Kinder, Pornos, Killerspiele

Zensur zwischen öffentlich und privat. Teil 2: Jugendschutz

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Die "blutige[...] Abrechnung eines gescheiterten Erfurter Abiturienten mit dem Schulsystem und seinen unmittelbaren Repräsentanten", der Slogan vom "Zusammenwachsen von Internet und Fernsehen" und mangelnde Medienkenntnisse in Ministerien führten 2003 zu einer erheblichen Verschärfung des Jugendschutzrechts. Auch die sogenannte "Killerspieldebatte" nahm in Erfurt ihren Anfang.

Der Vater des Jugendschutzgesetzes, Baldur von Schirach

Das deutsche Jugendschutzrecht ist unter den demokratischen Rechtsstaaten mit Abstand das strengste. Derzeit wird es im Auftrag der Jugendministerien und Staatskanzleien evaluiert, wobei die "Problematik gewalthaltiger Computerspiele" einen Schwerpunkt einnimmt. Im Herbst 2007 sollen die Ergebnisse der Evaluierung feststehen. Das Jugendschutzrecht unterscheidet zwischen "Jugendgefährdung", "Entwicklungsbeeinträchtigung" und "Erziehungsbeeinträchtigung." "Jugendgefährdendes" soll indiziert, "Entwicklungsbeeinträchtigendes" nach § 5 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages durch eine Einschränkung der Verbreitungszeit beziehungsweise durch "technische oder sonstige Mittel" für Jugendliche unzugänglich gemacht werden.

Neben der KJM (von der in Teil 3 mehr zu Lesen sein wird) hat die ehemaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die 2003 in "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" (BPjM) umbenannt wurde, ein Zensurrecht für "jugendgefährdete" Inhalte, die sie auf ihre Indizes setzen darf. Die dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zugeordnete Behörde verfügt außerdem über gerichtsähnlichen Funktionen - eine im Hinblick auf die Trennung von Exekutive und Judikative durchaus problematische Rolle.

Die Bundesprüfstelle

Die Bundesprüfstelle soll "negativen Einflüssen entgegenwirken."1 Als wichtigstes Mittel dazu sieht sie die Indizierung. Das 2003 geänderte Jugendschutzgesetz erlaubt der Prüfstelle nach § 24 Abs. 3 Satz 2 auch die geheime Indizierung, weil sich ihrer Ansicht nach die Führung einer Liste bei Internetangeboten "nicht bewährt" habe.2 Mittlerweile führt die BPjM vier Indizes: A und B sind öffentlich, C und D geheim. Ist ein Gegenstand von der BPjM als jugendgefährdend eingestuft, unterliegt er Abgabe-, Präsentations-, Verbreitungs- und Werbebeschränkungen. Verboten ist unter anderem das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen indizierter Medien gegenüber Kindern oder Jugendlichen. Indizierte Inhalte dürfen deshalb nicht durch elektronische Informations- und Kommunikationsdienste verbreitet, bereitgehalten oder sonst zugänglich gemacht werden.

Die Indizierung soll verhindern, dass Kinder und Jugendliche mit jugendgefährdenden Medien in Berührung kommen. Erwachsenen sollen dagegen indizierte Medien weiter offen stehen. Das bleibt, ob der Indizierungsfolgen, manchmal mehr, manchmal weniger Fiktion. So entschloss sich etwa ein amerikanischer Anbieter einer aus Gründen der Sexualmoral indizierten Seite nach Erhalt der Indizierungsnachricht dazu, sein Angebot einfach dadurch vor dem Zugriff deutscher Jugendlicher zu schützen, dass er es für alle ausländischen Nutzer sperrte. Hier musste auch die BPjM eine Beschränkung der Informationsfreiheit für Erwachsene als Folge der Indizierung eingestehen.

Zu den jugendgefährdenden Medien rechnet das Jugendschutzgesetz in § 18 Abs. 1 unter anderem "unsittliche", "verrohend wirkende" und "zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende" Medien. "Schwer jugendgefährdende" Medien gelten kraft Gesetz als indiziert. Zu ihnen gehören nach § 15 Abs. 2 Medien die "den Krieg verherrlichen" und "solche die Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben."

Solch umfassende Zensur ist auch nach dem deutschen Grundgesetz nicht ganz unproblematisch. In Fragen des Jugendschutzes vor allem betroffene Grundrechte sind das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, die Informationsfreiheit und das Vorzensurverbot (Art. 5 Abs. 1), die Freiheit von Kunst und Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1), der Eigentumsschutz (Art. 14) und die Religionsfreiheit (Art. 4). Für eine Beurteilung sind deshalb relativ komplexe Abwägungsvorgänge notwendig, die zum Beispiel von Filterprogrammen auf absehbare Zeit auch mit Methoden wie einer Kontextualisierungsfrage bei der Einstufung einer Webseite (Rating) nicht geleistet werden können.

Muss die Bibel auf den Index?

So stellt beispielsweise die Bibel Völkermord, Sklaverei und grausame Hinrichtungen von Ehebrechern ebenso wie von Homosexuellen als gottgefällig dar. Moses schilt seine Hauptleute im Umgang mit dem Nachbarvolk der Midianiter: "Warum habt ihr alle Frauen am Leben gelassen? [...] Nun bringt alle männlichen Kinder um und ebenso alle Frauen, die schon einen Mann erkannt und mit einem Mann geschlafen haben. Aber alle weiblichen Kinder und die Frauen, die noch nicht mit einem Mann geschlafen haben, lasst für euch am Leben!" (4. Mose 31, 15- 18). Der biblische Führer lehrt außerdem, dass Ehebrecher (3. Mose 20, 10) ebenso wie Homosexuelle (3. Mose, 20, 13) hinzurichten sind. Im Umgang mit Andersgläubigen empfiehlt die Bibel: "Ihre Altäre sollt ihr [...] niederreißen, ihre Steinmale zerschlagen, ihre Kultpfähle umhauen" (2. Mose 34, 12 ff) und "sie fallen unter dem Schwert, ihre kleinen Kinder werden zerschmettert, die schwangeren Frauen werden aufgeschlitzt" (Hosea 14, 1).

Muss die Bibel nun auf den Index? Tatsächlich leiteten einige Angehörige der Sekte "Universelles Leben" ein rechtliches Verfahren ein, um die Bibel um blutrünstige und menschenrechtswidrige Passagen zu zensieren. Die mittlerweile zurückgenommene Klage hatte allerdings wenig Aussicht auf Erfolg. Hier hat ein öffentliches Interesse – nämlich die Rolle, welche die christliche Religion und mit ihr die Bibel in Deutschland spielt - den Vorrang vor dem Jugendschutz.

Grundsätzlich darf auch was Wissenschaft, Forschung und Lehre dient nicht indiziert werden. Diesen Zwecken dient ein Medium aber nach der bisherigen Rechtsprechung nur, wenn in ihm das Wesentliche erfasst, sorgfältige Beobachtungen angestellt und Tatsachen genau wiedergegeben werden. Auch die Freiheit der Kunst ist dem Jugendschutz vorrangig. Das Bundesverfassungsgericht stellte 1990 fest, dass der erstmals 1906 erschienene Roman "Josefine Mutzenbacher" durch das Grundrecht der Kunstfreiheit geschützt ist, auch wenn es sich dabei um ein pornographisches Werk handelt.3 Was wiederum Kunst ist, und was nicht, bestimmt sich durch einen Normenkodex, der zu verschiedenen Zeiten und für verschiedene Gruppen von Menschen unterschiedlich sein kann.4

Kultur ist relativ - Zensur ebenso

Kunst ist kulturspezifisch. Gerichtlich wurde das in Ländern mit längerer multikultureller Erfahrung wie den USA klarer herausgestellt als in Deutschland. 1992 entschied ein amerikanisches Berufungsgericht im Verfahren gegen die Rapgruppe 2 Live Crew, dass "künstlerischer Wert" nicht absolut sei.5 Die Sachverständigen führten aus, dass Richter Gonzales afroamerikanische Kulturtraditionen in der Musik der 2 Live Crew übersehen bzw. ignoriert hatte. Bemerkenswert und interessant für eine Bewertung von Inhalten im Internet war, dass Gonzales, der die Rapgruppe erstinstanzlich wegen pornographischer Texte verurteilt hatte, ein geographisches Konzept von "Gemeinschaft" verwendete, das die Berufungsgerichte als unangemessen verwarfen, weil sie feststellten, dass Menschen, auch wenn sie auf engem Raum zusammenleben, sehr unterschiedliche und trotzdem jeweils in Gemeinschaften verwurzelte Werte pflegen können.

Auch auf einer zeitlichen Ebene kann man die Relativität der Schutzproblematik gut ablesen. Die Zensurgeschichte der BPjM und ihrer Vorläuferorganisation lässt aus heutiger Sicht zahlreiche Maßnahmen als Zensurexzesse erscheinen: Bis in die 1960er Jahre galten Nacktbilder für die BPjS als "offenbar schwer jugendgefährdend." Die Aufklärungsseite der Zeitschrift Bravo sorgte noch in den 1970er Jahren wegen "Verharmlosung der Onanie" für Indizierungen, Ende der 1990er stellte Petra Müller von jugendschutz.net den Bravo-Service als vorbildlich dar.6

Es verspricht deshalb spannend zu werden, wie wohl die Zensur der BPjM der Zukunft aussehen wird: Eine Möglichkeit wäre eine Neubewertung der Indizierung "sexuealethisch desorientierender Medien", die trotz grundlegender Änderung der Sexualnormen bisher nur gegen zu starke Abweichungen von einer christlich geprägten Sexualethik hin ausgeübt wurde. Problematisch können jedoch im 21. Jahrhundert auch Darstellungen von Treueerwartungen vor dem "Zeitalter der sequentiellen Monogamie" sein.7 In der Kriminalitätsstatistik nehmen aus archaischen Beziehungserwartungen resultierende Morde und Selbstmorde bereits jetzt einen gewichtigen Anteil ein. In Bayern war zu Anfang des 21. Jahrhunderts bei rund 1/5 aller Mord- und Totschlagsfälle das Opfer der Ehepartner oder Lebensgefährte; von 100 Selbstmördern unter 60 Jahren brachten sich durchschnittlich etwa 20 aus "Liebeskummer" um.8

Geheime Indizes und geheime Gremien

Unter unbestimmten Rechtsbegriffen wie "jugendgefährdend", "entwicklungsbeeinträchtigend" und "erziehungsbeeinträchtigend" lassen sich je nach Gusto auch Pippi-Langstrumpf-Kinderbücher subsumieren – es kommt also mehr als anderswo auf die Personen an, die die extrem weit gefassten Vorschriften mit Leben füllen. Dabei wird gerade die personelle Zusammensetzung von KJM und BPjM vielerorts als eine der großen Schwächen dieser Zensurgremien gesehen. Die BPjM besteht nach § 19 des Jugendschutzgesetzes aus der vom Familienministerium ernannten hauptberuflich tätigen Vorsitzenden und Vertretern der Bundesländer, die von den Landesregierungen entsandt werden. Dazu kommen laut Jugendschutzgesetz acht weitere Mitarbeiter aus den Bereichen Kunst, Literatur, Buchhandel, Verleger, Bildträger, Telemedien, Träger der freien und der öffentlichen Jugendhilfe, Lehrerschaft sowie der evangelischen, katholischen, jüdischen und freikirchlichen Gemeinden. Sie werden auf Vorschlag ihrer Verbände für drei Jahre berufen.

Das Bundesverfassungsgericht kritisierte bereits die Auswahl der BPjM-Beisitzer. Dieser Problematik scheint sich auch die BPjM selbst bewusst zu sein und verweigert jegliche nähere Auskunft über die Mitglieder der Gremien. So lässt sich nicht feststellen, ob sie, wie die Medienwirkungsforschung heute, mit "vernetzten Verursachungsketten", "komplexen Kausalanalysen", "multiplen Wirkungspfaden" und "rekursiven Beeinflussungsprozessen" arbeiten, oder als Laien intuitiv von einfachen Reiz-Reaktions-Schemata ausgehen.9 Da auch die Verhandlungen nicht öffentlich sind, macht dies die Entscheidungen der BPjM durchaus angreifbar.

"Killerspiele"

Computerspiele waren in besonderer Weise von den Änderungen des Jugendschutzrechts nach Erfurt betroffen. Aus den Empfehlungen der seit 1994 bestehenden Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) wurden 2003 verpflichtende Alterseinstufungen. Weil das Jugendschutzgesetz nun unabhängig vom Alter oder von der Art der Spiele eine Alterskennzeichnung für "Bildträger mit Filmen oder Spielen" verlangte, war der Verkauf alter Pacman-Spiele ohne Alterskennzeichnung auf dem Flohmarkt plötzlich ein Verstoß, der schwer bestraft werden konnte. Die Alternative dazu war allerdings noch teurer als ein Strafverfahren: Eine nachträgliche Einzelprüfung von Spielen kostet zwischen 1000 und 1500 Euro. Beim Versandhandel führte der Zwang zur Überprüfung des Alters der Besteller im aufwendigen Post-Ident- Verfahren zu einer Halbierung des Umsatzes.

Neben Jugendschutzgesetz und Jugendmedien-Staatsvertrag gibt es noch – als mit Abstand härtestes und gleichzeitig problematischstes Mittel des Jugendschutzes – die direkte Aufnahme in das Strafrecht.

Medien können unter anderem die Straftatbestände der §§ 86 (Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen), 86a (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen), 129a Abs. 3 (Werbung für eine terroristische Vereinigung), 130 (Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung), 131 (verbotene Gewaltdarstellung) und 184 (verbotene Pornographie) des Strafgesetzbuches erfüllen. Ihre Verbreitung ist in diesen Fällen generell untersagt. Sie können beschlagnahmt bzw. eingezogen werden. Zuständig dafür sind die Staatsanwaltschaften.

Aufgrund der breiten Formulierungen der Straftatbestände kommt es hier immer wieder zu Zensurexzessen, die manchmal erst in der Berufung abgewendet werden können. Bekannte Fälle sind die Beschlagnahmen der Comics von Ralf König als verbotene Pornografie und der Versuch der Münchner Staatsanwaltschaft, das Grafikprogramm Corel Draw einziehen zu lassen, weil in der Clip-Art-Sammlung auch ein Hakenkreuz und ein Hitler-Konterfei enthalten waren. Obwohl es in solchen Fällen selten zu Urteilen kommt, reicht die Drohung einer Beschlagnahme – die monatelang dauern und leicht zum Ruin des Händlers führen kann – oft aus, dass kontroverse, aber legale Medien einer faktischen Zensur unterliegen. Hier besteht erheblicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf in bezug auf mehr Rechtsschutz vor willkürlicher Beschlagnahme zum Beispiel aller in der Wohnung des Händlers befindlicher Hard- und Software.

Seit 2005 entstand im Zusammenhang mit sogenannten "Killerspielen" eine Debatte um die Ausweitung des Anwendungsbereichs dieses härtesten aller Zensurmittel. Die stellvertretende Vorsitzende im ZDF-Fernsehrat, die CDU- Politikerin Maria Böhmer, setzte durch, dass im Koalitionsvertrag ein Verbot von "Killerspielen" gefordert wurde. Es war absehbar, dass die Befürworter eines Verbots nur abwarten mussten, bis das Schulsystem den nächsten Amokläufer hervorbrachte. Etwas über ein Jahr später war es so weit.

Die erwartbare Reaktion der Bundesregierung wurde allerdings von einem noch radikaleren Vorschlag in den Schatten gestellt. Kurz nach dem Elmsdettener Amoklauf forderte der bayerische Innenminister Beckstein ein Besitzverbot für gewaltverherrlichende Spiele "analog zur Kinderpornographie". Doch ganz so weit geht auch Beckstein vorerst nicht. Im Februar 2007 brachte er über den Bundesrat den "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Jugendschutzes (JuSchVerbG) ein, in dem ein neuer § 131 a gefordert wird, der alles außer den bloßen Besitz von Spielen unter Strafe stellt, "die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen." Zur Begründung für die Notwendigkeit der Änderungen heißt es im Entwurf:

Das Verfahren der Indizierung und Altersfreigabe ist nicht in gleicher Weise wie ein strafbewehrtes Verbot geeignet, die entsprechenden Spiele vom Markt zu drängen. Eine effektive Bekämpfung darf nicht nur an der Einschränkung der Verbreitungswege von virtuellen Gewaltspielen ansetzen, sondern muss bereits ein Herstellungsverbot umfassen. Insbesondere werden durch ein Verbot die Handlungsmöglichkeiten gegenüber Internet-Providern gestärkt:"

Den weiteren Ausführungen der Begründung zufolge müsste es sogar Wirtschaftsspielen wie Railroad Tycoon an den Kragen gehen. Erfasst werden sollen nämlich auch:

"[...] Spielhandlungen in denen – fänden sie in der 'realen' Welt statt – dem Objekt der Handlung Schmerzen oder Qualen erheblichen Ausmaßes zugefügt würden. Gleich steht der Fall, dass der Spieler - unter der genannten Prämisse – aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung heraus tätig wird, gleichfalls, dass eine menschenverachtende und rücksichtslose Tendenz zum Ausdruck kommt."

Daneben enthält der Entwurf zahlreiche Änderungen des Jugendschutzgesetzes, darunter eine Änderung des § 14 a Abs. 2 Nr. 12, nach der Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle nur dann anerkannt werden, wenn "gewährleistet ist, dass eine Freigabe [von Medien] nur dann erfolgt, wenn das Medium üblicherweise nicht nachträglich verändert werden kann." Übersetzt heißt dass: Open-Source-Spiele erhalten keine Altersfreigabe mehr, sonst wird der USK die Zulassung entzogen. Der in § 18 eingefügte Satz "Eine Verrohung liegt bei Spielprogrammen auch dann vor, wenn die Begehung von Verbrechen keine Nachteiligen Wirkungen auf den Erfolg des Spiels hat" würde dazu führen, dass auch Strategiespiele wie der C64- Klassiker "They Stole A Million" auf den Index müssten.

Durch eine Änderung in § 19 Abs. 6 Satz 1 soll die BPjM künftig schon mit einfacher Mehrheit, und nicht mehr mit 2/3-Mehrheit, Medien auf den Index setzen können – eine Änderung die aufgrund der oben geschilderten geheimen Zusammensetzung des Gremiums von besonderer rechtsstaatlicher Brisanz ist. Durch eine Änderung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 würde der Entwurf auch den Verleih von Erotikvideos an Erwachsene unter Strafe stellen.

Die Debatte wird auch rechtstheoretisch ausgefochten: Hier stehen Befürworter eines "Gefährdungsstrafrechts", die die Sanktionen des Strafrechts für Sicherheits- und Polizeiaufgaben nutzbar machen wollen, den Verfechtern eines "Erfolgsstrafrechts" gegenüber, die eine Bestrafung nur im kriminellen Erfolgsfall für angemessen halten. Während in den USA eine klares Erfolgsstrafrecht herrscht, das Heimito von Doderers Grundsatz "verprügelt mir nicht jeden, die richtigen aber saftig" folgt, wandelt sich das deutsche Strafrecht - ursprünglich als Erfolgsstrafrecht angelegt - mehr und mehr zum Gefährdungsstrafrecht und lässt das Intentionale des Täters in den Vordergrund treten. Ein radikaler Verfechter des Gefährdungsstrafrechts ist Wolfgang Schäuble, seine Gegner finden sich in der "Frankfurter Schule", die Gefährdungstatbestände als verfassungswidrig ansieht und entsprechende Entwicklungen auch im Jugendschutz- und Im Urheberrecht entsprechend scharf kritisiert. Ihre bekanntesten Vertreter sind der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, die Frankfurter Professoren Wolfgang Naucke, Cornelius Prittwitz, Klaus Lüderssen und Peter-Alexis Albrecht.

Gelten die frühen Jodie-Foster-Filme bald als Kinderpornographie?

Weit weniger beachtet als der Vorstoß zu einem Verbot von "Killerspielen" wurde ein im August 2006 verabschiedeter Entwurf des Bundeskabinett für ein Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie. Derzeit befindet sich der Entwurf in der parlamentarischen Beratung. Demnächst soll er in den Rechtsauschuss kommen und noch in der ersten Jahreshälfte 2007 verabschiedet werden.

Obwohl er bisher kaum öffentliche Beachtung fand, birgt sein Wortlaut einiges an Sprengstoff. Unter einer unverdächtigen Überschrift (der kaum jemand nicht unbesehen zustimmen würde) verbergen sich nämlich zwei Änderungen die - zusammen angewendet - einige Klassiker der Filmgeschichte zu "Kinderpornographie" erklären würden. Zum einen soll künftig auch das "aufreizende Zur-Schau-Stellen" von Geschlechtsmerkmalen für das Vorliegen von Kinderpornographie reichen. Laut Justizministerium ist es Ziel der Novelle, das "bloße Einnehmen einer geschlechtsbetonten Pose" in die Strafbarkeit zu überführen.

Problematisch wird diese Regelung in Kombination mit einer zweiten Änderung: Die Altersgrenze für das Vorliegen von Kinderpornographie nach § 184 StGB soll von 14 auf 18 Jahre heraufgesetzt werden. Das bringt erhebliche Schwierigkeiten bei der Erkennbarkeit mit sich – auf der sicheren Seite sind zukünftig nur die "geilen Frauen über 40" aus der Fernsehreklame. Ob die unterschiedslose Behandlung der Schutzbedürftigkeit von Kindern und von Jugendlichen zwischen 14 und 18 nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht, der nicht nur die gleiche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte, sondern auch die unterschiedliche Behandlung nicht vergleichbarer fordert, wird das Bundesverfassungsgericht noch feststellen müssen.

Die Kombination aus den beiden Änderungen würde auch das frühe Werk von Jodie Foster und viele andere Filmklassiker mit einem Aufführungs- und Besitzverbot belegen. Es gibt zwar eine gewisse Chance, dass Gerichte in höheren Instanzen die Regelung nicht darauf anwenden - vorher bekommen übereifrige Staatsanwaltschaften (wie auch schon mit den Blasphemie- Gewaltverherrlichungs- und Symbolverbotsparagraphen) ein recht problematisches Instrument in die Hand gegeben. Auch die Strafverfahren für durchgestrichene Hakenkreuze dauerten lange und waren für die Beteiligten teilweise durchaus kostspielig und nervenzerrüttend.

Zu Teil 1: Wer wacht über die Wächter?

In den Teilen 3 bis 6 der Serie wird es um technische, privatisierte, und um Zensur durch Überwachung gehen.