Kirche und Kapital: Eine unheilige Allianz im Immobiliensektor
Erst schlechter Service mit System, dann Verdrängung durch "Aufwertung": Welcher Immobilienkonzern setzt schon auf Nächstenliebe? Ein Kommentar.
Wer kein Wohneigentum besitzt und nicht die Voraussetzungen erfüllt, um es zu erwerben, ist dem Mietmarkt ausgeliefert. Ein halbwegs sozial eingestellter Vermieter könnte dann einen großen Unterschied machen – beispielsweise, ob einkommensschwache Menschen immer tiefer in den Dispo rutschen, wenn sie sich am Ende des Monats noch ausgewogen ernähren wollen.
So wäre schon etwas gewonnen, wenn christliche Wohnungsunternehmen nach den Grundsätzen der Nächstenliebe agieren würden. Aber weit gefehlt!
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Mitte Dezember hatte ein Gericht des Vatikanstaats mit Kardinal Becciu erstmals einen hohen Kirchenvertreter wegen "fragwürdiger Finanzdeals" zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Dass Kirche und Kapital oft enge Verbindungen eingehen, ist also lange bekannt. Weniger diskutiert wird, dass auch in Deutschland in der Immobilienbranche christliche Wohnungsunternehmen keine unwichtige Rolle spielen.
Schwarzbuch über den christlichen Immobiliensektor
Der Journalist und Soziologe Ralf Hutter hat sich in den letzten Jahren öfter mit dem christlichen Immobiliensektor beschäftigt und darüber auch Beiträge für den Deutschlandfunk produziert. Nach diesen Sendungen meldeten sich Mieter und schilderten, wie sie von dem Gebaren des christlich-kapitalistischen Immobiliensektors betroffen sind.
Auf diese Formel kann man deren Handeln bringen, wie Hutter sehr anschaulich beschreibt. Er hat einen Teil der von ihm nachrecherchierten Berichte in einen Buch mit dem Titel "Der Hausherr gibt es, der Hausherr nimmt es" auf 220 Seiten aufgeschrieben.
So ist ein Schwarzbuch über den christlichen Immobilienmarkt entstanden, das deutlich macht: auch dort werden christliche Werte wie Nächstenliebe und Unterstützung der Armen höchstens als Textbausteine für Sonntagsreden und Werbeanzeigen verwendet.
Auch hier geht es um Profitsteigerung
In der Praxis geht es auch am christlichen Immobiliensektor um Profitsteigerung. Was aber im Vergleich mit den säkularen Wohnkonzernen auffällt, ist die Dreistigkeit, mit der Fragen der Presse ignoriert und regelrecht bekämpft werden.
Gleich mehrmals zitiert Hutter, dass er auf seine Anfragen für seine Recherche für Deutschlandfunk-Sendungen oder das Buch die Antwort bekam, ihm wäre doch schon mitgeteilt worden, dass es keinerlei Interesse an einer Kommunikation mit ihm gebe. Er solle gefälligst von weiteren Anfragen absehen.
Eine Ordensschwester, die eine wichtige Rolle in einem Immobilienkonzern gespielt hat, schrieb Hutter ganz offen, sie werde nicht antworten und sie interessiere auch nicht, was er über sie schreibe.
Dreist und machtbewusst
So dreist reagieren nur Personen, die sich ihrer Machtposition sehr sicher sind. Tatsächlich wurden auch in der Mieterbewegung bisher die christlichen Miethaie weitgehend ignoriert. Eines der in dem Buch von Hutter beschriebenen christlichen Unternehmen heißt sogar Tiburon Invest, was der spanische Begriff für Hai ist.
Nur einmal geriet ein christlicher Mietkonzern in den Fokus. Im Jahr 2018 besetzten einige Personen aus der Mieterbewegung eine Wohnung in der Großbeerenstraße 17. Eigentümer war die Aachener Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft. Das größte deutsche Immobilienunternehmen mit christlichem Hintergrund hat in dem Buch einen prominenten Platz.
Es gibt gleich mehrere Berichte über Mieter, die über den schlechten Service klagen, Reparaturanfragen würden ignoriert oder auf die lange Bank geschoben. Hutter zeigt bei den Berichten immer wieder auf, dass es hier nicht um ein individuelles Versagen einzelner Mitarbeiter geht. Es ist ein systematisches Versagen, weil es auch hier um hohe Rendite geht.
Kein Gott, kein Gebet, aber Selbstorganisation
Exemplarisch beschreibt Hutter am Beispiel der Kölner Stegerwaldsiedlung, wie ein Wohngebiet aufgewertet wird. Dabei benutzen die christlichen Wohnkonzerne die gleichen Instrumente wie ihre säkularen Konkurrenten. So wird die Aufwertung über die energetische Modernisierung umgesetzt.
Hutter zeigt aber auch auf, dass es in vielen der Häuser Widerstand gibt. So ist in der Kölner Stegerwaldsiedlung ein Solidaritätsnetzwerk aktiv, das die Mieter unterstützt, wenn sie sich gegen Maßnahmen ihrer Hausherren wehren wollen.
Einschüchterung und Repression
In einer Seniorensiedlung in Berlin-Wedding haben sich Bewohner mittlerweile online vernetzt. Viele haben aber auch Angst vor den Konsequenzen, wenn sie sich wehren. Denn auch hier unterscheiden sich die christlichen nicht von säkularen Wohnkonzernen.
Gegen renitente Mieter wird auch Repression angewandt. Das kann zu Kündigungen und in letzter Konsequenz zu Zwangsräumungen führen. Auch darüber schreibt Hutter in seinem Schwarzbuch. Ein alter Spontispruch auf Mieterdemonstrationen lautet: "Kein Gott, kein Staat, kein Mietvertrag. Er bekommt nach der Lektüre von Hutters Buch eine besondere Bedeutung.
Kirchliche Sonderrechte abschaffen
Im Klappentext heißt es, mit dem Buch solle einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über Kirchenprivilegien geleistet werden. Da könnte einem auch das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen einfallen.
Da wird von Seiten der christlichen Unternehmen über einen ominösen "dritten Weg" gesprochen, der aber eigentlich nichts anderes bedeutet, als eine "gewerkschaftsfreie Zone" oder zumindest eine ohne gewerkschaftliche Rechte zu etablieren.
Es gilt also auch in kirchlichen Einrichtungen und Wohnkonzernen, die Rechte der Beschäftigten und Mieter zu stärken und das klappt nur, wenn sie sich selber organisieren. Das Schwarzbuch über den christlichen Immobilienmarkt kann dazu Hilfestellung leisten.