Kingdom of Promotion
Mit dem Start von "Kingdom of Heaven" in Spanien bekommt die Liaison zwischen Hollywood und Tourismus eine neue Qualität
Mit "1492" (1992) wurde Ridley Scott in Spanien unsterblich. Der Film behandelte nicht nur einen mythischen Moment der spanischen Geschichte, er wurde auch großenteils an Originalschauplätzen gedreht. Mit "Kingdom of Heaven" ist der Brite nach Spanien zurückgekehrt (Die Selbstzerstörung der Christenheit). Obwohl er dort mit seinem Kreuzzug-Epos lediglich Jerusalem- und Frankreich-Episoden gedreht hat, ist das Echo der Dreharbeiten zu einem Spektakel herangewachsen, das Hollywoods Crossmarketing-Kampagnen auf einen neuen Boden stellt.
Zu Beginn des Films lässt Scott den Zuschauer einmal Schmunzeln. Kreuzritter Godfrey von Ibelin, gespielt von Liam Neeson, ist aus Jerusalem nach Frankreich gekommen, um dort seinen Sohn zu treffen und ihn dazu zu überreden, mit ihm in das Heilige Land zu kommen. Der Schmied Bailan (Orlando Bloom) ist zunächst nicht interessiert, bekommt von seinem enttäuschten Vater aber noch einen Hinweis. Wenn er es sich doch noch anders überlege, dann werde er es einfach haben, ihn zu finden. Er soll erst südlich den romanischen Sprachen folgen. Sobald er sich nicht mehr verständigen könne, sei er nicht mehr weit. "Dort fragst Du nach Jerusalem."
Das sind ungefähr Godfrey von Ibelins Worte. Seine Wegbeschreibung greift selbstironisch den kulturellen Überbau geo-politischer Verhältnisse auf. Orientieren konnte man sich, so legt der Film nahe, selbst ohne Karte und Straßenschilder. Als Wegweiser dienten kulturelle Signale, die im Zuge der romanisch-christlichen Ausdehnung Verbreitung gefunden hatten. Bailans Weg gen Süden war auch der Weg der Dreharbeiten von Kingdom of Heaven.
Mit dem Heer gen Süden
Scott verbrachte zwar die meiste Zeit in Marokko, wo er vor allem in den Studios und den angrenzenden Landstrichen der Wüstenstadt Quarzazate filmte, dort beispielsweise den nötigen Raum fand, um die monumentalen Schlachtszenen zu inszenieren. Doch konnten allein die Locations in Spanien das Spektrum der raumgreifenden, sich über die Grenzen von Kulturen hinwegsetzenden Handlung kondensieren. In Spanien fand der britische Regisseur die einmalige Situation vor, das Frankreich des 12. Jahrhunderts in seiner europaweit besten Ausprägung filmen zu können, ebenso wie das Jerusalem der gleichen Zeit.
Ersteres fand man im Norden, letzteres im Süden der iberischen Halbinsel. Man begann in Aragon zu drehen, wo laut Produktionsnotizen, in Huesca mit Loarre Castle, das als Godfrey von Ibelins Familiensitz diente, "eine der besterhaltenen europäischen Festungen des 12. Jahrhunderts" liegt. Im Schatten der Pyrenäen gelegen, wurde es "an der Grenze zwischen dem christlichen und moslemischen Spanien errichtet zu einer Zeit, als die arabischen Kräfte an Einfluss verloren". Von Huesca zog das Team nach Altkastilien in die Stadt Segovia, "eine der schönsten mittelalterlichen Städte Spaniens", später innerhalb der gleichen Region nach Avila, "eine Stadt mit einer gewaltigen Festungsmauer", wo in einer romanischen Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert unter anderem eine Krönungssequenz gefilmt wurde.
Die Dreharbeiten, die Januar 2004 begannen, sahen die Filmcrew, selbst ein kleines Heer an Mitarbeitern, im darauf folgenden Monat nach Andalusien ziehen. Der Tross von unzähligen Statisten und Wagenkolonnen mit Technik und Material wurde vom Regisseur höchstpersönlich angeführt und erreichte als nächstes Sevilla, die "Hauptstadt von Spaniens muslimischer Vergangenheit". Casa de Pilatos und Alkazar fanden bei Scotts Wiederbelebung des 12. Jahrhunderts Verwendung, in den meisten Fällen Innenräume, die König Baldwins Palast in Jerusalem evozieren sollen. Die Drehpläne, die Scott in Cordoba hatte, konnten allerdings nicht verwirklicht werden. Dort erlebte das Projekt einen Rückschlag. Die Kirche protestierte entschieden gegen die Inanspruchnahme des heiligen Bodens durch Hollywood.
Wie auch dieser Rückschlag wurden die anderen Etappen der Dreharbeiten in Spanien von den Massenmedien auf Schritt und Tritt begleitet. Allein El Mundo widmete dem Prozess eine Serie von Artikeln. Die Reporter der spanischen Tageszeitung zeigten an jeder Location Präsenz und berichteten von Ort und Stelle. Hollywood-Prominenz, die Verhängung des Ausnahmezustands während der Dreharbeiten und die kontinuierliche Suche nach Statisten waren nur einige Auslöser der Aufregung. Selbst wenn die Reporter nicht in die Nähe des Sets gelangen und das Ganze nur aus einigen Kilometern Entfernung beobachten konnten, was häufig der Fall war, sollte das Echo der Presse nicht verstummen.
Die Liaison Hollywood-Tourismus
Als die Dreharbeiten abgeschlossen waren, dauerte es nicht lange, bis die PR-Tournee für den Film in Spanien begann. Scott hier, Scott da, und immer im Schlepptau: Orlando Bloom, Eva Green und Co. Selbst die Tatsache, dass Scott schwer zu bekommen war, war den Medien eine Nachricht. Doch das war noch lange nicht alles. Die US-amerikanische Produktionsfirma und die jeweiligen Locations hatten sich ein besonderes Spektakel ausgedacht. Ein umfassendes Crossmarketing-Paket war bereits im Vorfeld der Dreharbeiten zwischen Fox und den Locations geschnürt worden. Letztere wollten nicht nur Location-Miete, sondern auch eine umfangreiche PR-Kampgange in eigener Sache an den Release des Films in Spanien koppeln. Die Idee: Der Film sollte gemeinsam mit den Drehorten beworben werden.
So werden dieser Tage in Spanien Informationen über die Städte Huesca, Avila, Sevilla, etc. mit Hilfe von Broschüren, Bildern, Imagefilmen und anderen PR-Tools im Rahmen der Marketing-Kampagne von "Kingdom of Heaven" verbreitet. National Geographic ist daran zum Beispiel beteiligt und zeichnet unter anderem für einen Dokumentarfilm über Huesca verantwortlich. Allein dort verschlingt diese begleitende PR-Aktion 500.000 EUR. Wie Pressemeldung zu entnehmen war, haben sich daran unter anderem die Verwaltung von Huesca mit 24.000 EUR, Wanadoo mit 117.000 EUR, National Geographic mit 27.000 EUR und FOX mit 200.000 EUR beteiligt. Mit dem zur Verfügung stehenden Budget wurde nicht zuletzt ein interaktives Spiel auf der spanischen Website des Films programmiert. Filmfans können dort den Film über virtuelle Räume betreten und sollen auch auf diese Weise den Locations näher gebracht werden. Sieger des Spiels gewinnen eine Reise nach Huesca und können sogar einige Begleiter mitnehmen.
Das Schloss von Huesca hat nicht zum ersten Mal eine Filmrolle. Der spanische Film "Valentina" wurde dort gedreht, im Jahr 1994 zog dort sogar Paul Verhoeven ein. Auch der Holländer hatte damals Kreuzritterfantasien im Kopf, die von Arnold Schwarzenegger verkörpert werden sollten. Im Laufe der Zeit sollen sich die Nachbarn des gefragten Schlosses daran gewöhnt haben, dass in ihrer unmittelbaren Nähe Dreharbeiten stattfinden. Doch die Arbeit an "Kingdom of Heaven" konfrontierte selbst die Hartgesottensten mit einer neuen Erfahrung. Das Projekt ist schlichtweg in einer anderen Liga angesiedelt. Die neue Größenordnung tritt nicht zuletzt bei der Auswertung der Produktion deutlich zu Tage. Die Kampagne stellt für die Verwaltung von Huesca eine große Herausforderung dar, aber sie eröffnet auch Chancen. Wie vor einigen Tagen zu lesen war, erhofft man einerseits das historische Erbe der Stadt in der Welt publik machen zu können. Andererseits solle dem Tourismus in Huesca zu neuer Blüte verholfen werden.
Wenn disparate Welten miteinander versöhnt werden
Im Zuge der Kampagne soll gleichzeitig ein modernes und ein historisches Image projiziert werden. Geschichte und Modernität, Tourismus und Hollywood – um die Konvergenz all dieser Bereiche herbeizuführen, scheint ein Gesamtkunstwerk wie "Kingdom of Heaven" geradezu prädestiniert zu sein. Der Film ist laut Scott als eine einzige große Versöhnungsgeste gemeint, als Vermittlungsprothese für entzweite und einander bisweilen auch fremd gewordene Welten. Ob er seinen Film analog zu dem heute schwelenden Krieg der Kulturen angelegt habe? Dies läge auf der Hand, erwidert Scott dem Interviewer von El Cultral.
Dass wir heute wie gestern einen sakralisierten "Kampf der Kulturen" erleben, stimme nachdenklich. Anlass zur Hoffnung böte allerdings sein eigenes Handwerk, das Kino: "El cine si ha servido un poquito mas para que las cosas se comprenden mejor.". In die Rede von Vermittlung und Verständigung mischt sich an der einen oder anderen Stelle auch das Wort "convivencia". Ein Schlagwort aus der spanischen Geschichte, das die Zeit des friedlichen Zusammenlebens zwischen Juden, Muslimen und Christen vor der Reconquista bezeichnet, welches aber auf die in "Kingdom of Heaven" dargestellte Situation bezogen wird. In dem Film leben Christen und Muslime großenteils friedlich nebeneinander. Als es zum Kampf kommt, nehmen Erstere die Verteidigungsposition ein.
Der Schmied Bailan avanciert zu einer heldenhaften Figur, die die Stadt vor der islamischen Invasion beschützt. Die Aggressoren unter den Christen – zu diesem Zeitpunkt sind sie eliminiert – haben diesen Konflikt ausgelöst. Doch handelt es sich bei jenen Kreuzrittern um Finsterlinge, Narzissten und Psychopathen, denen das Herz des Zuschauers niemals gehört. Der Christ, mit dem wir uns identifizieren sollen, ist ein Aufgeklärter. Er ist im Stande, seine Religion anzuzweifeln und letzten Endes ein Kreuzritter, der nicht bezwingt und erobert, sondern den Krieg als ihm aufgezwungene Notwendigkeit erlebt.
"History vs. Hollywood"
Der unterschwellige Einfluss solch dramaturgischer Details auf den Zuschauer kann nicht überschätzt werden. Wer die (propagandistische) Wirkung des Films im Kontext des gegenwärtigen Konflikts zwischen dem "Islam" und dem "Westen" zu erfassen sucht, sollte diese Details jedenfalls mit den Rhetoriken des Military Entertainment Complex (Der Militär-Unterhaltungs-Komplex) gegenlesen. Ebenso sollte man die Dramaturgie der Dreharbeiten und ihre Auswertung durch die Massenmedien und durch den Tourismus nicht außer Acht lassen. Die räumliche Bewegung des Films gen Süden, die auch die Dreharbeiten innerhalb Spaniens nachvollzogen haben und die nun in der Marketing-Kampagne reaktiviert wird, ist analog zu der Bewegung, die die Reconquista gemacht hat.
Während der Kreuzzüge wurde in Spanien der islamische Feind systematisch von der iberischen Halbinsel verdrängt: Die Rückeroberung nahm im Norden ihren Anfang und endete im südlichen Andalusien – dort, wo Scott seinen Spaniendreh beendete und wo heute Afrika sein Tor nach Europa findet (Flucht in die Festung Europa). Ausgerechnet aus oder über Marokko strömen zahllose Muslime nach Spanien und werden dort als illegale Immigranten zu Tausenden wieder abgeschoben (Aufenthaltsgenehmigung, Abschiebung und Abschottung). Fremdenfeindlichkeit entzündet sich in Spanien an eben diesen ungebetenen Gästen. Wie sensibel die spanische Nation hinsichtlich dieses Themas ist, zeigte sich nicht zuletzt nach den terroristischen Anschlägen vom 11. März in Madrid.
Die Marketing-Kampagne von "Kingdom of Heaven" berührt diesen politisch brisanten Boden. Welche Konsequenzen dieser Kontakt für das gesellschaftliche Klima in Spanien hat, ist schwer abzuschätzen. Ein die Kampagne begleitender Film, den der New Yorker History Channel und die Film Commission von Aragón produziert, könnte eine kritische Sicht auf die blinden Flecken der Hollywood-Tourismus Liaison eröffnen. Für die "History vs. Hollywood"-Serie konzipiert, wird er aber vermutlich nur die historischen Ungenauigkeiten des Films zur Sprache bringen. Nicht jedoch, die dramaturgischen Implikationen der Inszenierung von "Kingdom of Heaven" als ein Gesamtkunstwerk, dessen sinnstiftende Allianz zwischen Hollywood und Tourismus, einen problematischen Gebrauch von Geschichte macht.
Ein Detail, das nicht ins Bild passt, das Bild deshalb aber differenzierter macht, ist der Grund, den die Geistlichen von Cordoba für ihre Absage an Scott angaben. Sie meinten, dass es keinen Sinn mache, soviel Unruhe – von "trastorno" (Störung) war die Rede – in der Moschee von Cordoba zu verursachen, in Anbetracht der Tatsache, dass an dem Set eigentlich ein ganz anderer Ort dargestellt werden soll.