Klimaschutz-Faktor Moore: Das plant die Politik

Susanne Aigner

Feuchtgebieten und Mooren (hier: Waldnaabaue) kommt eine besondere Bedeutung beim Schutz des Klimas zu. Foto: Purenatur / CC-BY-SA-4.0

Aus trockengelegten Mooren entweichen große Mengen Treibhausgase. Wiedervernässung ist aktiver Klimaschutz. Warum Landwirte sich Sorgen machen.

Seit rund tausend Jahren werden die Fischteiche in der Waldnaabaue bei Tirschenreuth in der Oberpfalz bewirtschaftet. Vielfältige Karpfenteiche, aber auch versumpfte Teiche, aus denen Schilf und Rohrkolben, Birken- oder Erlenstämme herausragen, prägen das Landschaftsbild. Vor 25 Jahren wurden hier ehemalige Teiche wieder vernässt.

Zugleich wurde dafür gesorgt, dass das Wasser nicht mehr ungehindert abfließen kann. Heute leben hier wieder eine Reihe seltener Arten: diverse Libellen, Moorfrösche und Kreuzottern, aber auch Fisch- und Seeadler brüten hier.

Während der letzten Jahre allerdings fiel fast ein Drittel weniger Regen in der Region als im langjährigen Mittel – nur 350 Liter pro Quadratmeter im Jahr statt wie früher 450 Liter. Das Biotop leidet zunehmend unter zu trockenen Sommern. Wo nicht genug Wasser nachkommt, trocknen viele Bereiche aus, die infolgedessen verwalden oder verbuschen.

Um dem entgegenzuwirken, soll nun Regenwasser vom Herbst und Winter auf der Fläche zurückgehalten werden. In den sich selbst überlassenen Bereichen hilft der Biber mit dem Bau von Dämmen nach. Auch die Fischteiche werden bei diesem Prozess mit eingebunden. Auch diese Weise könnte das Feuchtgebiet trotz Klimawandel weiter existieren, hoffen die Initiatoren, wenn auch mit einem kleineren durchnässten Kerngebiet.

Auch das Rote Moor in der Rhön in der Nähe der hessisch-bayerischen Landesgrenze ist Lebensraum von seltenen Tieren und Pflanzen. Auch dieses Moor ist von Austrocknung gefährdet. Im Laufe des Sommers wurde das Rote Moor nördlich von Unterfranken im hessischen Teil des Unesco-Biosphärenreservat Rhön renaturiert.

Ablaufkanäle aus der Zeit des Torfabbaus wurden entfernt. Marode Holzspundwände wurden saniert, um den Wasserspiegel im Hochmoor zu stabilisieren. So können sich moortypische Pflanzengesellschaften wie die Kleine Moorjungfer, der Hochmoor-Perlmuttfalter und der Sonnentau entwickeln.

Bayern: Moorbodenschutz ist von öffentlichem Interesse

Das Ziel "Klimaneutral bis 2040" hält Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zwar für ambitioniert. Doch es sei machbar. Bis dahin sollen 55.000 Hektar Moorflächen in Bayern wiedervernässt - und somit acht Millionen Tonnen Kohlenddioxid gespeichert - werden. Allein in Schwaben, im Zentrum für den Moorbodenschutz, werde in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft eine Fläche von 14.000 Hektar wiedervernässt, erklärt Umweltminister Thorsten Glauber.

Um die Renaturierung zu beschleunigen, will der Freistaat künftig alle anfallenden Kosten übernehmen, anstatt nur wie bisher 75 bis maximal 95 Prozent zu erstatten. Allein für den bayerischen Klimaschutz werden jährlich eine Milliarde Euro bereitgestellt. Doch es gibt auch Kritik: Die Wiedervernässung geschehe im Schneckentempo, erklärt Norbert Schäffler.

Besonders im Donaumoos seien in den letzten zwei Jahren kaum Flächen wiedervernässt worden. Der Vorsitzende des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz fordert ein "Renaturierungs-Turbo". Im Fall von Donaumoos erwartet Söder allerdings längere, zähe Prozesse. Seine Regierung wolle "motivieren, nicht sanktionieren" und das Projekt Hand in Hand mit der Bevölkerung vorantreiben. Zudem will die bayerische Landesregierung mit der Landwirtschaft kooperieren

Landwirte müssen bei den Plänen besser eingebunden werden

Außer in Bayern und Baden-Württemberg gibt es vor allem in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg entwässerte Moore. Sie werden größtenteils als Grünland und Ackerland genutzt, zu geringem Teil wurden sie aufgeforstet und verursachen jährlich rund 46 Millionen Tonnen Treibhausgase.

Die Moorschutzstrategie der Bundesumweltministerin sieht vor, die Emissionen aus Moorböden bis 2030 um fünf Millionen Tonnen (zehn Prozent) jährlich zu reduzieren. Alle noch bestehenden naturnahen Moore müssen bis dahin erhalten beziehungsweise wieder bewässert werden. Dafür will Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vier Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Wegen der fortschreitenden Erwärmung werde es immer schwieriger, die Moore in einigen Jahrzehnten noch zu vernässen, befürchtet Moorforscherin Bärbel Tiemeyer vom Thünen-Institut und drängt zur Eile. Vertreter der Landwirtschaft hingegen befürchten Verluste in Milliardenhöhe. Denn wenn Böden vernässt werden, ist es nicht mehr möglich, darauf Milchkühe zu halten oder mit dem Traktor zu fahren.

Man dürfe den Landwirten nicht nur Vorgaben machen, sondern müsse auch attraktive Angebote unterbreiten, kritisiert der Bremer Bodenkundler Joachim Blankenburg. Das Greifswald Moor Centrum - eine Kooperation der Universität Greifswald und verschiedener Moorschutz-Einrichtungen - fordert zudem, neben den Landwirten auch Wasserwirtschaft und Kommunen mit einzubinden.

Ein weiteres Problem seien fehlende Kenntnisse über die genauen Standorte. Denn Böden verändern sich. Alte Karten könnten Moorböden ausweisen, die es gar nicht mehr in der alten Mächtigkeit gibt. Erst wenn man mehr über die einzelnen Böden wisse, könne man entscheiden, welche Flächen sich überhaupt zum Vernässen eignen.

Wie lassen sich die renaturierten Flächen nutzen?

Auch müsse bei einer Wiedervernässung zum Beispiel von Niedermoorböden der Grundwasserspiegel angehoben werden. Das Wasser könnte die umliegenden Häuser überschwemmen. In Regionen, die unterhalb des Meeresspiegels liegen, müssten ganze Siedlungen aufgegeben werden.

Auf der Hälfte der betroffenen Flächen weiden Milchkühe. Mit ihrer Wiedervernässung sind diese Flächen für Weidewirtschaft oder Ackerbau - außer für Wasserbüffel - nicht mehr nutzbar, sodass sie für die Produktion von Nahrungsmitteln wegfallen. Dafür lassen sich Schilf, Rohrkolben und Seggen kultivieren, aus denen Dämmstoffe und anderes Baumaterial hergestellt wird.

Derzeit wird daran geforscht, wie aus Rohrkolben nachhaltige Dämmplatten für die Bauwirtschaft hergestellt werden. Allerdings gibt es dafür bisher kaum Nachfrage. Auch bestimmte Baumarten wie Schwarzerlen könnte man pflanzen. Zusätzlich könnte man Photovoltaikanlagen installieren.

Um Treibhausgase aus Moorböden einzusparen, reiche es aus, wenn man die betreffenden Böden einfach beständig feucht halte, erklärt Mathias Paech. Der Agrar- und Umweltforscher forscht mit seinem Team am Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen zu klimaangepasstem Wassermanagement für den nordwestdeutschen Küstenraum.

Dabei geht es um die Frage, wie man überschüssiges Wasser aus den regenreichen Wintern speichern kann, um es im Frühjahr und Sommer zur Wässerung zu nutzen und so zu verhindern, dass der Grundwasserspiegel stark sinkt und die Böden austrocknen. So dienen Gräben nicht nur zum Entwässern, sondern auch zum Speichern von Wasser.

Moore binden doppelt soviel Kohlenstoff wie alle Wälder zusammen

Weltweit befinden sich etwa 88 Prozent der Moore in einem weitgehend natürlichen Zustand. Sind die Moore gesund und ausreichend durchfeuchtet, speichern sie doppelt so viel Kohlendioxid wie alle Wälder zusammen. Obwohl alle Moore zusammen nur drei bis vier Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, binden sie rund 600 Milliarden Tonnen - doppelt so viel Kohlenstoff wie in der Biomasse aller Wälder der Erde gespeichert ist, welche etwa 27 Prozent der Landfläche ausmachen.

Um die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens zu halten, müssten allein hierzulande jährlich 50.000 Hektar trockengelegte Moore wiedervernässt werden. Auf einer Fläche von über 50 Millionen Hektar sind Moore derart entwässert, dass sie keinen Torf mehr bilden: Weil ständig Sauerstoff in den Boden eindringt, wird ständig Torf abgebaut. Es entsteht Kohlendioxid und Lachgas.

In Mitteleuropa führt jede Absenkung des mittleren Wasserstands im Moor um zehn Zentimeter zu weiteren Emissionen von fünf Tonnen CO2-Äquivalenten, pro Hektar und Jahr. In den Tropen sind es sogar neun Tonnen.

Klimaziele sind nur noch mit Renaturierung der Moore zu erreichen

Obwohl entwässerte Moore weniger als ein halbes Prozent der Landfläche der Erde ausmachen, sind sie für etwa vier Prozent aller weltweiten menschlichen Emissionen verantwortlich. Der weit überwiegende Teil dieser Emissionen stammt von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Entwässerte Moorböden emittieren weltweit pro Jahr über 1,9 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente.

Fast 90 Prozent sind Kohlendioxid – die übrigen Emissionen stammen von Methan und Lachgas. Hinzu kommen Emissionen aus Torfbränden, die im Schnitt zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr liegen. Hierzulande entweichen jährlich rund 53 Millionen Tonnen Treibhausgase aus trockengelegten Mooren. Das ist mit etwa sieben Prozent der Gesamtemissionen – mehr als der gesamte innerdeutsche Flugverkehr verursacht.

Für die aktuell hohen Kohlendioxid-Emissionen lägen die Kosten für zukünftige Klimaschäden bei 7.000 Euro pro Hektar und Jahr. Sofern es wasserbaulich möglich sei, ist Agrarforscher Harald Grethe von der Humboldt-Universität Berlin überzeugt, lohne es sich auf jeden Fall, Flächen wieder zu vernässen.

Moore als Kohlendioxid-Senke haben das Weltklima in den letzten 10.000 Jahren um etwa 0,6 Grad Celsius heruntergekühlt. Ohne wirksame Gegenmaßnahmen könnten die Emissionen aus entwässerten Mooren bis zum Ende des Jahrhunderts mehr als 40 Prozent jenes Treibhausgas-Budgets verbrauchen, das Berechnungen zufolge verbleibt, um die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten, sagen Experten.