Kleine Biester nach "Katrina"

Tetanus, Grippe, West Nil Virus und infektiöse Mückenstiche

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Zwei Wochen nach Hurrikan Katrina haben sich die Befürchtungen einer nach dem Wirbelsturm erhöhten Seuchengefahr nicht bestätigt. Trotz Schauergeschichten über drohende Typhus- und Cholera-Epidemien blieben Berichte über einen Anstieg dieser Krankheiten im Katastrophengebiet aus. Keine Entwarnung kann bislang allerdings hinsichtlich der Gefahr gegeben werden, sich mit "gewöhnlichen" Infektionskrankheiten zu infizieren. Auch eine erhöhte Verbreitung des West Nil Virus wird in Betracht gezogen.

Wie die Fachzeitschrift NewScientist berichtet, scheint der US-Regierung ein Vorrat der wichtigsten Impfstoffe zu fehlen, die für die Katrina-Überlebenden und Helfer benötigt werden. Nach Angaben des US Center of Disease Control and Prevention (CDC) hatten die Staaten Louisiana und Mississippi vorsorglich Impfstoffe aus dem strategischen nationalen Vorrat angefordert.

In erster Linie wird Impfstoff gegen Tetanus benötigt. Menschen in den verwüsteten Gebieten könnten gefährdeter sein an Wundstarrkrampf zu erkranken, da Überlebende und auch Helfer sich z. B. bei Bergungsarbeiten kleinere Verletzungen und offene Wunden zugezogen haben könnten.

Des Weiteren infizierten sich sieben Menschen in Mississippi mit Vibrio vulnificus; vier Menschen starben daran. Dieser, in warmem Meerwasser lebende, nahe Verwandte des Cholera-Bakteriums wurde aus den USA in den 70iger Jahren erstmals beschrieben und wurde in Deutschland zuletzt im Sommer 2004 in der Nordsee nachgewiesen. Dieses salzliebende Bakterium hat sein Umweltoptimum in Gewässern mit Temperaturen über 20°C.

Vibrio vulnificus

Die Anzahl der Infektionen ist indes nicht sehr ungewöhnlich. "Wir zählen routinemäßig fünf bis acht Fälle von V. vulnificus in der Hurrikan-Saison mit mehr als 50% Mortalität", erläuterte Martin Jones, Epidemologe von der Universität Louisiana in Baton Rouge den Sachverhalt. Gefährdet sind vor allem Menschen mit schwacher Immunabwehr. Die Krankheit ist jedoch nicht ansteckend und kann mit Antibiotika behandelt werden. Weiterhin wurden Fälle von Ruhr wurden aus Biloxi, Mississippi gemeldet, konnten aber ebenfalls mit Antibiotika eingedämmt werden.

Ebenfalls wenig erstaunlich sind Berichte der EPA (US Environmental Protection Agency) von letzter Woche, dass hohe Konzentrationen des Darmbakteriums Escherichia coli in den Überschwemmungsgebieten um und in New Orleans festgestellt wurden. Die Bakterien verursachen gastrointerstinale Gesundheitsprobleme; eine Variante kann indes auch zu letalem Nierenversagen führen.

Stressfolgen

Das gesundheitliche Hauptproblem liegt jedoch nicht bei den Folgen der Überschwemmung; Krankheiten, welche die Menschen normalerweise zuhause auskurieren, können sich unter gestressten Menschen, die möglicherweise wochen- bis monatelang in Lagern leben müssen einfacher verbreiten und ernsthafter festsetzen.

Das CDC empfahl in der letzten Woche allen "Hurrikan-Flüchtlingen" ihre Impfungen aufzufrischen. Alle Menschen, die sich längere Zeit in überfüllten Notunterkünften aufhalten müssten, sollten gegen Grippe, Masern, Mumps, Röteln, Hepatitis und Windpocken geimpft werden, wenn sie noch nicht an diesen Krankheiten (Ausnahme Grippe) erkrankt waren.

Aber noch ist nicht klar, ob das CDC die erforderlichen Impfstoffe bereitstellen kann. Der strategische nationale Vorrat an Routine-Impfstoffen hatte sich seit 2001 sukzessive reduziert, da sich Hersteller aus diesem "Marktsegment"zurückzogen. Die Nachfrage nach diesen Impfstoffen hat sich durch die Auswirkungen des Hurrikan Katrina nun drastisch erhöht.

Das CDC, das einen Vorrat von 41 Millionen Impfstoff-Einheiten vorhalten sollte, um Engpässe abzupuffern, hat nach Angaben von April diesen Jahres nur 13.2 Millionen Einheiten vorrätig. Im Jahr 2004 hatte sich die Rechtsgrundlage für die Verkäufe von Impfstoffen zugunsten des nationalen Vorrats geändert, der Pharma-Firmen davon abhalten sollte, Verkäufe an den staatlichen Vorrat als Gewinne zu deklarieren. Diese Änderung führte dazu, dass sich drei von vier der führenden US-Hersteller von Impfstoffen aus dem Verkauf zurückzogen.

Impfstoffe fehlen

Der wichtigste Impfstoff für die Menschen im Katastrophengebiet ist ein Kombi-Impfstoff Tetanus-Diphterie-Keuchhusten. Das CDC empfiehlt die Impfung jedermann, der sich in überfüllten Notunterkünften aufhalten muss, Kindern unter 18 Jahren, und Helfern, die seit mehr als 10 Jahren keine Tetanus-Impfung mehr erhalten haben. Der Mangel an Impfstoffen führt nun vermutlich dazu, dass Hilfsorganisationen die Impfstoffe auf dem freien Markt erwerben müssen, was Zeit kostet. Auch scheint der Nachschub begrenzt zu sein. Das CDC konnte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob der Bedarf gedeckt werden kann.

Grippe-Impfstoff kann indes nicht bevorratet, sondern muss jedes Jahr neu erworben werden. Das CDC teilte mit, dass es in Verhandlungen mit den Herstellern stehe und versuche ausreichende Mengen Grippevirus-Impfstoff für die Katrina-Überlebenden bereitzustellen.

Stechmücken gilt es dieser Tage in New Orleans möglichst zu meiden.

West Nil Virus

Des weitern ließ die anhaltende Überflutung, die Hurrikan Katrina hinterlassen hatte, Befürchtungen über einen Anstieg von Fällen des West Nil Virus aufkommen. Dieser ursprünglich aus Afrika stammende Erreger erreichte im Jahre 1999 erstmals New York. Vier weitere Jahre später hatte sich der Erreger über 44 US-Staaten ausgebreitet. Das West Nil Virus, in erster Linie eine Vogelkrankheit gehört zu der Familie der Flaviviren, die beim Menschen z. B. Erkrankungen wie Gelbfieber auslösen. Bislang wurden etwa 4000 Fälle von West Nil in den Staaten gezählt. 300 Menschen starben.

Das West Nil Virus wird, wie die meisten Flaviviren von Stechmücken übertragen. Anders als seine Verwandten kann es sich dazu aber verschiedener Mückenarten bedienen. Daraus folgt, dass West Nil, auf einen neuen Kontinent getragen, sich wesentlich schneller ausbreiten kann, als andere Flaviviren.

Aber zurück zu Katrina und ihren Folgen: Die Firma Genomed, ein Pharmaunternehmen aus St. Louis, platzte dieser Tage mit der Mitteilung heraus, dass ihre neue Behandlungsmethode sogar gegen die tödlichste Form des West Nil Virus wirksam sei. Um diese Untersuchungsergebnisse weiter zu erhärten, rief ein Firmensprecher die Menschen auf, sich an den klinischen Studien des Unternehmens zu beteiligen.

Das Louisiana Department of Health zählte letzten Donnerstag 19 neue Fälle von West-Nil-Fieber im Staate und gab bekannt, dass es auf Grund der massiven Überschwemmungen zu weiteren Fällen in der Umgebung von New Orleans kommen könne. Wissenschaftlern zufolge könnte der Hurrikan, die Brutstätten von Mücken fortgerissen und im Zuge der Überflutung in die Städte gespült haben.

Mücken können in Überschwemmungsgebieten sehr zahlreich werden und nach einer Trockenzeit werden wir noch mehr Mücken sehen und das Risiko für die Menschen gestochen zu werden wird zunehmen.

Dr. Raoult Ratard, staatlicher Epidemologe

Die meisten Menschen, auch wenn sie sich mit West Nil infiziert haben, entwickeln keine ernsten Symptome, aber das West-Nil-Fieber kann für Menschen tödlich sein, die an der ernsthafteren Form des Virus erkranken. Eben für diese will Genomed scheinbar die Lösung gefunden haben.

Das Verfahren der Pharma-Firma beinhaltet die Verabreichung von Medikamenten, die für gewöhnlich für die Behandlung von Herzfehlern genutzt werden. Den Patienten werden zwei Präparate von zwei verschiedenen Herstellern verabreicht, die angeblich beide nicht in das Versuchsverfahren von Genomed involviert sind.

Dr. David Moskovitz, Geschäftsführer von Genomed, sagte dass vor allem Menschen von der Behandlung zu profitieren scheinen, die mit der neuroinvasiven Form des West-Nil-Virus infiziert sind, die zu Koma und Tod führen kann.

Wir haben bislang 16 Patienten behandelt und 13 davon haben unerwartet schnell und gut auf die Behandlung angesprochen.

Die Patienten lagen vor der Behandlung im Koma und wachten nach Verabreichung des Medikaments innerhalb von 12 bis 24 Stunden auf. Trotz der sichtbaren Erfolge der Behandlung will Moskowitz noch viele Probanden für klinische Versuche gewinnen, um definitive Aussagen treffen zu können. Sicherlich dürfte auch ihm klar sein, dass die Behandlung von 16 Fällen eine viel zu geringe Zahl ist, um Signifikanz zu zeigen und finale Schlussfolgerungen zuzulassen. So gab er denn auch weiter zu Protokoll:

Noch ist unklar, ob wir tatsächlich etwas gefunden haben, oder ob die 13 Menschen sich auch ohne Behandlung wieder erholt hätten.