Klage gegen EU-Kommission: Was steht in den SMS von der Leyens an Pfizer?

New York Times versucht über ein EU-Gericht herauszufinden, wie die "persönliche Diplomatie" zwischen der EU-Kommissionspräsidentin und dem Chef des US-Pharmakonzerns zu einem Milliarden-Impfstoff-Deal genauer aussah. Bislang hat die Kommission alle Nachfragen abgeblockt.

Lange Zeit hatte die Öffentlichkeit nichts mehr von den verschwundenen SMS-Nachrichten der EU-Kommissionspräsidentin gehört. Jetzt sind sie wieder Thema. Beim Gericht der Europäischen Union (EuG) ist eine Klage gegen die EU-Kommissionanhängig.

Die veröffentlichte Eintrag gibt dazu so wenig wie nur irgendmöglich preis. Man liest nur in der Überschrift "Stevi and The New York Times v Commission". Bei allen weiteren Punkten steht: "Information not available".

Die Angelegenheit war keine geringfügige. Schließlich ging es um das Zustandekommen eines Geschäft, das die Europäische Union zum "mit Abstand größten Einzelkunden" des US-Pharmakonzern Pfizer machte.

Über das Geschäft berichtete Ende April die Brüssel-Korrespondentin Matina Stevis-Gridneff der New York Times. Die US-Zeitung schilderte ein paar Auffälligkeiten des EU-Deals mit Pfizer.

Glückliche Wendung in einer schwierigen Lage

Das war zum einen die Notsituation, in der die EU damals angesichts der Schwierigkeiten mit dem Impfstoff von AstraZeneca steckte, zum anderen die begrenzten Kapazitäten des US-Herstellers, der mit Biontech zusammenarbeitete und schließlich auch die Frage, warum Europa zuerst, wenn doch auch andere, nicht so reiche Länder, dringend Impfstoff benötigen.

Es sah dann, so das Lagebild, das die New York Times schilderte, ganz danach aus, als ob die "persönliche Diplomatie" zwischen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Chef von Pfizer, Albert Bourla, zu einer glücklichen Wendung führte, wenn auch nicht für die zuletzt angesprochenen Länder im "Rest der Welt".

Einen Monat lang tauschte Frau von der Leyen Texte und Anrufe mit Albert Bourla aus, dem Chef von Pfizer (…). Und während sie miteinander sprachen, wurden zwei Dinge klar: Pfizer könnte mehr Dosen haben, die es der Union anbieten könnte - viel mehr. Und die Europäische Union würde sich freuen, sie zu bekommen.

New York Times

Im Vertrag soll nach Angaben der Zeitung ein Auftrag für die Lieferung von 900 Millionen Dosen bis Ende 2023 und eine Option für die Lieferung weiterer 900 Millionen Dosen ausgehandelt worden sein.

Unter dem Teppich der Rechtschaffenheit

Wie dieses Geschäft genau zustande gekommen ist, ist die Frage, die die SMS-Korrespondenz der EU-Kommissionspräsidentin ins Spiel bringt. Zurückhaltend formuliert US-Zeitung das Problem, das Problem unter dem Teppich der Rechtschaffenheit, so:

Die Berichte von Frau von der Leyen, Herrn Bourla, Herrn Marett und neun weiteren beteiligten Beamten und Experten darüber, wie die Geschäfte zustande gekommen sind, zeigen eine bemerkenswerte Übereinstimmung von politischem Überleben und unternehmerischer Betriebsamkeit.

New York Times

Bislang hat sich die Kommission hartnäckig dagegen gesträubt, Informationen über die SMS herauszugeben, wie Netzpolitik.org aus eigener Erfahrung berichtet – Netzpolitik-Autor Alexander Fanta hatte bereits selbst eine Informationsfreiheitsanfrage an die Kommission gestellt.

Das Ergebnis: "Die Kommission weigert sich, die SMS-Nachrichten herauszugeben, da diese keine 'offiziellen Dokumente' seien." Und: "Zunächst verneinte sie in ihrer offiziellen Antwort sogar, dass derartige Nachrichten existieren."

Abgeschmetterte Fragen nach mehr Klarheit

Am 25. Januar, so berichtet die Publikation, habe nun die US-amerikanische Zeitung Klage gegen die Europäische Kommission eingereicht, die seit Montag im öffentlichen Register des Europäischen Gerichtshofs veröffentlicht ist.

Die Zeitung wird sich vor dem höchsten Gericht der EU mit EU-Juristen auseinandersetzen und argumentieren, dass die Kommission rechtlich verpflichtet ist, die Nachrichten freizugeben, die Informationen über den Kauf von Covid-19-Dosen im Wert von Milliarden Euro durch die EU enthalten könnten.

Netzpolitik.org

Laut Politico gab es zuvor schon Bemühungen nach mehr Klarheit in der Sache. Die ablehnenden offiziellen Antworten sind vielsagend:

Die Klage folgt auf eine Untersuchung der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O'Reilly vom Januar 2022, die nach einem Antrag des netzpolitik.org-Journalisten Alexander Fanta auf öffentlichen Zugang Missstände bei den Versuchen der Kommission feststellte, die Textnachrichten wiederherzustellen. Die Untersuchung des Ombudsmannes ergab, dass die Kommission das persönliche Büro des Präsidenten nicht ausdrücklich gebeten hatte, nach Textnachrichten zu suchen.

Die EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, erklärte daraufhin, dass die Textnachrichten möglicherweise gelöscht worden seien, da sie "kurzlebig und flüchtig" seien.

Politico

Das ist kein gutes Zeugnis für das Bollwerk der Demokratie, als das sich die EU begreift und womit sie politische Entscheidungen begründet und Wasser auf den Mühlen derjenigen, die Doppelstandards beklagen

"Selbst die Klage bleibt im Dunkeln, die EU erreicht einen neuen Tiefpunkt der Transparenz", kommentiert Eric Bonse aus Brüssel.