Kerry bleibt im Rennen

Die erste, vollends durchorganisierte Debatte von Bush und Kerry über die Außenpolitik und den Irak fand in den Massenmedien statt, die Kampagnen setzten jedoch stark auf die Blogger

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Bei der ersten Live-Fernsehdebatte zwischen US-Präsident George W. Bush und seinem Herausforderer Senator John Kerry überwogen trotz der medialen Unkenrufe im Vorfeld nicht PR-Tricks, sondern das gesprochene Wort. Die Bloggergemeinde steht unterdessen Gewehr bei Fuß.

Vor dem Kampf. Foto: Kerry-Edwards 2004

90 Minuten dauerte der Schlagabtausch, den sich Bush und Kerry auf dem Campus der Universität Miami ab 21 Uhr Ortszeit, von zahlreichen Networks live in Wohnzimmer übertragen, lieferten. Draußen demonstrierten Hunderte von Kerry-Anhängern mit 76 mit Flaggen umwickelten Särgen - für jeden im September getöteten US-Soldaten im Irak - und zahlreichen Plakaten "What's to debate? Bush lied, fire him."

Drinnen in der Basketball-Halle der Universität hielten sich die Kontrahenten an das Drehbuch, das seit einem halben Jahr von Strategen und Anwälten beider Wahlkampfteams ausgehandelt worden war. Ihr Ziel, Überraschungen zu vermeiden - verhängnisvolle Ausrutscher, den einen oder anderen Kandidaten einen Vorteil verschaffende Kameraeinstellungen oder eine psychologisch beeinflussende Kleiderordnung - erreichten sie. Trotz einiger Versprecher vergaloppierten sich weder Bush noch Kerry.

Bush blieb seinem Image als jovialer und souveräner Präsident treu, während Kerry, bemüht darum, das Ruder und seinen 6-prozentigen Umfragerückstand gutzumachen, den "attack dog" mimte. "Der Präsident hat einen kolossalen Irrtum begangen", sagte Kerry in Bezug auf den Irakkrieg vor bis zu 50 Millionen Fernsehzuschauern und damit der vermutlich größten Wahlkampfveranstaltung, die in den USA vor dem Urnengang am 2. November stattfand.

Kerry - soviel ist sicher - hat nach dem Donnerstagabend doch noch eine Chance, Bush aus dem Weißen Haus zu vertreiben. In der "debate" trumpfte er zwar nicht auf oder zog mit Bush gleich. Doch das schicksalhafte "Alles oder Nichts" und der alles entscheidende Moment, der den Demokraten von vielen, auch ausländischen Medien für die erste TV-Debatte prophezeit worden war, bewahrheitet sich nicht. Kerry bleibt im Spiel. Im Vorfeld war ihm sogar ein rhetorischer Sieg über Bush vorausgesagt worden, selbst von Republikaner-Strategen, die dem Demokraten als "Cicero", den Redner, tituliert hatten - freilich im Gegensatz zu Bush, dem "Mann, der handelt" und "Amerika sicherer macht".

In argumentativer Hinsicht lag Kerry tatsächlich obenauf. Er brachte Zahlen und Vergleiche - und attackierte Bush: "Ich habe einen Plan, wie wir diesen Krieg beenden können. Der Präsident hat keinen." Oder: "Unter diesem Präsidenten hat Nordkorea Nuklearwaffen erworben und ist der Iran auf dem Weg dazu." Klare Zeitpläne und Strategien außer seinem Ansinnen, als Präsident statt auf Unilateralismus auf internationale Diplomatie zu setzen, blieb Kerry allerdings schuldig.

Erste Reaktionen von "media pundits" nach der TV-Debatte: Kerry sei es gelungen, die Republikaner-Attacken der vergangenen Wochen, er sei ein wankelmütiger flip-flopper, in der Debatte mit Bush abzuwehren. Doch vorausschauend hatten die Bush-Unterstützer eine über das Internet lancierte Gegenkampagne entwickelt. Nach dem Muster des "war room", den sie schon gegen den Demokratenparteitag in Boston eingerichtet hatten, initiierten sie einen "rapid response effort". Mehr als 5.000 rechtskonservative Blogger erhalten seit der "debate" rund um die Uhr unter dem Absender Debate facts E-Mails mit Argumenten gegen die Kritik Kerrys. Das Kerry-Internetwahlkampfteam gestand wenige Stunden vor Beginn der TV-Debatte ein, gegenüber den Bushies im Nachzug zu sein.

Der "spin" über die Debatten und die Meinungsbildung darüber wird den traditionellen Medien sowie der rapide wachsenden Bloggergemeinde zufolge erst in den kommenden Tagen erfolgen. Nächster Termin ist das Duell zwischen Vizepräsident Dick Cheney und Kerrys "team mate" John Edwards am 5. Oktober in Cleveland/Ohio. Drei Tage darauf debattieren erneut Bush und Kerry, und die dritte und letzte TV-Politshow im Wahlkampf wird am 13. Oktober stattfinden.

Und natürlich wurde der Schlagabtausch der Präsidentschaftskandidaten auch gleich in Schnellumfragen ausgewertet:

Bei ABC hat Kerry die Debatte gewonnen: Für 45 Prozent war Kerry besser, Bush attestierten nur 36 Prozent den Sieg. Das sagt allerdings nicht viel, denn gleichwohl würde mit 51 Prozent ein Prozent mehr der Befragten nach der Debatte Bush wählen als zuvor, während Kerry ebenfalls ein Prozent auf 47 Prozent zulegte.

Auch bei der Gallup-Umfrage im Auftrag von CNN wurde Kerry von den befragten Fernsehzuschauern mit 52 Prozent als Sieger betrachtet, 37 Prozent stimmten dagegen für Bush. Nach Gallup bezeichneten sich 36 Prozent der Befragten als Republikaner und jeweils 32 Prozent als Demokraten oder Liberale. Die Meinung der Befragten hat sich auch hier kaum durch den Ausgang der Debatte geändert. Die Mehrzahl ist so nach dieser Umfrage weiterhin der Meinung, dass Bush, weil er "härter" ist, den Irak-Konflikt besser lösen wird. Gallup habe überdies bereits in fünf vorhergehenden Präsidentschaftswahlen die Frage nach dem Gewinner der Fernsehdebatte gestellt. Bislang habe stets derjenige, der in der ersten Debatte als Sieger hervorging, verloren.

In einer CBS-Umfrage liegt ebenfalls Kerry als Gewinner mit 44 Prozent vor Bush mit 26 Prozent. Ausgewählt wurden hier noch "unentschiedene" Wähler. Die Hälfte von ihnen sagte, sie hätten nach der Debatte einen besseren Eindruck von Kerry, dasselbe sagte nur ein Fünftel von Bush. 38 Prozent der noch unentschiedenen Wähler sagten, die würden für Kerry stimmen, nur 28 Prozent für Bush.