Kernkraft-Debakel: EDF-Pläne für sechs neue Reaktoren stoßen auf Kritik
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Französischer Atomkonzern EDF will sechs neue Reaktoren bauen. Doch die Pläne stoßen auf Kritik. Kostenschätzungen zu ungenau, Reaktorkonzepte nicht ausgereift.
Frankreich setzt bei seiner Energieversorgung auf die Kernenergie, und dabei setzt das Land auf den staatlichen Energiekonzern Electricité de France (EDF). Doch die Pläne des Nukleargiganten, sechs neue Reaktoren zu bauen, stoßen auf Kritik aus den Reihen der Regierung.
Laut Insidern, so berichtet Bloomberg, bezeichneten französische Beamte die Präsentation von EDF bei einem Treffen am 5. Februar als nicht überzeugend. Sowohl das geschätzte Budget als auch die Reaktorkonstruktion seien unzureichend, so die namentlich nicht genannten Personen.
Kostenschätzungen zu ungenau, Reaktorkonzepte nicht ausgereift
Ein französischer Rechnungsprüfer hatte bereits im Januar gewarnt, dass die geschätzten Baukosten für die sechs Reaktoren, ohne Finanzierungskosten, auf fast 80 Milliarden Euro angestiegen seien – unter Berücksichtigung der Inflation. Er empfahl, eine endgültige Investitionsentscheidung erst zu treffen, wenn der Entwurf der Reaktoren weit fortgeschritten und die Finanzierung abgeschlossen sei.
Doch genau hier liegt das Problem: EDF und seine Zulieferer scheinen noch weit davon entfernt zu sein, ein Projekt zu starten, das als Schlüssel für die langfristige Energiesicherheit Frankreichs gilt. Nach langen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen bei anderen Reaktorentwicklungen, die zu einem Schuldenanstieg geführt haben, muss der Konzern einen glaubwürdigen Plan vorweisen.
Kritik auch von EDF-Vorstand an Regierung
Doch die Kritik bei dem Treffen ging in beide Richtungen. EDF-Chef Luc Remont schimpfte laut Insidern über die Regierung, weil sie ein Finanzgesetz verabschiedet habe, das keine Steuersätze für zukünftige unerwartete Einnahmen festlege. Auch mehrere Vorstandsmitglieder äußerten Bedenken hinsichtlich der Unsicherheit über die Höhe der staatlichen Beihilfen für die Reaktorprojekte.
Der langsame Fortschritt schürt nicht nur die Spannungen zwischen EDF und der Regierung. Er droht auch, die Vorbereitungen entlang der Lieferkette für den Reaktorbau zu untergraben. In den vergangenen zwei Jahren musste EDF miterleben, wie US-amerikanische und koreanische Konkurrenten auf den europäischen Märkten Fuß fassten, während die eigenen Vorschläge übersehen wurden.
Fragen zur Geschwindigkeit der Atomkraft-Renaissance in Europa
Die Schwierigkeiten, mit denen ein Nukleargigant wie EDF konfrontiert ist, werfen möglicherweise auch Fragen hinsichtlich der Geschwindigkeit und des Umfangs einer Renaissance der Atomkraft in ganz Europa auf. Viele Länder planen neue Reaktoren, um die Emissionen bei der Stromerzeugung zu senken und die Energiesicherheit zu erhöhen.
EDF-Chef Remont hatte bereits im Juli die Hoffnung geäußert, bis Ende 2024 ein staatliches Unterstützungspaket für die sechs neuen Reaktoren zu vereinbaren. Dies würde den Weg für eine endgültige Investitionsentscheidung bis Ende 2025 oder Anfang 2026 ebnen.
Doch nun muss EDF schnell handeln, um Kosten und Entwürfe festzulegen. Nur so kann die Regierung die notwendige Unterstützung ausarbeiten und die Genehmigung der europäischen Wettbewerbsbehörden einholen. Die staatlichen Beihilfen müssen genau abgestimmt werden, um von Brüssel geforderte Abhilfemaßnahmen zu begrenzen.
Rechnungsprüfer warnt vor neuen Projekten im Ausland
Unterdessen warnt der französische Rechnungsprüfer Cour des Comptes, dass EDF keine neuen Kernkraftprojekte im Ausland in Angriff nehmen sollte, bis das Unternehmen besser darauf vorbereitet ist. Jedes neue Atomprojekt müsse rentabel sein und dürfe das Neubauprogramm in Frankreich nicht verzögern.
Besonders kritisch sehen die Rechnungsprüfer das Engagement von EDF beim britischen Reaktorstandort Sizewell. Hier sollte der Konzern erst grünes Licht geben, wenn er sein finanzielles Engagement für zwei weitere Atomreaktoren in Hinkley Point drastisch reduziert habe.
EDF selbst betont, dass alle neuen Projekte von Skaleneffekten beim Bau und den Erfahrungen aus anderen Ländern profitieren werden. Man werde nicht mehr als 20 Prozent an Sizewell halten und sich bei zukünftigen internationalen Projekten auf die Rolle des Technologieanbieters beschränken.