sich gegenüber den eingewanderten muslimischen Türken als die eigentlichen Zyprioten.
Die Briten und Spaltungen
Die Briten förderten die Spaltung in der Bevölkerung, indem sie vor allem türkische Zyprioten in ihrer Verwaltung einsetzten. Die griechischen Zyprioten, die Mehrheit der Inselbevölkerung, waren überwiegend Bauern. Politische Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland führten auch zu Spannungen zwischen den Volksgruppen auf Zypern.
Erste türkisch-zypriotische Stimmen zur Teilung (Taksim) der Insel wurden laut. Die Propagierung nationaler Identitäten basierte zunehmend auf gegenseitiger Abgrenzung und Dämonisierung. Daraus entstand die griechisch-zypriotische nationalistische Bewegung der Nationalen Organisation zypriotischer Kämpfer, EOKA. Die kommunistische Partei Zyperns AKEL wollte hingegen der Unabhängigkeitsbewegung eine linke Ausrichtung geben und setzte auf Massenstreiks und Demonstrationen.
1955 begann die EOKA einen Partisanenkrieg gegen die Briten und für die "Enosis", den Anschluss an Griechenland. Die türkischen Zyprioten beantworteten die Aktivitäten der EOKA, unterstützt von den britischen Kolonialherren, mit der Gründung der türkischen nationalistischen Widerstandsorganisation TMT.
1958 befand sich Zypern am Rande eines Bürgerkriegs. Die EOKA verübte Anschläge auf griechische und türkische Zyprioten, die die britische Kolonialmacht unterstützten. Der griechisch-orthodoxe Erzbischof Makarios III von Zypern, befürwortete zwar die Unabhängigkeit der Insel von Großbritannien, ging aber auf Distanz zur nationalistischen EOKA.
Nationalismus und Pogrome
Ebenfalls in den 1950er Jahren - die Türkei hatte wirtschaftliche Probleme - lenkte der damalige türkische Präsident Menderes die Aufmerksamkeit der Menschen in der Türkei von den wirtschaftlichen Problemen weg hin zu einer antigriechischen Stimmung. Die ohnehin weitverbreitete Stimmung gegen ethnische und religiöse Minderheiten wie Armenier, Kurden, Griechen, Eziden, Aleviten und Christen führte auch in der Türkei quer durch alle Parteien zu immer stärkerem Nationalismus.
Mit der Begründung, "die Griechen bringen in Zypern Türken um", wurde der nationalistische türkische Pöbel gegen die Istanbuler Griechen aufgehetzt und es kam dort zu Pogromen.
In dieser Gemengelage waren die Briten bereit, Verhandlungen über eine Unabhängigkeit Zyperns zu führen. 1959 wurde der Londoner Vertrag unterzeichnet, der Griechenland, die Türkei und Großbritannien als Garantiemächte der Unabhängigkeit Zyperns festlegte. Alle drei Parteien garantierten, dass sich die Insel weder als Ganzes noch teilweise an einen anderen Staat angliedern dürfe.
Alle Aktivitäten auf Zypern, die eine Angliederung an ein anderes Land oder die Teilung der Insel anstrebten, hätte Zypern zu unterbinden (Art. I) 1960 erlangte Zypern dann unter Erzbischof Makarios III als Präsidenten und Rauf Denktas als türkisch-zypriotischen Vizepräsidenten die Unabhängigkeit.
Bereits drei Jahre nach der Unabhängigkeit von Großbritannien kam es erneut zu bewaffneten Konflikten zwischen beiden Bevölkerungsgruppen. Die zypriotische Verfassung sah vor, dass der Präsident Zyperns ein griechischer Zypriote und der Vizepräsident ein türkischer Zypriote mit Vetorecht sein muss. Die griechischen Zyprioten, deren Bevölkerungsanteil 80% betrug, fanden den Einfluss der türkischen Zyprioten unangemessen groß.
Massaker an türkisch-zypriotischen Zivilisten
Deshalb schlug Präsident Makarios eine Verfassungsänderung vor, die das Vetorecht der türkischen Zyprioten abschaffen sollte. Die Garantiemacht Türkei wies diesen Vorschlag zurück. An Weihnachten 1963 kam es zu einem Massaker an türkisch-zypriotischen Zivilisten durch nationalistische griechisch-zypriotische Polizeikräfte. In der Folge wurden türkische Zyprioten im Süden der Insel vertrieben.
1967 putschte in Griechenland das Militär und eine faschistische Militärjunta übernahm dort die Macht. Sie förderte die griechischen Nationalisten auf Zypern. 1971 wurde die EOKA auf Zypern wieder reaktiviert und startete einen Guerillakrieg gegen die Regierung Makarios. 1974 putschte die von der griechischen Militärjunta unterstützte Nationalgarde Zyperns gegen Makarios.
So wollte sie den Anschluss Zyperns an Griechenland zu erzwingen, was aber misslang. Großbritannien, das in dieser Situation als eine der Garantiemächte hätte eingreifen müssen, tat in dieser Situation nichts. Sie schützten lediglich ihre zahlreichen großen Stützpunkte. Eine offene Frage ist, warum sie nicht eingriffen, um die türkisch-zypriotische Bevölkerung zu schützen.
Türkische Besatzung des nördlichen Teils
Nach wiederholten Massakern an türkischen Zyprioten landete am 20. Juli 1974 türkisches Militär in Zypern und besetzte den nördlichen Teil. Auch nach dem Scheitern des Putsches der griechisch-zypriotischen Nationalgarde zog sich die türkische Armee nicht zurück, sondern setzte ihre Militärinvasion fort. Vertreibungen und Massaker von beiden Seiten waren die Folge.
Rund 200.000 Menschen beider Ethnien wurden aus ihren Heimatorten vertrieben. 1.500 Zyperngriechen gelten bis heute als verschwunden, 200 Zyperntürken wurden von griechisch-nationalistischen, paramilitärischen Truppen auf der griechischen Seite ermordet. Die türkischen Zyprioten flüchteten in den Norden, während die Griechen sich in den Süden der Insel retteten.
Seitdem ist die Insel in einen größeren griechisch-zypriotischen Teil im Süden (ca. 2/3) und einen kleineren türkisch-zypriotischen Teil im Norden (ca. 1/3) sowie etwa drei Prozent britische Stützpunktfläche (Akrotiri, westlich von Limassol gelegen, umfasst eine Fläche von 123 km² und Dekelia, östlich von Larnaka, mit einer Fläche von 130 km², geteilt).
UN-Blauhelme, "High Level Agreements"
Die UNO entsandte Blauhelme nach Zypern, die bis heute die Demarkationslinie zwischen dem griechischen und türkischen Teil Zyperns überwachen, damit es nicht zu weiteren militärischen Auseinandersetzungen kommt.
Im Januar 1977 fanden Verhandlungen zwischen dem türkisch-zypriotischen Präsidenten Rauf Denktaş und und dem Nachfolger von Makarios im Präsidentenamt, Spyros Kyprianou statt, die schließlich 1979 zu den so genannten High Level Agreements führten.
Diese fixierten die Grundprinzipien für eine Wiedervereinigung der Insel. Es wurde festgelegt, dass Zypern als bizonale und bikommunale Föderation wiedervereinigt und entmilitarisiert werden solle. Die Vereinigung der Insel mit Griechenland oder ihre Teilung waren damit als Optionen offiziell vom Tisch.
Zwischen August 1980 und April 1983 fanden 251 Treffen unter der Aufsicht der Vereinten Nationen statt. Dabei wurde deutlich, dass beide Seiten unterschiedliche Vorstellungen über eine bizonale, bikommunale Föderation hatten.
Der wichtigste Streitpunkt blieb bis heute die unterschiedliche Interpretation der "High Level Agreements": Föderation vs. Konföderation, d.h. ein Staatenbund mit griechisch-zypriotischer Dominanz vs. ein Staatenbund mit absoluter politischer Gleichheit und einer rotierenden Präsidentschaft. In der Zwischenzeit forcierte die Türkei ihre Siedlungspolitik mit Festlandtürken, um die Demographie der Insel zu ihren Gunsten zu verändern.
Am 17. Juni 1983 forderte das türkisch-zypriotische Parlament ein Referendum über die Unabhängigkeit des Nordens. UN-Generalsekretär Perez de Cuellar provozierte in dieser gespannten Atmosphäre mit zwei Lösungsmodellen, ein eher pro-griechisches und ein eher pro-türkisches. Damit wollte er einen Kompromiss erzielen, in dem die türkischen Zyprioten Territorium gegen größere politische Rechte tauschen sollten.
Ausrufung der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ)
Während Kyprianou die Vorschläge als Verhandlungsbasis akzeptierte, schuf Denktas mit Unterstützung der Türkei Tatsachen und rief am 15. November 1983 die Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) aus. Der UN-Sicherheitsrat erklärte die Unabhängigkeitserklärung für ungültig und forderte alle Staaten auf, keinen weiteren zypriotischen Staat neben der Republik Zypern anzuerkennen. Danach lagen alle Pläne auf Eis.
Im August 1988 wurden unter dem neuen moderaten griechisch-zypriotischen Präsidenten George Vassiliou erneut Verhandlungen aufgenommen. Doch der türkisch-zypriotische Präsident Denktaş torpedierte weiter alle Bemühungen, zu einem Konsens zu kommen. Im Januar 1990 scheiterten die Verhandlungen in New York im Beisein der UN an Denktas' Forderung, dass die griechischen Zyprioten die Existenz zweier gleichberechtigter Völker auf Zypern anerkennen sollten, von denen beide ein separates Recht auf Selbstbestimmung (und damit auch auf Abspaltung) besäßen.
Dies hätte faktisch die Teilung Zyperns bedeutet. Schon damals vertrat Denktaş die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung, welche die Türkei heute wieder favorisiert. Im Juli 1990 verkomplizierte sich die Situation weiter, als die Republik Zypern einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft stellte. Daraufhin brach Denktaş weitere Gespräche ab.
1998 begannen die Beitrittsverhandlungen der Republik Zypern mit der EU. Die in der Türkei 1999 gewählte Ecevit-Regierung, die eine Koalition mit der faschistischen MHP eingegangen war, drohte damit, den Norden zu annektieren, sollte die Republik Zypern Vollmitglied der EU werden. Im Jahr 2002 demonstrierten mehrere Tausend Bürger Nordzyperns gegen die Politik Ankaras.
Die türkische Bevölkerung Zyperns, die vom Welthandel sowie von der Weltpolitik gänzlich ausgeschlossen ist, erhoffte sich von der Vereinigung der beiden Inselteile eine Verbesserung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage. Ebenfalls 2002 gewann die AKP unter Ministerpräsident Gül in der Türkei die Wahlen. Erdogan stand bis 2003 noch unter Politikverbot. Damals gab sich die AKP noch einen progressiv liberalen Anstrich.
In dieser Zeit wurden die Verhandlungen über die Zypernfrage wieder aufgenommen. Im Norden Zyperns wandte sich die Bevölkerung zunehmend von Denktaş ab. 2004 wurde er durch den moderaten Oppositionspolitiker Mehmet Ali Talat ersetzt.
Im griechischen Teil wurde hingegen 2003 der Hardliner Tassos Papadopoulos Präsident, der mit einer emotionalen Medienkampagne maßgeblich zum Scheitern des sogenannten Annan-Plans beitrug.