Klimaprotest trotz Corona: "Unser Problem ist noch eine Ecke größer"
Mit rund 100 "Ein-Personen-Straßenblockaden" hielt Extinction Rebellion an mehreren Orten kurzfristig den Verkehr auf. Die Reaktionen waren ungehalten bis verständnisvoll
Mit "Ein-Personen-Straßenblockaden" hat Extinction Rebellion (XR) an diesem Samstag in mehreren deutschen Städten für Verkehrsbehinderungen gesorgt. So wollte das Netzwerk "coronakonform" daran erinnern, dass neben der Pandemie die Herausforderung durch die Umwelt- und Klimakrise fortbesteht.
Den Teilnehmenden war klar, dass sie damit Autofahrer nerven und womöglich von ihnen beschimpft werden würden, sie selbst setzten aber auf gewaltfreie Kommunikation: "Es tut mir leid, Menschen zu zwingen, sich mit etwas auseinanderzusetzen, mit dem sie sich - aus für mich nachvollziehbaren Gründen - nicht auseinandersetzen wollen", hatte einer der Aktivisten vorab auf der Internetseite der deutschen XR-Sektion erklärt. "Aber ich bin verzweifelt. So verzweifelt, dass ich es vor mir und vor meinen Mitmenschen rechtfertigen kann, so zu handeln."
Der Moderator einer Live-Videoschalte von XR zu mehreren Orten des Protests stellte zu Beginn der Aktionen um kurz nach 13 Uhr klar: "Die Menschen sitzen zwar alleine auf der Straße, aber sie sind nicht allein." Die Aktionen seien verantwortungsbewusst vorbereitet worden.
Sämtliche Statements auf den Schildern, mit denen sich nach XR-Angaben rund 100 Aktive in 40 Städten, darunter Berlin, Dortmund, Freiburg, Fürth, Göttingen, Hamburg, Köln, München und Nürnberg auf die Straße setzten, begannen mit "Ich habe Angst" und endeten mit "wegen der Klimakrise".
Mancherorts wurden sie laut angehupt oder ausgelacht, wo es möglich war, zum Teil auch schlicht umfahren. Vom Laufpublikum kam aber auch Zuspruch. "Bei Beleidigungen sind teilweise auch Passantinnen eingeschritten und haben die Aktion verteidigt", sagte Jana Mestmäcker vom XR-Presseteam gegenüber Telepolis.
Überwiegend waren es junge Menschen, die sich an der Aktion beteiligten - in Köln saß aber auch ein Mann im Rentenalter auf der Straße, der auf sein Schild gemalt hatte: "Ich habe Angst, meinen Enkeln eine zerstörte Welt zu hinterlassen wegen der Klimakrise". Momentan werde in der Öffentlichkeit vor allem über Corona gesprochen, aber "unser Problem ist noch eine Ecke größer", sagte der Mann, der in der Pandemie selbst zur Risikogruppe gezählt wird, einem der XR-Kamerateams. Er habe genau eine halbe Stunde auf der Straße gesessen. An manchen Orten waren die Aktiven wesentlich schneller von der Polizei weggetragen worden oder hatten nach mehrfacher Aufforderung die Straße frei gemacht.
Im Oktober 2019 hatte Extinction Rebellion, die "Rebellion gegen das Aussterben", mehrstündige Massenblockaden auf mehreren Kreuzungen Berlins durchgeführt, um vor einem "Weiter so" in der Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik zu warnen. Eine für Mai 2020 geplante Großaktion dieser Art war aber im März des vergangenen Jahres wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. "Es ist gut, das wir einen Notfall wie einen Notfall behandeln und auf Basis der Wissenschaft handeln", hatte XR am 16. März 2020 erklärt. In dieser Krise sei es wichtig, solidarisch zu handeln und aufeinander zu achten. Allerdings erhoffte sich XR damals auch eine Entwicklung, die noch aussteht: "Genau jetzt ist der Zeitpunkt die Strukturen unseres zerstörerischen Wirtschaftssystems neu zu denken und zu gestalten."
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