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Keine schnellen Fortschritte auf der Klimakonferenz

Hindou Oumanou Ibrahim, Sprecherin der Association des Femmes Peules Autochtones du Tchad (AFPAT) (links) mit einer Teilnehmerin aus Kamerun (rechts). Foto: Annette Hauschild

Strittig sind Fragen der Finanzierung, Messung von Treibhausgasemissionen und Berichtspflichten

Kurz vor dem Ende der Vertragsstaatenkonferenz im Rahmen des Abkommens von Paris zum Klimaschutz (Convention of the Parties - COP 23) in Bonn gibt es nur wenige befriedigende Ergebnisse für den Klimaschutz.

195 Nationen verhandelten über einen Fahrplan zur Umsetzung des Pariser Abkommens [1] aus dem Jahr 2015 zur Bekämpfung des weltweiten Klimawandels. Das Pariser Abkommen sieht als Endziel vor, dass bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen unter das Niveau des Jahres 1990 zurückgefahren werden sollen, um die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Dazu soll ein Regelwerk (rule book) geschaffen werden. Jedes Land hat bisher relativ freie Hand gehabt, zu entscheiden, welche Maßnahmen es für geeignet ansieht.

Weder bei den Finanzhilfen für Umweltschäden, zur Umstellung auf alternative Energien, wobei die Industrieländer Hilfe zugesagt hatten, noch bei dem Regelwerk herrscht zurzeit Einigkeit. Die Entwicklungsländer wollen UN-Generalsekretär Gutierrez bitten, zu intervenieren, damit die Industrieländer endlich den Zusatzvertrag von Doha zum Kyoto-Protokoll [2] (Doha Amendment) unterzeichnen und die damit einhergehenden regulativen und finanziellen Verpflichtungen akzeptieren.

Die "Bonn"-Zone und die "Bula"-Zone

Ein Dorf aus weißen Zelten, Bühne der UN-Konferenz, bedeckte einen großen Teil des Rheinauenparks am Rheinufer in Bonn. Hier verhandelten zwei Wochen lang Delegierte aus 195 Nationen über Maßnahmen zum Kampf gegen den Klimawandel und seine befürchteten Folgen. Die Zelte teilten standen in zwei Zonen: In der "Bonn"-Zone fanden sich die Info-Pavillons der teilnehmenden Nationen, der Nichtregierungsorganisationen und beobachtenden Organisationen und wissenschaftlichen Institutionen. Die "Bula"-Zone war den Verhandlungen vorbehalten (Bula heißt auf Fidschianisch "Willkommen").

Eine fast unüberschaubare Anzahl von Veranstaltungen, nicht nur bei dem Alternativgipfel Peoples Climate Summit [3], der vor Beginn der UN-Konferenz stattfand, begleitete die Konferenz. Umweltverbände, Entwicklungshilfeorganisationen, Kampagnen, Wissenschaftler, Lobbygruppen veranstalteten Ausstellungen, Workshops, Exkursionen, Vorträge zu unterschiedlichen Themen, die auf der UN-Konferenz verhandelt wurden.

Ein ungewohnter Geist

Die Konferenz wurde von dem Präsidenten der Republik Fidschi, Frank Bainimarama, geleitet, weil Fidschi gegenwärtig den Vorsitz im Weltklimarat IPCC innehat. Da der kleine Inselstaat aber nicht die Möglichkeit hat, eine Konferenz von 195 Nationen auszurichten, fand sie am Sitz des UN-Klimasekretariats in Bonn statt.

Bainimarama leitete die Konferenz in dem Geist des "Tanaloa", das heißt auf Fidschianisch "Unterhaltung", "leichtfüßig". Er wurde nicht so stark abgeschirmt, wie man es von hohen deutschen Regierungsmitgliedern gewohnt ist, die bei öffentlichen Auftritten stets sechs Mann von der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts um sich herum haben. An einem Abend traf er sich mit seinen Landsleuten am Pavillon [4] vor dem Nachbau einer traditionellen Palmwedelhütte, der Chor sang und alle sangen und klatschten mit.

Er eröffnete die Konferenz mit einer traditionellen fidschianischen Zeremonie. Überhaupt gab es viele Zeremonien im Rahmen der Aktionen zum Klimagipfel, denn es waren auch die Pacific Climate Warriors da, allerdings bei den Protesten für den Kohleausstieg, und Vertreter von indianischen Stämmen aus Nord- und Südamerika. Es gab z.B. eine bezaubernd eingerichtete Ecke, die "Tanaloa"-Ecke [5] in der Bonn-Zone, mit Wänden aus Moos und prachtvollen roten Ananasblüten, die viele Gäste, vor allem die weiblichen, begeisterte. Ein Ort zum Treffen und dem Austausch von Ideen und Meinungen, ganz im Sinne der polynesischen Tradition des informellen Gedankenaustausches

Großformatige Leuchtbilder zeigten Szenen aus dem Alltagsleben auf Fidschi: Bauern, Fischer, Kinder beim Schwimmen oder Spielen, traumhafte Strände, aber auch die riesigen Schäden der letzten verheerenden Tropenstürme und Überschwemmungen.

Sofortmaßnahmen verlangt

Erwartungsvoll waren viele Delegationen, vor allem aus den pazifischen Inselstaaten [6], nach Bonn gekommen. Bis zum Ende der ersten Woche, die den Vorverhandlungen auf Arbeitsebene über das Prozedere und die Tagesordnung der Konferenz vorbehalten war, hatte es einigen Streit unter den Delegationen gegeben. Das Pariser Abkommen greift erst ab dem Jahr 2020.

Daher fordern eine Reihe von Entwicklungsländern und Inselstaaten, die schon jetzt von schwersten Stürmen, Überschwemmungen und Dürren heimgesucht werden, Sofortmaßnahmen, die schon vor dem Jahr 2020 ("pre 2020") greifen und die Emissionen spürbar vermindern sollen.

Diese pre2020-Maßnahmen standen gar nicht auf der Agenda [7] für die Bonner Konferenz, die Entwicklungsländer, unterstützt von China und Indien, wollten sie aber unbedingt zu einem offiziellen Tagesordnungspunkt machen. Das traf nicht gerade auf Gegenliebe bei den Industriestaaten, deren Energieversorgung stark von Kohle und Gas abhängig ist.

Zwei weitere wichtige Punkte waren der "Global Stocktake" und die Transparenz. Der Global Stocktake ist eine Bestandsaufnahme, wie weit die Länder ihre Emissionen tatsächlich vermindert haben. Dies soll international einheitlich werden. Jedes Land muss einen Jahresbericht über die Bemühungen zur Reduzierung von Treibhausgasen vorlegen. Bei der Transparenz ist vorgesehen, dass die Entwicklungsländer den Industrieländern gleichgestellt werden, was Messungen und Berichtspflichten betrifft. Das stößt jedoch bei letzteren auf Ablehnung.

Es ging nicht nur um CO2, sondern auch um Möglichkeiten, die Abgase aus Landwirtschaft, Transportwesen, speziell Schiffsdiesel, Methan, Lachgas sowie Schwefelhexafluorid und Stickstoff zu reduzieren. Damit beschäftigten sich Arbeitsgruppen am Rande der Konferenz.

Das Tauziehen um die Finanzierung von Schäden und Verlusten

Delegierte aus der Gruppe der am schwächsten entwickelten Staaten (LCDs, Least developed countries) beschwerten sich immer wieder, dass die Industrieländer, die ja eigentlich das Problem verursacht hatten, ihre Forderungen immer wieder ablehnen würden. Nun sind die Fragen der Finanzierung von Schäden und Verlusten bis 2018 verschoben worden, danach wollen die Staaten der Ersten Welt einen Expertendialog über Schäden und Verluste (loss and damages) durch Extremwetterereignisse einführen.

Der iranische Verhandlungsführer hatte etwa diese Hinhaltetaktik mit einem spöttischen Lächeln kritisiert.

Präsident Bainimarama schlug einen "Insuresilience" [8]-Plan vor: Die von den Folgen des Klimawandels wie Tropenstürmen, Überschwemmungen, Dürren und Krankheiten betroffenen Länder sollen Versicherungen für Schäden durch Ernteausfall, Verlust von Land, Gebäuden, Infrastruktur und Menschenleben abschließen. Das aber hieße ebenfalls, dass die, die am wenigsten zum Treibhauseffekt beitragen, dennoch den größten Teil der Lasten tragen müssten.

Kohle und Atom, "klimaschonend und preiswert"

Besondere Aufmerksamkeit war der Präsenz der Amerikaner auf dem Klimagipfel gewidmet, es gab nämlich zwei Gruppen. Die offizielle US-Delegation hielt sich in der ersten Woche mit öffentlichen Auftritten zurück, bis sie am Beginn der zweiten Verhandlungsperiode die Bombe platzen ließ. Sie tritt ein für Kohle und Atomenergie.

Die Veranstaltung trug den Titel "The Role of Cleaner and More Efficient Fossil Fuels and Nuclear Power in Climate Mitigation". Der Proteststurm, der daraufhin sowohl in der Veranstaltung wie auch außerhalb losging, war zu erwarten. Der Kohle-Branchendienst Carbon Brief [9] schreibt, dass Nigeria und Ghana, aber auch die Ukraine, am Rande dieser Veranstaltung mit Vertretern der Kohleindustrie Möglichkeiten eines Transfers klimafreundlicherer Kohletechnologie sondiert hätten.

Auch Indien und Pakistan hätten Interesse gezeigt. In Ghana hatte eine vom Klimawandel ausgelöste Dürreperiode die Wasserkraftanlagen dauerhaft außer Betrieb gesetzt.

Am Tag darauf gab die Ukraine bekannt, dass sie gerne die Industrie, gemeint ist die Kohlewirtschaft, mit an den Tisch der Verhandlungen bringen würde - dies mit Hinblick darauf, dass die nächste COP 2018 in Polen stattfinden wird, einem Land, das sehr abhängig ist von der Kohle.

Das würde bedeuten, dass der kürzlich verstorbene Außenminister der Marshallinseln, Tony de Brum [10], weiterhin Recht behält. Er hatte 2015 anlässlich der Pariser Klimakonferenz gesagt:

In der UNO bestimmt nicht die Politik, sondern die Industrie.

Tony de Brum, ehemaliger Außenminister der Marshallinseln

"Wir sind noch drin"

Die zweite Gruppe aus den USA war weitaus wahrnehmbarer. Die weißen Kuppelzelte des US Climate Action Centers lagen direkt neben dem Pressezentrum. Der Slogan "we are still in" ("Wir sind noch drin") klingt ein bisschen trotzig, beschreibt aber lediglich die Tatsache, dass die USA noch bis 2020 Vertragspartner [11] des Klimaabkommens sind.

Die Bewegung, die diesen Slogan geprägt hat und die sich weiterhin dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet fühlt, ein breites Bündnis von Städten, Counties und Bundesstaaten, Universitäten, Industrien und indianischen Stämmen will beweisen, dass Klimaschutz auch ohne die Regierung in Washington ginge.

Nach eigenen Angaben umfasst die "We are still in"-Allianz etwa 60 Prozent des Bruttosozialprodukts der Vereinigten Staaten und etwa 50 Prozent der Wirtschaft und der Bevölkerung. Der frühere Bürgermeister von New York, Unternehmer und Milliardär Michael Bloomberg, und der kalifornische Gouverneur Jeff Brown veröffentlichten Ende vergangener Woche gemeinsam den Appell "Amerikas Schwur" (Americas Pledge [12]), eine Initiative, die Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft und Staat zusammenbringen will, damit die USA weiterhin eine Führungsrolle im Klimaschutz behalten.

Die Tugend der Ungeduld: Städte und Regionen gehen voran

Im Rahmen der UN-Versammlung fand zum 3. Mal die Konferenz der Städte und Gemeinden für nachhaltige Entwicklung (ICLEI) statt. Auf der Klimakonferenz in Kopenhagen, die in einem Fiasko geendet hatte, war das noch ein kleiner Side-Event gewesen. Diesmal war die Halle brechend voll.

Al Gore stattete der UN-Konferenz einen Besuch ab, ebenso der kalifornische Gouverneur Jeff Brown und sein Amtsvorgänger Arnold Schwarzenegger. Michael Bloomberg forderte Sitz und Stimme für die Städte und Regionen im Klimarat der Vereinten Nationen.

Schwarzenegger hielt eine umjubelte Rede über die Tugend der Ungeduld. Man solle vergessen, dass Präsident Trump aus dem Pariser Abkommen aussteigen wolle. Das sei nicht wichtig.

Ich bin als Action Hero bekannt. Ich kann nicht auf die Bundesregierung warten, wenn die Luft in Kalifornien so schmutzig ist, dass die Leute davon krank werden. Waldbrände müssen gelöscht werden, da kann man nicht warten. Wenn Euch jemand sagt , "wartet", dann sagt ihm "f*** you!"

Arnold Schwarzenegger

Lautes Lachen im Saal war die Antwort.

Schwarzeneggers Rede war auch eine Laudatio auf Jeff Brown. Der habe schon in den 1970er Jahren als Gouverneur von Kalifornien von Sonne und Windkraft gesprochen. "Damals dachten alle, auch ich, er sei verrückt", so Schwarzenegger. Aber irgendwann sei ihnen aufgegangen, dass Brown gar nicht verrückt sei. "Jeff Brown ist ein Terminator, er ist wieder da! Unsere Arbeit steht auf seinen Schultern." Anspielungen auf seine Filmkarriere kamen beim Publikum gut an.

Indigene Völker: Erhalter und Bewahrer der Erde

Die ethnischen Minderheiten werden im Pariser Abkommen in Artikel 7 Absatz 5 erwähnt. Sie sind keine Vertragsparteien, sondern haben lediglich einen Beobachterstatus, obwohl sie schon lange fordern, als Verhandlungspartner mit am Tisch zu sitzen. Das Pariser Abkommen hat ihre Rolle nicht klar definiert, in Bonn wurde jetzt festgeschrieben, dass die Plattform der indigenen Völker ein fester Kanal zwischen lokalen Wissen und Entscheidern sein soll.

Wie das allerdings in der Realität funktionieren soll, ist noch unklar. Sie haben ein eigenes Forum, das "Internationale Klimawandel-Forum der Indigenen Völker" [13].

Ethnische Minoritäten in Entwicklungs- und Schwellenländern sind oft gravierend von Klimafolgeschäden betroffen: als zur Auswanderung gezwungene Gemeinschaften durch Verlust ihres Landes oder Migrationsdruck von Angehörigen der nationalen Mehrheit, aber auch durch Ausbeutung der Kohle-, Erdöl oder Mineralienvorkommen durch heimische oder multinationale Konsortien und zusätzlich durch diskriminierende nationale Gesetzgebung.

Sie sehen sich als Bewahrer und Erhalter der Natur, nicht nur als Nutznießer der natürlichen Ressourcen. Daher nahm ihre Präsenz im Rahmen der Konferenz breiten Raum ein. Greenpeace hat eine Studie vorgelegt, der zufolge der Wald in von indianischen Gemeinden bewohnten Schutzgebieten im Amazonas kaum, hingegen in nicht unter Schutz gestellten öffentlichen Regionen stark von Abholzung bedroht sei.

Deutschland enttäuscht; Kanada, Großbritannien und Marshallinseln schmieden Allianz

Angela Merkels Rede zur Eröffnung der Ministerrunde war mit viel Hoffnung seitens der Delegierten erwartet worden. Man erhoffte sich von ihr Zusagen für den Ausstieg aus der Kohleverstromung, die kamen aber nicht, angesichts der Situation bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin.

Frankreichs Staatspräsident Macron rief Europa dazu auf, in die Bresche zu springen, welche die Trump-Administration mit der Ankündigung der Kündigung des Klimaabkommens hinterlassen habe. Frankreich wolle den fehlenden US-Betrag bei der Finanzierung der UN-Klimawissenschaft ausgleichen.

Inzwischen hat die Bundesrepublik Deutschland, noch kurz vor dem Ende des Gipfels, das Doha-Zusatzabkommen zum Kyotoprotokoll ratifiziert [14]. War das für die Show oder warum hat das so lange gedauert? Die Europäische Union hat ebenfalls auf dem Gipfel verkündet, dass bis Ende des Jahres alle ihre Mitglieder das Doha-Amendment ratifizieren werden.

Brasilien und der Regenwald

Der tropische Regenwald, speziell der des Amazonasgebietes, wird gerne als "grüne Lunge" der Erde bezeichnet. Sie ist unverzichtbar für den Erhalt des Weltklimas.

Bei einem großen Side Event unterzeichneten die Gouverneure der 10 brasilianischen Bundesstaaten, die im Amazonas-Gebiet liegen, Kreditverträge mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Es geht um Maßnahmen und Projekte zur Aufforstung gerodeter ehemaliger Urwaldflächen, zur Landesentwicklung, und zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung, die im Amazonasgebiet oft bitterarm ist. Deutschland, Großbritannien und Norwegen sind die wichtigsten Geldgeber für dieses Vorhaben.

In den Medien kaum beachtet wurde die Rolle des marokkanischen Vertreters in den Verhandlungen. Marokko hatte vergangenes Jahr den Vorsitz der 22. Klimakonferenz (COP22) in Marrakesch. Daher oblag den Marokkanern die Aufgabe, bei Konflikten zu vermitteln. Sie haben nach Einschätzung des Branchendienstes Carbon Brief Beträchtliches geleistet.

Kanada, Großbritannien und die Marschallinseln präsentierten zum Ende der Verhandlungen hin ihr neues Bündnis: die Klimaallianz [15] zur Reduzierung von Treibhausgasen. Siebenundzwanzig Bündnispartner haben sie schon.

Im nächsten Jahr wird die COP24 in Kattowitz, der alten Kohlebergbaustadt in Schlesien, Polen stattfinden. Präsident Bainimarama wird den Übergang bis zum nächsten Gipfel begleiten, durch Gespräche mit vielen Verhandlungspartnern, freundlich und angenehm, als Tanaloa. Er will darauf hinwirken, dass die Industriestaaten endlich ihre Pflicht auf sich nehmen. Er hat noch viel Arbeit vor sich.

Umweltverbände und Zivilgesellschaft vom COP 23 enttäuscht

Die Deutschen Umweltverbände NaBu, BUND und German Watch sehen die Ergebnisse mit sehr gemischten Gefühlen, überwiegend aber mit Enttäuschung.

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation German Watch warnt [16], dass die Bundesrepublik im Klimaschutz den Anschluss verlieren könnte: "Für die politische Glaubwürdigkeit Deutschlands brauchen wir einen Fahrplan zum sozialverträglichen Kohleausstieg - beginnend mit der Abschaltung der dreckigsten Hälfte der Kohlekraftwerke bis 2020 - sowie eine Wende in der Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik. Wir nehmen die Rede der Kanzlerin in Bonn in Bezug auf die Klimaziele für 2020 und 2030 beim Wort. Den Worten müssen Taten folgen. Vor allem die gegenüber dem Klimawandel verletzlichsten Staaten erwarten die Einlösung dieses Versprechens", erklärte German Watch Vorstand Klaus Milke.

Als enttäuschend bewertet er die mangelnden Fortschritte bei der Unterstützung der vom Klimawandel besonders Betroffenen. "Hier wird zwar ein Arbeitsprogramm beschlossen werden, um die Herausforderungen der nicht mehr vermeidbaren Schäden und Verluste des Klimawandels besser zu verstehen. Aber es ist unklar geblieben, wie die Gelder mobilisiert werden sollen, um die Ärmsten dabei zu unterstützen, diese Verluste auch zu bewältigen. Von einem Klimagipfel unter der Präsidentschaft eines besonders verletzlichen Inselstaates, Fidschi, und zudem am Ende eines Jahres mit verheerenden Auswirkungen des Klimawandels hätten wir uns mehr erwartet", kommentiert Milke.

Etwas positiver sieht [17] der Naturschutzbund Deutschlands (NABU) die Ergebnisse der Konferenz: Positiv sei, dass ein Regelwerk für das Paris Abkommen vereinbart werde. Damit seien die Erwartungen an die Konferenz erfüllt worden.

Ein Wermutstropfen in der Klimapolitik sei der aktuell bekannte vorliegende Kompromiss-Vorschlag zur Klimapolitik der Jamaika-Sondierungen in Berlin. Bundeskanzlerin Merkel habe es nicht geschafft, ihre Partei und die FDP rechtzeitig zur Klimakonferenz dazu zu bringen, Pläne für einen ehrgeizigeren Klimaschutz vorzulegen, um damit auch international wieder eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland BUND [18]hatte zwei Tage vor Ende der Konferenz der Bundesregierung in Bonn das "Fossil des Tages" [19] für Klimasünder verliehen, weil Deutschland seine CO2-Minderungsziele verfehle und ein Ausstieg aus der kohle immer noch nicht in Sicht sei. BUND-Vorsitzender Hubert Weiger erklärte, die UN Konferenz sei eine "Konferenz der Trippelschritte beim Klimaschutz".

Die Regeln für die Überprüfung der nationalen Klimaschutzpläne seien sehr schwammig geworden. Noch vor der nächsten Klimakonferenz in Katowice müßten Vorreiterstaaten sich zur Nachbesserung ihrer schwachen Klimaschutzpläne bekennen. Auch Deutschland laufe Gefahr, ohne entschiedene Maßnahmen, zu den Schmuddelkindern zu gehören und müsse deshalb aus der Kohleverstromung aussteigen.

Ein Misserfolg der COP23 sei, dass es noch immer keinen Fonds für die Bewältigung der milliardenschweren Zerstörungen durch Stürme, Dürren und andere Folgen der Erderhitzung gebe. "Die ärmeren Staaten, die vom Klimawandel betroffen sind, stehen bei der Bewältigung der Schäden alleine. Die Hoffnung, dass unter der Präsidentschaft eines Inselstaates mehr für die betroffenen Länder erreicht wird, wurde enttäuscht", bedauert Weiger

Den Entwicklungsländern sei es allerdings gelungen, die Industrieländer auf die Einhaltung ihrer Versprechen für mehr Klimaschutz in den nächsten drei Jahren zu verpflichten. Die Industriestaaten hätten hier in Bonn zugesichert, ihre Klimaschutzzusagen bis 2020 zu erfüllen und dies auch überprüfen zu lassen.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbereinkommen_von_Paris
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Kyoto-Protokoll
[3] https://pcs2017.org/de/
[4] https://www.flickr.com/photos/bmub/37592619374/in/album-72157666097124259/
[5] https://www.flickr.com/photos/bmub/albums/72157688100975401
[6] https://www.tagesschau.de/ausland/marshall-inseln-101.html
[7] http://unfccc.int/essential_background/convention/items/6036.php
[8] http://unfccc.int/focus/mitigation/pre_2020_ambition/items/8167.php
[9] http://www.climatechangenews.com/2017/11/10/coal-deals-possible-us-holds-industry-event-un-climate-talks/
[10] http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/meeresspiegel-bedroht-inseln-tony-de-brum-zum-klima-a-1038153.html
[11] https://www.wearestillin.com/
[12] https://www.americaspledgeonclimate.com/
[13] http://www.iipfcc.org/
[14] https://www.bmub.bund.de/pressemitteilung/deutschland-ratifiziert-zweite-verpflichtungsperiode-des-kyoto-protokolls/
[15] https://www.canada.ca/en/services/environment/weather/climatechange/canada-international-action/coal-phase-out/alliance-declaration.html
[16] http://germanwatch.org/de/14751
[17] https://www.nabu.de/news/2017/11/23462.html
[18] https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/cop23-die-welt-ist-abhaengig-von-fossilen-energien-sie-muss-auf-entzug-klarer-auftrag-an-alle/news-topic/klimawandel/
[19] https://www.bund.net/aktuelles/detail-aktuelles/news/kommentar-fossil-of-the-day-bis-zum-kohleausstieg-steht-deutschland-in-der-klima-schmuddelecke/