Klima-RAF oder Suffragetten von heute?
Seite 2: Umfragewerte zeigen auch das Ausmaß der Verdrängung
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Diejenigen, die darauf beharren und zu "nervigeren" Aktionsformen greifen, müssen sich heute anhören, das Problem liege nur oder hauptsächlich bei ihnen und ihren falschen Methoden – und keinesfalls bei der Regierung und der Mehrheit, die es vorzieht, das Problem zu verdrängen. Laut einer Statista-Umfrage verurteilen 81 Prozent der Bevölkerung die Aktionen der "Letzten Generation".
Und nicht nur Leugner des systembedingten Klimawandels weigern sich, das Hauptproblem bei der Verdrängungsgesellschaft zu sehen. Nein, die Klimabewegung soll mehr Verständnis dafür haben, dass die Mehrheit auch weiterhin das Problem verdrängen und nicht in ihrem Alltag gestört werden will.
Skandalberichte über "unbefristeten Klima-Krieg"
Wer das "Business als usual" stört, muss mit Terrorismusvorwürfen rechnen. Angesichts der nervigen, aber immer noch gewaltfreien Straßenblockaden versucht inzwischen auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine "Klima-RAF" herbeizuschreiben, vor der im November schon CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte. Die Bild sprach unlängst von einem "unbefristeten Klima-Krieg" und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zieht Vergleiche zu blutigen Straßenkämpfen der 1930er-Jahre.
Bisher ging die körperliche Gewalt bei den Blockaden allerdings einseitig von motorisierten Wutbürgern aus – auch Polizisten wenden zum Teil Schmerzgriffe an, die für die Räumung der Straße unnötig wären. Die Polizei weist allerdings darauf hin, dass Zivilisten sich strafbar machen können, wenn sie es ihr gleichtun.
Derweil kämpft die Axel-Springer-Verlagsgruppe publizistisch an vorderster Front um Verständnis für Wutbürger, mit und ohne polizeiliche Befugnisse, die rabiat gegen nervige "Klimakleber" (mit und ohne Klebstoff) vorgehen. Mittlerweile ist auch bekannt, was zu vermuten war: dass Springer-Chef Mathias Döpfner den Klimawandel als solchen gut findet. Er betrifft ja auch nicht primär wohlhabende weiße Männer um die 60; der Rest der Welt muss eben flexibel sein und sehen, wo er bleibt, aber so deutlich sagt man das ärmeren und jüngeren Bild-Lesern lieber nicht.
Einer der größten Medienkonzerne hat also durchaus ein inhaltliches Problem mit der Klimabewegung und den Erkenntnissen wissenschaftlicher Gremien wie dem Weltklimarat – nicht nur mit den Methoden einzelner Gruppen. Letzteres vorzuschieben, macht sich allerdings besser, wenn man nicht offiziell zu den Leugnern des Problems gehören will.
Diesen Part übernehmen dann rechtsesoterische "Alternativmedien", die von der Blattlinie bei Springer vor allem unterscheidet, dass sie keine braven Atlantiker sind. Ansonsten verbreiten sie in vielen Punkten ähnliche Narrative.
Denkfaulheit und Wutreflexe gelten als gesundes Volksempfinden
Dem Dauerfeuer der Springer-Medien ist es auch zu verdanken, wenn in der breiten Masse nicht die Profitgier von Konzernen für steigende Lebenshaltungskosten verantwortlich gemacht wird, sondern das klägliche, halbherzige Bemühen der Regierungsparteien um ein bisschen Klimaschutz. Während hohe Grundmieten quasi als Naturgesetz und als gutes Recht der Immobilienkonzerne dargestellt werden, gilt neuerdings die Wärmepumpe als wahre Geißel der kleinen Leute in Deutschland.
Dass bei den "Klimaklebern" sozialverträgliche Forderungen wie die Fortschreibung des Neun-Euro-Tickets, ein Tempolimit und ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung im Mittelpunkt stehen, geht in der Skandalberichterstattung weitgehend unter.
Dieses Dauerfeuer reduziert offensichtlich die Denkleistung von Erwachsenen, die immerhin einen Führerschein machen konnten und dementsprechend nicht geistig behindert sein können. Denn Denkfaulheit und Wutreflexe gelten hier als gesundes Volksempfinden: Wozu nachdenken, wenn sie mit maximalem Verständnis der Boulevardmedien rechnen können, wenn sie einfach mal ein paar "Klimakleber" an den Haaren von der Straße zerren?
Das ist ja nicht weiter riskant, weil diese feigen "Klimaterroristen" sich nicht körperlich wehren – und weil Springer-Chefredakteure und meinungsstarke Juraprofessorinnen dafür sorgen, dass man sich zumindest auf einen Verbotsirrtum berufen kann, wenn Gerichte die Gewalt der Wutbürger dann doch nicht als Notwehr betrachten.
Machen wir uns nichts vor: Solange die Klimabewegung keinen eigenen Medienkonzern hat, kann es gar keine Waffengleichheit im Kampf um Mehrheiten geben. Kein Wunder, wenn dann Verzweifelte den Preis für den Normalwahnsinn durch Aktionen des zivilen Ungehorsams hochtreiben wollen.
In zehn, 20 bis 30 Jahre könnten diese Aktionen auch ganz anders bewertet werden – wenn zum Beispiel wegen häufiger Dürren in Brandenburg auch immer öfter das Wasser abgestellt wird, wie heute schon in manchen Regionen Frankreichs. Dann können manche der Wutbürger, die heute "Klimakleber" von der Straße zerren und stolz darauf sind, nur hoffen, dass sich ihre Nachbarn nicht daran erinnern.
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