Klimastreik trifft ÖPNV-Streik – und Bayerns Innenminister schäumt

Ein Großteil der aktiven Klimabewegung hat inzwischen begriffen, wie wichtig die Kooperation mit Beschäftigten der kritischen Infrastruktur ist. Foto: Fridays for Future

Schon vor dem heutigen globalen Klimastreik blockierten in München Aktivisten ein Busdepot. Manche sehen darin ein fulminantes Eigentor. Andere einen notwendigen Schulterschluss.

Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Schnapsidee, wenn ausgerechnet Klimaaktivisten ÖPNV-Busse blockieren – außer, ein Großteil der Beschäftigten streikt gerade und will bessere Löhne und Arbeitsbedingungen durchsetzen, während auch die Klimabewegung mehr Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr fordert. So blockierte am Donnerstagmorgen die Initiative "Antikapitalistisches Klimatreffen" ein Busdepot in München.

Die Aktion am Vortag des heutigen globalen Klimastreiks von Fridays for Future habe sich nicht gegen die Busfahrer und Busfahrerinnen gerichtet, die zum Teil wegen eines anderen Tarifvertrags nicht mitstreiken konnten, sondern sei eine Unterstützung für den Streik gewesen, argumentierten Beteiligte.

"Diese Wirrköpfe manövrieren sich vollends ins Abseits"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reagierte erwartungsgemäß: "Die Klimaaktivisten haben inzwischen ganz offensichtlich die Orientierung verloren", sagte er laut Agenturberichten. "Jeder respektiert den Tarifstreik von Gewerkschaften. Aber es ist absurd, dass Klimaaktivisten den ÖPNV blockieren."

Aus Herrmanns Sicht ein glattes Eigentor: "Diese Wirrköpfe manövrieren sich vollends ins Abseits und zeigen dabei, worum es ihnen eigentlich geht: Sie wollen 'das kapitalistische System' attackieren." Es spreche für große Orientierungslosigkeit, als Symbol für den Kapitalismus ausgerechnet ein Busdepot zu wählen.

"Wenn Innenminister Herrmann sich aufregt, macht man alles richtig", erklärte dazu die Aktivistin Lisa Poettinger. "Die streikenden Beschäftigten fanden die Blockade jedenfalls toll."

Gemeinsamer Verkehrswende-Aktionstag von ver.di und Fridays for Future

Für den heutigen Freitag hatten die Gewerkschaft ver.di und die Schulstreikbewegung Fridays for Future zu einem gemeinsamen Verkehrswende-Aktionstag aufgerufen. Es ist zugleich der globale Klimastreiktag von Fridays for Future. "Ohne eine echte Mobilitätswende werden wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen", hatte Verdi-Vize Christine Behle dazu im Februar erklärt.

Inzwischen stehe nicht nur der Ausbau des ÖPNV infrage, sondern auch der Erhalt des Status quo. Der aktuelle Personalmangel habe im vergangenen Jahr in der ganzen Republik zu Einschränkungen im ÖPNV geführt, vom spontanen Ausfall von Fahrten bis hin zum planmäßigen Ausdünnen des Fahrplans. Grund sei die Kombination aus niedrigen Löhnen und hohen Belastungen in der Branche.

Auch heute will ver.di den Nahverkehr in sechs Bundesländern fast flächendeckend stilllegen. Von den Warnstreiks sind Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz betroffen. Hier gilt für die Beschäftigten der Nahverkehs-Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, weil die Verkehrsbetriebe in kommunaler Hand seien.

Schwerpunkt der Warnstreiks sind nach ver.di-Angaben das Ruhrgebiet und das Rheinland, aber auch in München soll der Ausstand zwei volle Tage dauern. Bereits heute gingen U-Bahn und Tram nicht in Betrieb, außerdem fuhr nur etwa jeder zweite Bus.

"Jahrhundertprojekt": Taktfahrplan im Bahnverkehr erst 2070?

Dass die Mobilitätswende unter Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) insgesamt stiefmütterlich behandelt wird, ist ein mehr als offenes Geheimnis: Wie am Donnerstag bekannt wurde, soll im Bahnverkehr die ursprünglich für 2030 geplante bundesweite Umsetzung des Taktfahrplans erst 2070 abgeschlossen sein.

Der Deutschlandtakt werde "in den nächsten 50 Jahren als Jahrhundertprojekt" umgesetzt, sagte Verkehrs-Staatssekretär Michael Theurer laut einem ZDF-Bericht am Donnerstag. Was er und Wissing beruflich machen, fragten sich daraufhin viele.

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