Klimatismus und der Mythos vom 97%-Konsens
- Klimatismus und der Mythos vom 97%-Konsens
- 2. IPCC: Plattform für alle Meinungen oder Replikator der herrschenden Meinung?
- 3. Interventionen der Mindermeinung
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In der Öffentlichkeit wird fast ausnahmslos von der These vom nahezu 100%igen Konsens der Klimawissenschaftler zum nahezu 100%ig anthropogen verursachten Temperaturanstieg ausgegangen
Die politische Grundsatzentscheidung zur Dekarbonisierung der Gesellschaft sowie erste folgenschwere Umsetzungsmaßnahmen sind beschlossen. Diese sukzessiv weiter zunehmenden politischen Akte greifen fundamental ein in die Lebensweise und Arbeit der Menschen sowie die Produktionsweise der Wirtschaft.
Diese klimatologisch begründete Total-Transformation der Gesellschaft wird aus Gründen gesellschaftlicher Akzeptanz, politischer Stabilität und wirtschaftlicher Investitionssicherheit medial wie politisch ganz wesentlich gestützt auf die Argumentationsfigur eines überragenden Konsenses unter den Klimawissenschaftlern. Dieser soll dem staatlichen Handeln Legitimität verschaffen. Und so kursiert in weiten Teilen der Bevölkerung die Vorstellung, dass alle Klimawissenschaftler, mindestens aber 97% sich einig darin sind, dass der registrierte Anstieg der Lufttemperatur ausschließlich oder doch sehr weit überwiegend von den Menschen verursacht wird. Einen solchen Konsens gibt es aber tatsächlich nicht.
- Mehrheit und Minderheit im Spiegel der Konsensforschung
- IPCC: Plattform für alle Meinungen oder Replikator der herrschenden Meinung?
- Interventionen der Mindermeinung
1. Mehrheit und Minderheit im Spiegel der Konsensforschung
Eine persönliche Vorbemerkung: Je mehr Informationen im Umlauf sind, desto nützlicher ist häufig eine Verständigung im Kurzformat (damit ist nicht Twitter gemeint). Der zentrale Hinweis auf einen überragenden wissenschaftlichen Konsens, mit dem das Jahrhundertprojekt der aus Klimaschutzgründen notwendigen Transformation der Gesellschaft legitimiert wird, rechtfertigt meines Erachtens eine eingehendere Darstellung.
Das Lesen meines etwas lang geratenen Artikels erfordert daher einige Lesearbeit. Ich hoffe aber, dass der Leser durch einen kleinen Erkenntnisgewinn oder durch Anregung zum Weiterdenken bzw. kritischen Kommentieren meines Textes angemessen entschädigt wird.
Zu Beginn eine kleine Provokation
Ich bin immer wieder erstaunt, mit welchem selbstsicheren Verständnis Politiker und Medienschaffende die CO2-Hypothese in der Öffentlichkeit vertreten. Als ob die dahinterstehenden Daten und Argumentationsfiguren mit ein oder zwei Stunden Lesearbeit aufzusaugen wären. Dazu die kleine Provokation in Richtung Politik: Ich behaupte (mit Nichtwissen), dass maximal fünf Prozent der deutschen Abgeordneten im Bundestag den Synthesis Report, Summary for Policymakers 2014 des IPCC gelesen haben (auch auf Deutsch erhältlich), ganz zu schweigen von der Physical Science Basis 2013 (Beides sind Bestandteile des vom IPCC herausgegebenen Assessment Reports [AR] 2013/2014).
Wieso 5%? Das ist die gewöhnliche parlamentarische Arbeitsteilung: Wer für Außenpolitik zuständig ist, kümmert sich zumindest nicht in besonderem Maße um Steuerpolitik oder Umweltpolitik. Im Umweltausschuss des Bundestages sitzen 39 Parlamentarier. Von insgesamt 709 Abgeordneten sind das 5,5%. In den Fraktionen sind diese Abgeordneten die relevanten Informatoren zu diesem Thema.
Dabei sollten diese fünf Prozent lesenden Politiker noch berücksichtigt haben, dass das Summary for Policymakers nicht die reine Kurzfassung der wissenschaftlichen Expertise des IPCC darstellt, sondern eine deutlich politische Handschrift aufweist. Denn das Summary ist bei der Endabfassung nicht unerheblich von den nationalen staatlichen Umweltdelegationen beeinflusst worden; das IPCC-Plenum, bestehend aus den 195 Mitgliedsstaaten (plus EU), ist das letztentscheidende Gremium. So stellt die Deutsche Meteorologische Gesellschaft 2015 fest: Die Aussagen wurden
im Konsens der Wissenschaftler und der an der Abschlussverhandlung über das ‚Summary for Policymakers‘ beteiligten 196 Delegationen (195 Staaten und die EU) getroffen
Dass, wie von mir angenommen, 95% der Bundestagsabgeordneten die IPCC-Berichte nicht gelesen haben, versteht (verstünde) sich umso weniger bzw. ist umso unverantwortlicher, da die nach gängiger Lesart mit dem Klimawandel verbundenen katastrophalen Auswirkungen für Menschheit wie Natur die verheerenden Folgen der letzten beiden Weltkriege in den Schatten stellen werden.
Die Gefahr, die vom Klimawandel für die Menschheit und den Planeten ausgeht, ist mindestens so groß wie die durch einen (Atom)krieg
sagte der Generalsekretär Ban Ki Moon bereits auf der UN-Generalversammlung 2007 (Hervorh. d. Verf.).
Angesichts einer solchen als realistisch erwarteten Apokalypse, die sogar die Verheerungen eines Atomkriegs in den Schatten stellt, sollte man als Politiker und Medienschaffender schon einige selbstvergewisserte Kenntnis zum Thema haben. Dabei reicht ausdrücklich auch nicht das Studium einiger Wikipedia-Seiten, da man sich auf dieser Plattform überwiegend einseitig auf die Hypothese des weitgehend menschengemachten Klimawandels (Anthropogenic Global Warming/ AGW) kapriziert.
Eine zumindest genügende Themenkenntnis ist umso mehr erforderlich, als dass die Maßnahmen, mit denen man hofft, die Wirkungen des Temperaturanstiegs abzuwenden oder doch abzumildern, die Lebensweise der Menschen in einem nie dagewesen Ausmaß einengen, disziplinieren und vordekretieren werden: Anpassungen bei Essen, Trinken, Kleidung, Wohnen, Bauen, Heizen, Urlaub, Verkehr/Antriebe/Tempo, Handel, Industrieanlagen, Landwirtschaft, Produkte etc. sind zwangläufig.
Dagegen sind die aktuellen Maßnahmen zur Eingrenzung der Corona-Pandemie vergleichsweise ein Klacks - und schon da gibt es bei den ergriffenen Maßnahmen Unstimmigkeiten, Ungeeignetheit und Unruhe. In diesem Tenor formulierte auch Bundeskanzlerin Merkel am 13.09.2020: eine wirklich umfassende Transformation betreffe auch nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltige Mobilität. Es gehe um tiefgreifende strukturelle Anpassungen in den Volkswirtschaften. Betroffene Beschäftigte, deren Jobs wegfielen, dürften nicht allein gelassen werden. Wirtschaftliche und soziale Härten eines klimafreundlichen Strukturwandels müssten abgemildert werden.
Da so fundamental viel von der sicheren Erkenntnis der Ursachen des Klimawandels und der Geeignetheit und Notwendigkeit der Gegenmaßnahmen abhängt, ist medial wie politisch drastische Komplexitätsreduktion absolut unangebracht, die da lautet: 97% der Klimawissenschaftler sind sich einig, dass wir zu viel CO2 emittieren, dadurch reichert sich dieses in der Atmosphäre an, dadurch steigt die Lufttemperatur, dadurch schmelzen wiederum die Eis- und Gletscherflächen ab, die bislang einen Teil der Sonnenenergie reflektiert haben, nun aber zusätzlich die Erde aufheizen. Folgen für den Fall des Nichthandelns sind ein Temperaturanstieg von bis zu 5°C, Meeresspiegelanstieg, Hitze, Kälte, Stürme, Wolkenbrüche, Ernteausfälle, Überschwemmungen, Massensterben von Menschen/Tieren/Pflanzen, interkontinentale Fluchtbewegungen, Kriege. - Das ist, wenn auch versimpelt, der Kern der Argumentationsreihenfolge.
Anders als bei der Corona-Pandemie, wo die Politiker eigene lebensweltlichen Erfahrungen (z.B. Influenza) und gewisse erfahrungsgestützte Erklärungsmuster haben, sind diese bei Ursachen und Wirkungen des Klimawandels Fehlanzeige. Denn bei Klima und seinem Wandel handelt es sich um ein im Wesentlichen abstraktes theoretisches Erklärungsmodell, das auf langfristige Trends von mehr als 30 Jahren Bezug nimmt (subjektive Wahrnehmungen wie "es ist dieses Jahr viel heißer/stürmischer/trockener" betreffen Wetter, nicht Klima).
Mit der steigenden Macht der Wissenschaft und damit auch deren Verantwortung steigt zugleich die Abhängigkeit der Politik. Selbstvergewisserung und das Beiziehen verschiedener wissenschaftlicher Standpunkte sollten Standard sein ebenso wie das Unterlassen von unangemessenen Dramatisierungen des Themas, um mittels Angsterzeugung die notwendige Zustimmung zum politischen Maßnahmenkatalog zu finden.
Wenn es um so viel geht, sollte man sich nahezu absolut sicher sein und alle noch bestehenden Bedenken bzw. Gegenstimmen sollten öffentlich, nachvollziehbar und methodisch korrekt widerlegt werden/worden sein und eben nicht mit dem Etikett der Unbeachtlichkeit aufgrund kleiner Anzahl ausgegrenzt werden. Denn anders herum gedacht: Es wäre für Wissenschaft und Politik ein kaum auszudenkendes Desaster, sollten in den nächsten 10 bis 20 Jahren trotz steigender oder gleichbleibender CO2-Emissionen - wider allen wissenschaftlichen Erwartens - die Temperaturen gleich bleiben oder sogar sinken.
Herrschende Meinung in Politik, Medien und Gesellschaft
Minderheiten, Regierungskritiker und Dissidenten genießen auf verschiedenen Handlungsfeldern hohes Ansehen bei Politik und Medien. Ethnische und sexuelle Minderheiten sowie Regierungskritiker z.B. in Russland und China können sich breiter publizistischer Aufmerksamkeit und politischer Fürsorge sicher sein. Anderes aber erfahren solche Minderheiten und Kritiker, die sich gegen den zu Hause herrschenden politischen Mainstream positionieren.
Während für legitime Minderheiten mindestens Minderheitenschutz gefordert wird, werden im Fall von Mainstreamkollision mit Verweis auf die Mehrheit (Wir sind die Vielen!) Auftrittsplattformen für sog. Klimaskeptiker in Medien, Universitäten und Konferenzen versagt. Galt in früheren Zeiten noch das hohe Lied vom Meinungspluralismus und musste selbst bei sog. Totschlagsargumenten immerhin noch argumentiert werden, so genügen heute bereits Totschlagsetiketten: Lügner, Leugner, Idioten, rechts, konservativ, Nazi, Spinner und Verschwörungstheoretiker. Statt unbequeme Argumente überhaupt emotional zu ertragen, also anzuhören bzw. zu lesen, sie zu tolerieren und sich zur sachlichen Auseinandersetzung bereit zu erklären, werden mit Verweis auf die allein korrekte herrschende Meinung Minderheitsmeinungen ausgegrenzt, gecancelt und gelegentlich auch digitale Vernichtungsfeldzüge unternommen. Der Auftritt wird auf ethischer Basis noch angereichert mit dem Habitus der moralisch allein akzeptablen Haltung in Sachen Klimaschutz, denn alle anderen nehmen Bedrohung und Tod von Mensch und Tier moralisch gewissenlos billigend in Kauf. Sobald Moral die Auseinandersetzung dominiert, gibt es nur Gut und Böse, aber keine Diskussion mehr. Auch scheint unter diesen Bedingungen die sonst gut geheißene Idee vom herrschaftsfreien Diskurs dort ihr Ende zu finden, wo es um die Erlangung und Erhaltung von Machtpositionen geht, kraft derer man das für richtig und wahr Gehaltene von oben nach unten durchsetzen kann.
Woher kommt beim Thema Klima die Feststellung einer herrschenden Meinung mit der Ausgrenzungsfolge für die angeblich wissenschaftliche Minderheit? In der Klimadebatte bildet die Basis der hier anzutreffenden Cancel Culture der Verweis auf die 97 % der Wissenschaftler, die sich über den anthropogen verursachten Klimawandel einig sein sollen. Da können und dürfen die lächerlichen drei Prozent keine Rolle mehr spielen. Und vor allem, jetzt wo sich die Politik zumindest einiger Länder unzweideutig auf die Umkehrung der Karbonpolitik festgelegt hat, darf das laufende Transformationsgeschäft nicht durch Störenfriede kaputt gemacht werden. Auch das Bundesumweltministerium stützt sich auf diese angeblich nahezu 100%ig geschlossene wissenschaftliche Denkgemeinde (dort zur: Nicht mal die Wissenschaft ist sich einig, ob es den menschgemachten Klimawandel überhaupt gibt...).
Ob tatsächlich und weltweit die weit überwiegende Mehrheit der Meteorologen, Atmosphärenphysiker, Geographen, Geologen, physikalischen Chemiker und Ozeanographen die These vom ausschließlich oder doch weit überwiegend anthropogen verursachten Klimawandel teilen, kann für einen Moment dahinstehen. Fakt ist allerdings, dass hier in Deutschland und in den meisten EU-Ländern, in EU-Kommission und -Parlament sowie in der UN sowie in Medien, Parteipolitik und Regierungshandeln und schließlich im Kreis der zitierten und repräsentierten Wissenschaftler das Erklärungsmuster in Form des Anthropogenic Global Warming (AGW)-Modells dominiert. Zumindest medial aufbereitet präsentiert sich damit das Bild einer relevanten Mehrheit der Zivilgesellschaft, die anscheinend mit der herrschenden Klima-Interpretation einverstanden ist - ein Fall kultureller Hegemonie.
Die Konstituierung eines wissenschaftlichen Konsenses
Zum Zweck der Sensibilisierung und Überzeugung der Bevölkerungen und zur Handlungsaufforderung der jeweiligen Regierungen werden bereits seit 1991 öfter im zeitlichen Zusammenhang mit den bislang veröffentlichten fünf Assessment Reports des IPCC (1990, 1995, 2001, 2007, 2013/14) Befragungen relevanter Klimawissenschaftler bzw. Auswertungen von einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen durchgeführt. Deren zentrales Anliegen ist meist die Nachweisführung darüber, dass eine (über-)große Mehrheit der Wissenschaftler bzw. wissenschaftlichen Artikel die AGW-Hypothese bestätigt.
Bislang sind 17 relevante Umfragen oder Artikelauswertungen durchgeführt worden. In den 13 vorliegenden Konsens-Studien, die eine Befragung von Wissenschaftlern durchführten, lag die Grundgesamtheit der Befragten regelmäßig zwischen 400 und 600 mit drei Ausnahmen von 1.868 (Verheggen et.al.), 3.146 (Doran et.al.) und 4.092 (GMU/AMS). In den vier Konsens-Studien, die (lediglich) die Zusammenfassungen (die Abstracts) von einschlägigen Artikeln untersuchten, lag die jeweilige Grundgesamtheit der ausgewerteten Abstracts bei 928, 11.602, 11.944 bzw. 24.210 Abstracts.
Eine große Zahl der in der nachfolgenden Grafik dargestellten Studien erfuhr allerdings aufgrund ihres nicht validen methodischen Vorgehens (Repräsentativität der Stichprobe, fachliche Kompetenz der Befragten, Fragestellung, Interpretation, Aufbereitung etc.) teils sehr heftige Kritik. Ich werde dies an zwei Untersuchungen verdeutlichen. Im zeitlichen Verlauf ist den wie auch immer solide verfassten Untersuchungen eine tendenziell steigende, wenn auch in den Dimensionen uneinheitliche Zustimmung zur AGW-Hypothese zu entnehmen. - Ein 100%iger Konsens, wie 2020 von Powell konstatiert, lässt einen allerdings als Zweifler zurück und es steht zu befürchten, dass bei allem Eifer zum Nachweis des herrschenden AGW-Modells demnächst mit einer Herrschaft von mehr als 100% zu rechnen ist.
Politik eilt dem Erkenntnisfortschritt in der Wissenschaft voraus
Während die vorstehende Grafik offenbart, dass die Debatte in den Klimawissenschaften seit 1991 bis Mitte der 2000er keine eindeutige Bestätigung der AGW-Hypothese geliefert hatte, waren führende Politiker zu diesem Zeitpunkt aber bereits einen Erkenntnisschritt weiter. Schon im Jahr 2006 deklamierte Al Gore in seinem Buch und Film "An Unconviniend Truth": "Die Wissenschaftler schreien jetzt geradezu von den Dächern. Die Debatte ist vorbei! In der wissenschaftlichen Gemeinschaft gibt es darüber keine Debatte mehr."
Für seine Bemühungen um eine Bewusstmachung der Klimakrise und ihrer globalen Gefahren wurde ihm zusammen mit dem Weltklimarat IPCC (vertreten durch Rajendra Pachauri) im Jahr 2007 der Friedensnobelpreis verliehen. Ebenfalls im Jahr 2007, als die Konsensforschung auf 54% AGW-Zustimmung zurückfiel, war auch für den damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki Moon "die Zeit der Zweideutigkeit vorbei. Die Wissenschaft ist klar. Der Klimawandel findet statt. Die Auswirkungen sind real. Die Zeit zu handeln ist jetzt. "
Nachdem 2007 der 4. Sachstandsbericht des IPCC veröffentlicht worden war und die Konsensmessung in Richtung 80% zu klettern begann, betonte im Jahr 2008 Schellnhuber (PIK) - eigentlich ohne Not, denn die Debatte galt ja schon seit 2006 als beendet - : "Mit diesem Bericht [IPCC 2007, d. Verf.] ist die Beweisaufnahme im Indizienprozess abgeschlossen, der Täter ist überführt: Der Mensch verändert das globale Klima. Jetzt können wir noch das Strafmaß - das Ausmaß der Schäden - beeinflussen. " Ebenso im Jahr 2008 musste selbst Joe Biden diesen Befund nochmals bestätigen: "Ich denke, es ist von Menschen gemacht. Ich denke, es ist eindeutig von Menschen gemacht. … Wir wissen, was die Ursache ist. Die Ursache ist von Menschen gemacht. Das ist die Ursache. Deshalb schmilzt die polare Eiskappe. " Dem konnte auch Bundesumweltminister Altmaier im Jahr 2013 nicht widersprechen: "Es gibt keinen vernünftigen Zweifel, dass die Erderwärmung vom Menschen verursacht ist. " Dem stand auch Obama 2015 nicht nach: "Die besten Wissenschaftler der Welt sagen uns alle, dass unsere Aktivitäten das Klima verändern. "
2013 konstatierte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nochmals: "Die Wissenschaft ist klar. Wir sollten keine Zeit mehr mit dieser Debatte verschwenden." Und 2016 wiederholte Ban Ki Moon, obschon er bereits 2007 die absolute Eindeutigkeit der Wissenschaft in Sachen Klimawandel betont hatte, diesen Befund 10 Jahre später nochmals, indem er sagte: "Die Debatte über das Klimaphänomen ist wissenschaftlich und ökologisch vorbei" und fügte hinzu, dass der Einfluss von Leugnern oder Skeptikern des Klimawandels nachgelassen habe.
Immerhin strebte das gemessene Konsensbarometer nach einigem Auf und Ab 2016 wieder nach oben. Yvo de Boer, Exekutivsekretär der Vereinten Nationen, ließ sich 2016 auf der Konferenz des Weltklimarats IPCC in Valencia zu dem Satz hinreißen: "Den Klimawandel zu leugnen und nichts zu tun, um ihn zu bremsen, ist kriminell verantwortungslos". Prof. Praetorius, Mitzeichnerin der Initiative "Scientists for Future", blieb 2019 trotz zwischenzeitlicher Konsens-Rückgänge nur die nochmalige Bestätigung des weltweiten Wissenschaftler-Konsenses übrig: "Die Wissenschaftler sagen an dieser Stelle ganz klar: Es gibt grundlegend und weltweit einen Konsens darüber, dass es einen durch Menschen verursachten Klimawandel gibt."
Die Frage lässt sich nicht vermeiden, was die Notwendigkeit dafür ist, über 30 Jahre hinweg ständig den angeblich vorliegenden Konsens zu reklamieren, wenn es doch so gut wie keine ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Kritiker gegeben hat und gibt? Jetzt, wo wir scheinbar bei 100% Konsens angekommen sind, kann doch eigentlich - rein faktisch - keine Diskussion mehr stattfinden. Wissenschaftlicher Diskussionsstand zum Klimawandel und herrschende politisch-mediale Klimameinung scheinen gelegentlich zu divergieren.
Wie eine 97%-Konsens-Studie die Welt erobert
Ganz besonderes weltweites Aufsehen hat die 2013 von John Cook et.al. publizierte Untersuchung gefunden. Ausschlaggebend dafür war mit der Einbeziehung von 11.944 klimarelevanten Artikeln ihr (formal) außergewöhnlich großer Untersuchungsumfang. In ihr wurde der 97%-Konsens in den Klimawissenschaften zur AGW-Hypothese durch die Auswertung der Artikel von rd. 30.000 Autoren prononciert dargelegt.
John Cook ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Climate Change Communication der George Mason University und forscht in den Kognitionswissenschaften (sic). 2007 gründete er die Web-Seite Skeptical Science, eine gemeinnützige Organisation für naturwissenschaftlichen Unterricht, die von einem globalen Team von Freiwilligen geleitet wird. Cook hat die Studie zusammen mit seinem Team von Skeptical Science durchgeführt. Cook bezeichnet die Untersuchung selbst nicht als ein von Wissenschaftlern institutionell getragenes, sondern als "Citizen Science"-Projekt, das also von interessierten Aktivisten aus dem Team von Skeptical Science durchgeführt wurde (allein deshalb muss sie natürlich nicht falsch sein!).
Dass sich Regierungen und öffentliche Institutionen zur Legitimation ihrer Entscheidungen gegenüber der Öffentlichkeit gerne auf diese äußerst plakative, nicht von einer ausgewiesenen wissenschaftlichen Institution angefertigte Expertise stützen, ist wenig verständlich, zumal ansonsten regelmäßig auf die Notwendigkeit hochwissenschaftlicher Expertise und Peer-Review wert gelegt wird. Es sei denn, sie dient - wie oben erwähnt - ausgezeichnet zur Abstützung des Regierungshandelns und zur Akzeptanzsteigerung in der Bevölkerung.
In seine Untersuchung hat Cook 11.944 Beiträge von insgesamt 29.286 Autoren (oft Autorenteams) aus 1.980 wissenschaftlichen Journalen aus den 21 Jahrgängen 1991-2011 einbezogen. Dabei handelte es sich im Übrigen nicht ausschließlich um Peer-reviewed Articles. Während Cook in Abschnitt "3. Results" von 29.083 Autoren spricht, weist die Untersuchung in der nachfolgenden Tabelle 3, rechnet man die Einzelangaben zusammen, mit 29.286 nun 203 Autoren mehr aus. Für die Bedeutung, die Cook’s Untersuchung weltweit in Politik und Medien zugeschrieben wird, ist allein diese fehlende Akkuratesse unakzeptabel (Peer Review?, rechnet niemand nach?).
Cook untersuchte nur solche Beiträge, die in ihren Zusammenfassungen (Abstracts) die Selektionsbegriffe "globaler Klimawandel" oder "globale Erwärmung" als Auswahlkriterium aufwiesen. Cook kategorisierte den Inhalt der ausgewählten Abstracts in die vier Gruppen: 1. Keine Position zum AGW, 2. Befürwortung des AGW, 3. Ablehnung des AGW, 4. Unsicher über die Ursache.
Danach war mit 7.930 Abstracts in zwei Dritteln (66,4%) aller Abstracts, verfasst von 18.930 nominellen Autoren, keine Aussage zur anthropogenen Klimaveränderung zu entnehmen, obschon in deren Abstracts die Begriffe "globaler Klimawandel" oder "globale Erwärmung" auftauchten. Nominell 10.188 Autoren haben dagegen in den Abstracts von 3.896 Artikeln (32,6%) das AGW-Modell bestätigt. 124 Autoren haben in 78 Abstracts die AGW-Hypothese explizit abgelehnt und 88 Autoren waren sich in 40 Abstracts über die Ursache nicht sicher.
Ausdrückliche Zustimmung | implizite Zustimmung | implizite Ablehnung | ausdrückliche Ablehnung | unsicher | keine Position |
0,5 % | 32,6 % | 0,6 % | 0,1 % | 0,3 % | 66,4 % |
Kurz rekapituliert: Zwei Drittel der Beiträge (66,4 %) enthalten sich - aus nicht nachrecherchierten Gründen - einer Stellungnahme zur AGW-These. Ex- oder implizite Zustimmung erfährt das AGW-Modell nur in einem Drittel aller Abstracts (32,6%).
Auf den weltweit referierten 97%-Konsens kommt Cook nur dadurch, dass er durch einen weiteren Selektionsschritt in einem zweiten Rechengang die 7.930 Beiträge der 18.930 Autoren ohne Position zum AGW in den Abstracts wegfallen lässt und nur die Beiträge bewertet, die eine explizite Aussage zum AGW enthalten. Da von den übrig gebliebenen 4.014 Beiträgen in 3.896 Artikeln der AGW-Position zugestimmt wurde, ergab sich der 97%-Konsens in den Beiträgen und damit auch der Konsens der dahinterstehenden 10.188 Wissenschaftler (von den nach Selektion übrig gebliebenen 11.286 Wissenschaftlern).
Für Cook ist nach eigener Darstellung das wichtigste Ergebnis seiner Analyse, dass die Anzahl der Artikel, die den Konsens über AGW ablehnen, einen verschwindend geringen Anteil der veröffentlichten Forschung ausmacht (gelbe Balken in der Grafik). Folglich wird nach seiner Meinung die These vom anthropogen verursachten Klimawandel von der herrschenden Meinung in den Klimawissenschaften absolut dominant vertreten.
Cook’s Studie ist vielfach in methodischer Hinsicht kritisiert worden. Man muss Cook’s Konsens-Resultat als Produkt mehrfacher Selektionsvorgänge begreifen. Bereits auf der ersten Ebene der Studiendurchführung, der Auswahl der zu begutachtenden Artikel, erfolgten Exklusionen. Die einzubeziehenden Beiträge mussten in ihren Zusammenfassungen (Abstracts) die Begriffe "globaler Klimawandel" oder "globale Erwärmung" als Auswahlkriterium aufweisen. Cook bezieht somit schon im ersten Auswahlschritt von allen zum Klima publizierenden Wissenschaftlern lediglich nur solche wissenschaftlichen Arbeiten ein, die schon in den Abstracts diese beiden Begriffe enthalten. Auch die Konnotation der beiden eingesetzten Selektionsbegriffe weist eine gewisse Nähe zur AGW-Hypothese auf, so dass in den selektierten Kreis an wissenschaftlichen Artikeln eine Überrepräsentanz dieser Denkrichtung nicht auszuschließen ist.
Der Beitragstyp der wissenschaftlichen Arbeiten war im Übrigen auf "Artikel" - mit oder ohne Peer Review - beschränkt, ausgenommen waren Bücher, Diskussionen, Verfahrensunterlagen und andere Dokumenttypen. Allein diese Auswahlgrenzen widersprechen Cook’s Anspruch, ein repräsentatives Ergebnis über den Diskussionsstand in den Klimawissenschaften abgebildet zu haben.
Schließlich ist das Interpretationsschema, mit dem Cook die Abstracts auf inhaltlich "implizite" Zustimmung zum AGW ausgewertet hat, keineswegs zwingend. So gilt etwa folgende Formulierung als implizite AGW-Befürwortung: "...carbon sequestration in soil is important for mitigating global climate change." [ Die Kohlenstoffbindung im Boden ist wichtig, um den globalen Klimawandel einzudämmen.] "Globaler Klimawandel" ist aber nicht gleichbedeutend mit "anthropogen verursachtem Klimawandel."
Als Muster für eine "explizite" AGW-Zustimmung führt Cook als Beispiel folgenden Satz an: "Emissions of a broad range of greenhouse gases of varying lifetimes contribute to global climate change." [Die Emissionen einer Vielzahl von Treibhausgasen unterschiedlicher Lebensdauer tragen zum globalen Klimawandel bei.] Da der weitaus größte Teil aller Treibhausgas-Emissionen natürlichen Ursprungs ist, ist Cook’s Musterformulierung viel zu indifferent, als dass sie zwangsläufig als Zustimmung zum anthropogen verursachten Klimawandel verstanden werden kann. Und wie gesagt, diese unscharfen Formulierungen für ex- und implizite AGW-Zustimmung bildeten nur ein entsprechend unscharfes Interpretationsmuster, anhand dessen dann in der Untersuchung andere Formulierungen in den Abstracts als explizite Zustimmung gewertet wurden.
Der fragwürdigste Untersuchungsschritt war, dass Cook zu dem Ergebnis eines 97%-Konsenses nur gelangt, indem er 66% der Artikel und damit rd. 19.000 Klimawissenschaftler unter den Tisch fallen lässt, weil sie in ihren Abstracts - trotz darin auftauchender Begriffe wie "globaler Klimawandel" oder "globale Erwärmung" - keine ex- oder implizite Stellung zur AGW-Hypothese bezogen haben. Dieses Vorgehen ist methodisch angreifbar, denn die 18.930 Autoren ohne ex- oder implizite Stellungnahme zum AGW-Modell - in den Abstracts - werden mit allergrößter Wahrscheinlichkeit dazu eine dezidierte Meinung gehabt haben. Unter Umständen war die Bestätigung der AGW-These in den Abstracts für die jeweiligen Beiträge entweder thematisch nicht relevant (da es z.B. rein physikalisch-chemisch um Wolkenbildung ging) oder sie war möglicherweise im eigentlichen Text des Beitrags enthalten. Das hätte recherchiert werden müssen. Der Ausschluss dieser rd. 8.000 Beiträge und damit die Meinung von rd. 19.000 Autoren beinhaltet daher eine elementare Verzerrung des Ergebnisses. Schließlich geht es doch um die Ermittlung eines Konsenses unter den Klimawissenschaftlern, bei dem man nicht der Einfachheit halber zwei Drittel der Autoren unberücksichtigt lassen kann. So aber rechnet Cook mit nur noch 4.014 (33%) der insgesamt 11.944 Beiträge. Dadurch erhält er bei 3.896 Beiträgen mit AGW-Zustimmung die weltweit meist zitierte Prozentzahl von 97,1 %.
Kritisch zu sehen ist auch die von Cook deklarierte nominelle Anzahlt von 29.286 Autoren. Der Zahl ist nicht zu entnehmen, ob Artikel in den berücksichtigten 21 Jahren von 1991 bis 2011 naheliegenderweise zum Teil auch von denselben Autoren verfasst wurden. Gegenüber der nominellen Autorenzahl von 29.286 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die effektive Gesamtzahl der Autoren daher deutlich darunter liegen. Eine kursorische Überprüfung des in Cook’s Veröffentlichung hinterlegten Data file ergab immer wieder Mehrfachnennungen von Namens-Vornamens-Kombinationen. Wenn weltweit nur 1.500 Autoren in 21 Jahren pro Jahr einen Artikel veröffentlichen, ergibt das bereits 31.500 Beiträge. Das ist keine Lappalie, denn es geht bei dem Statement zum 97%-Konsens am Ende nicht um die Zahl wissenschaftlicher Beiträge, sondern um die Zahl der Wissenschaftler, denn an deren Zahl wird ein herrschender Konsens gemessen. Daraus folgt, dass auch die von Cook angegebene nominelle Zahl von 10.188 Autoren, die die 3.896 Artikel mit AGW-Zustimmung verfasst haben, nicht die effektive Zahl wiedergibt.
Mehr als 100% geht nicht
Ähnlich wie Cook untersuchte Powell in seiner 2015er-Studie Artikel aus den Jahren 2013 und 2014 sowie in seiner letzten Studie aus dem Jahr 2020 Artikel aus den ersten sechs Monaten des Jahres 2019. Während Cook aus den Veröffentlichungen aus 21 Jahren lediglich 11.944 Artikel mit den Key-Wörtern "globaler Klimawandel" oder "globale Erwärmung" selektieren konnte, gelang es Powell, durch zusätzliche Aufnahme des Begriffs "Klimawandel" allein für die zwei Jahre 2013/14 ganze 24.210 Artikel und für die sechs Monate in 2019 stattliche 11.602 Artikel herauszufiltern.
Das Ergebnis eines 99,99%-Konsenses seiner ersten Studie ermittelte er dadurch, dass er die Abstracts ausschließlich danach durchsuchte, ob darin eine dezidierte Ablehnung der AGW-These erfolgte. Soweit das nicht der Fall war, also zu 99,99%, interpretierte er das lapidar als Zustimmung zum AGW. Es kann aber methodisch nicht sicher angenommen werden, dass ein Abstract, das diesen Konsens nicht ausdrücklich ablehnt, ihn zwangsläufig befürwortet. Die zweite Powell-Studie, die den 100%-Konsens liefert, basiert nach Powells eigenen Angaben nur auf der Analyse der Überschriften, ob sie das AGW entschieden ablehnen. Da er keine entsprechende Überschrift fand, gab es 100% Zustimmung. (siehe dazu die vernichtende Kritik von re:look climate). Wohlweislich wird auf diesen wissenschaftlichen Witz in Politik und Medien meist nicht (ernsthaft) Bezug genommen. Peinlich ist, dass das deutsche Bundesumweltministerium sich aber auf diese Studie bezieht:
Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass rund 99 Prozent der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die Fachaufsätze zum Klimaschutz veröffentlichen, der Überzeugung sind, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht ist.
Alle vorgenannten Aspekte zeigen die Schwierigkeiten auf, die generell bei einer Konsens-Ermittlung im Wege von Literaturrecherchen bestehen. Ein anderer Weg ist die direkte Befragung der Klimawissenschaftler (wobei hier Probleme eigener Art entstehen können).
Dezimierte Mehrheit: Nur 66% befürworten AGW-Hypothese
Etwas seriöser geht eine Studie von Verheggen et al. aus dem Jahr 2014 mit der Eruierung eines Klimakonsenses im Wege einer Meinungsumfrage um. Verheggen et al. befragten 6.650 Wissenschaftler, die in der Vergangenheit einschlägig wissenschaftlich publiziert hatten. Bei einer Rücklaufquote von 28% wurden 1.868 Fragebögen zurückgegeben, von denen jedoch nicht alle vollständig ausgefüllt waren, so dass einige Fragen nur von 1.620 beantwortet wurden. Im Umkehrschluss konnte die Meinung von 4.782 (72%) einschlägig publizierender Wissenschaftler nicht ermittelt werden.
Konsens nach qualitativen Kriterien
In qualitativer Hinsicht wurde gefragt, ob seit Beginn der Industrialisierung anhand der Kategorien "stark, moderat oder leicht" eine anthropogen verursachte Erwärmung stattgefunden hat bzw. "eine nur unbedeutende Erwärmung oder Abkühlung". Antwortmöglichkeiten waren auch "der Effekt ist unbekannt" und "ich weiß nicht". Zudem teilten Verheggen et. al. Die Befragten nach der Zahl ihrer im Zeitraum 1991-2010 erfolgten Veröffentlichungen in vier Gruppen ein, sozusagen in Reputations- oder Glaubwürdigkeitscluster.
Hinweis: die folgenden Prozentangaben sind aus den Grafiken von Verheggen abgeleitet, bei denen die Höhe der einzelnen Positionen nur durch Markierungen im Kurvenverlauf (Rechteck, Dreieck etc.) gekennzeichnet ist. Deren zahlenmäßige Höhe kann nur durch Abgleich mit der Prozentskala auf der Y-Achse bestimmt werden. Die hier angegebenen Werte sind daher als gute Näherung zu verstehen.
Eine seit Beginn der Industrialisierung um 1850 "starke" anthropogen verursachte Erwärmung mittels THG diagnostizieren mit 64% knapp zwei Drittel von allen 1.868 befragten Klimawissenschaftlern - ein deutlich niedriger Anteil als die besagten 97% von Cook. Und umgekehrt: Gut ein Drittel (33,5%) aller Befragten halten den THG-Temperatureinfluss für unbedeutend oder gering bis moderat.
Verheggen et. al. differenzieren im Übrigen nach der Anzahl der von den Wissenschaftlern publizierten Artikel. Danach steigt mit der Zahl der Veröffentlichungen die Qualifizierung des anthropogenen Beitrags als "stark" (bei 0-3 Veröffentlichungen: 56%; 4-10: 61%; 11-30: 67%; 31-300: 73%). Die Botschaft soll wohl lauten: Je mehr verfasste Publikationen und damit Renommee, desto größer der Anteil der Befragten, die die anthropogen verursachte Erwärmung als stark einschätzen.
Dabei spricht die Publikationszahl nicht zwangsläufig für einen höheren Wahrheitsgehalt der Meinung der Viel-Publizierer, sondern ggfs. nur für eine längere Verweilzeit im Wissenschaftsbetrieb oder für ein höheres Umweltschutz-Engagement, das zwecks Warnung vor der Katastrophe öfter zur Feder greifen lässt. Umgekehrt wird der Aussage eines jungen Wissenschaftlers, der etwa erst 2007 mit Publikationen begonnen hat, ohne nähere Begründung qua geringerer Reputation eine geringere Relevanz zugeschrieben.
Cook’s "97%" werden jedenfalls sogar von den besonders renommierten Wissenschaftlern in der Verheggen-Studie, die (nur) zu 73% eine starke anthropogene Erwärmungswirkung seit 1850 diagnostizieren, deutlich unterschritten.
Konsens nach quantitativen anthropogenen Einflussgrößen
Diese lediglich qualitativen Merkmale sagen allerdings nichts konkret darüber aus, ob nach Meinung der befragten Wissenschaftler die Menschen den Temperaturanstieg seit der Industrialisierung z. B. mehr oder weniger als 50% oder sogar zu 100% zu verantworten haben. Daher fragten Verheggen et. al. in quantitativer Hinsicht - jetzt allerdings wie das IPCC beschränkt auf den Zeitraum seit 1950 - nach dem quantitativen Anteil an der globalen Erwärmung, der auf die Erhöhung der anthropogenen Treibhausgaskonzentrationen zurückzuführen ist.
Auch diese Ergebnisse widersprechen Cook’s Analyse diametral: Denn rd. 23%, also fast ein Viertel der hier 1.868 Befragten antworten explizit, es nicht zu wissen oder halten den prozentualen THG-Beitrag zur Erwärmung für nicht bekannt. Dieses Ergebnis ist besonders bemerkenswert angesichts der Schlagzeilen "97% sind sicher, dass der Mensch zu 100% verantwortlich ist". Umgekehrt konstatieren also von den befragten Wissenschaftlern rd. 78% lediglich im Grundsatz einen anthropogenen Erwärmungsbeitrag, im Einzelnen lag die Spanne auf so unterschiedlichen Feldern wie "unter 25%" oder sogar "mehr als 100%".
Konkret halten 7% der Befragten den anthropogenen Erwärmungsbeitrag für unter 25% und ca. 5% schätzen ihn auf 26-50%. Etwa 17% veranschlagen ihn auf 51-75% und für 32% liegt der Einfluss bei 76-100%. Unter Berücksichtigung, dass die THG-Erwärmungswirkung durch Aerosole etc. abgemildert wird und die eigentliche THG-Wirkung - für sich betrachtet - höher liegen kann, gehen ca. 17% der Befragten von einer über 100% liegenden Wirkung aus.
In dieser Studie wird damit ein 100%-Erwärmungsbeitrag nur von etwa 30% der Wissenschaftler unterstützt. Nur ein Teil (geschätzt etwa die Hälfte) der 32%, die von einer anthropogenen Wirkung zwischen 76-100% ausgehen, können wegen der Spanne den 100% zugeschlagen werden, also 16% sowie die 17% mit größer 100%.
Bezieht man die Gruppe mit einem Erwärmungsbeitrag in der Spanne von 76-100% vollständig mit ein, diagnostiziert mit 49% (32% + 17%) auch nur etwa die Hälfte der Wissenschaftler einen sehr starken anthropogenen Beitrag im Sinne von mehr als 75%.
Legt man die Konsens-Gruppe nochmals breiter an und bezieht auch die Autoren mit ein, die den anthropogenen Erwärmungsbeitrag für zumindest größer als 50% halten, teilen diese Einschätzung lediglich 66% aller Befragten. Rd. 35% der Befragten taxieren ihn auf unter 50%.
Das Ergebnis bis hierher:
- 33% der Befragten schätzen einen nahezu 100%igen anthropogenen Erwärmungsbeitrag,
- 49% der Befragten beurteilen ihn als stark im Sinne von mehr als 75% und
- 66% der Befragten verorten ihn als oberhalb von 50%.
Konsens-Vergrößerung durch Verkleinerung des Befragtenkreises
Das bisherige Konsens-Ergebnis der Verheggen-Studie ergibt nach allem noch keine weit überwiegende herrschende Meinung zur AGW-Hypothese im Sinne von 97% der Wissenschaftler sehen einen fast 100%igen anthropogenen Beitrag zur Erwärmung. "Qualitativ" machen 64% und "quantitativ" 66% bekanntermaßen noch keinen überwältigenden Konsens. Es sei denn, man schafft durch Ausschluss und Zusammenlegung verschiedener Positionen ein neues Interpretationsraster, so auch Verheggen.
Aus den beiden qualitativen (THG-Wirkung seit Industrialisierung) bzw. quantitativen Antworten (THG-Erwärmungsanteil seit 1950) leiten Verheggen et. al. die Bestimmung eines Konsenses unter den Wissenschaftlern ab. Die Antworten zu den beiden Fragestellungen werden jeweils zu drei Kategorien zusammengefasst: 1. Übereinstimmung im Sinne Konsens, 2. Meinungsverschiedenheiten und 3. Unbestimmt.
Bei den qualitativen Antworten ("geringe" etc. Erwärmungswirkung) interpretieren Verheggen et. al. als "Übereinstimmung", wenn Treibhausgase mit "starker oder zumindest moderater" Erwärmungswirkung seit der Industrialisierung gekennzeichnet wurden. Diesen Befragten zufolge waren Treibhausgase also entweder absolut am stärksten oder relativ am stärksten von allen anderen Faktoren an der globalen Erwärmung beteiligt. In qualitativer Hinsicht stimmen anhand der Ausklammerung der "Unbestimmten" einerseits und inhaltlicher Zusammenfassung der beiden Positionen andererseits etwa 86% der Befragten, die eine Einschätzung vornehmen, darin überein, dass die Erwärmung moderat bzw. stark treibhausgas-getrieben ist (von den Viel-Publizierern sogar 92%). Ca. 14% stimmen mittels dieses Bewertungsschemas einer moderaten bis starken THG-Wirkung nicht zu.
Die Antwort keine Erwärmung wurde in die Kategorie "Meinungsverschiedenheit" aufgenommen. Verheggen et. al. wählten in dieser Phase im ersten Schritt also nur die Befragten aus, die eine konkrete Schätzung abgegeben haben. Damit fallen rd. 220 Stimmen weg, so dass aufgrund der kleineren Grundgesamtheit sich die Zustimmungsquoten der verbliebenen Gruppen erhöhen. So steigt unter dieser Selektionsbedingung aufgrund der verkleinerten Grundgesamtheit beispielsweise die Quote derjenigen, die den anthropogenen Beitrag zwischen 75 und 100% liegen sehen, von 32% auf jetzt 41%.
Im zweiten Interpretationsschritt kumulieren Verheggen et. al. die drei Positionen Erwärmungsbeitrag 51-75%, 76-100% und größer als 100%, um dadurch die maßgebliche, einen Konsens dokumentierende Gruppe zu definieren. Die Gesamtquote derer, die den Beitrag oberhalb von 50% liegen sehen, steigt somit unter dieser Bedingung von 66% auf rd. 84% anthropogenem Erwärmungsbeitrag seit 1950. Es kommt daher für das, was man gerne präsentiert sehen möchte, immer auf die Auswahl an.
Erst durch Ausschluss von 22% der mit "ich weiß nicht" oder "unbekannt" antwortenden Wissenschaftler und damit durch Verkleinerung der Grundgesamtheit können Verheggen et.al. in quantitativer Hinsicht sowie durch die Zusammenfassung der drei Gruppen (51-75%, 76-100%, größer 100%) einen Wissenschaftlerkonsens von 84% behaupten.
So ergibt sich aus Exkludieren und Kumulieren in quantitativer Hinsicht ein Konsens von etwa 84% über die Treibhausgas-getriebene Erwärmung seit 1950 im Sinne "größer 50%". (Viel-Publizierer schätzen den anthropogenen Beitrag auf 91%.) Dieser Konsens lautet daher ausdrücklich nicht, dass die überwiegende Zahl der Befragten den Erwärmungsbeitrag auf ca. 100% veranschlagt. Sondern dieser Konsens beinhaltet eine Schwankungsbreite von immerhin deutlich mehr als 50% Prozentpunkten (von 51% bis nennenswert mehr als 100%).
Das nachfolgende Diagramm zeigt zusammenfassend die verschiedenen Konsensstufen zum Beitrag der anthropogenen THG-Emissionen auf die konstatierte Erwärmung der globalen mittleren Oberflächentemperatur, und zwar qualitativ seit Beginn der Industrialisierung 1850 und quantitativ seit 1950.
In quantitativer Hinsicht, die einzige präzise Kenngröße für den menschlichen Erwärmungsbeitrag, ist der von Verheggen ermittelte 84%-Konsens äußerst kritikwürdig. Allein 22% konnten zum quantitativen Anteil keine Größenangabe machen, was bedeutet, dass der Konsens nach Adam Riese - ohne weitergehende Uminterpretation - grundsätzlich nicht größer als 78% ausfallen kann.
Wenn man schon verschiedene Antwortgruppen zu Konsensgruppen zusammenfasst, sollte sich meines Erachtens die Konsensbestimmung auf die Grundgesamtheit aller Antwortenden beziehen. Das bedeutet, dass die 23% der Befragten mit der Antwort "unbekannt", "weiß nicht" etc. unbedingt mit einbezogen werden müssen. Denn hier wird von den Wissenschaftlern nicht - wie bei Cook - "keine Position" bezogen, sondern hier geben einschlägig mit der Klimamaterie befasste und dazu auch publizierende Wissenschaftler dezidiert eine inhaltliche Stellungnahme ab.
Die Antwortmöglichkeit "ich weiß nicht" kann im vorliegenden Fall nicht beinhalten "ich bin als Klimawissenschaftler uninformiert", sondern nur so viel bedeuten wie "trotz meiner wissenschaftlichen Kenntnislage kann ich eine Prozentspanne zum anthropogenen Erwärmungsanteil nicht angeben, dazu ist mir die Sachlage noch zu unsicher." Die Antwortkategorie "ist unbekannt" (nicht: ist mir unbekannt) kann für einen mit der Sache befassten Wissenschaftler auch nur bedeuten, dass dem Befragten ein allgemein akzeptierter bestimmter Erwärmungsanteil bisher nicht zur Kenntnis gelangt ist; dafür spricht allein schon das oben geschilderte recht gespreizte Antwortverhalten, das eben keinen bestimmten allgemein akzeptierten anthropogenen Beitrag offenbart.
Selbstverständlich kann man in einer statistischen Auswertung separate Cluster bilden (etwa die Viel-Publizierer), aber man kann nicht, jedenfalls nicht in einer Analyse zum Konsens einer Grundgesamtheit von Wissenschaftlern, die sich allesamt explizit fachlich äußern, ganze Befragtengruppen wegfallen lassen. Um ein Beispiel zu geben: Wenn die erwachsenen Deutschen von 18 bis 80 Jahren nach ihrer Meinung zum Thema XY befragt werden, kann man bei hinreichender Gruppengröße Cluster der 18-30jährigen, 31-50jährigen, 51-60jährigen und 61-80jährigen bilden und deren Antworten separat beleuchten. Will man aber einen weit überwiegenden Konsens aller Befragten ermitteln, kann man die 18-30jährigen nicht deshalb wegfallen lassen, weil sich dann ein besserer Konsenswert einstellt.
Abschließend kann also festgehalten werden: Der von Verheggen et.al. im Wege des Exkludierens und Kumulierens konstatierte Konsens, dass 86% den anthropogenen Erwärmungsbeitrag seit 1850 qualitativ als moderat bis stark einschätzen und 84% den anthropogenen Erwärmungsbeitrag seit 1950 quantitativ als größer als 50% beziffern, ist nicht wirklich solide überzeugend. Vertretbar ist meines Erachtens die Annahme eines Konsenses aller befragten Wissenschaftler in Höhe von 66%, die eine überwiegend vom Menschen verursachte Temperaturerhöhung grundsätzlich bejahen. Diese Konsensgruppe verortet inhaltlich den konkreten anthropogenen Anteil aber sehr weit gespreizt zwischen 51% und (sogar) größer 100%.
Bestätigung der dezimierten Mehrheit: Konsens nur von 67%
Eine neuere Umfrage aus dem Jahr 2016 unter Mitgliedern der American Meteorological Society (AMS) zum Klimawandel, durchgeführt von der George Mason University und AMS, bestätigt den Trend von Verheggen et. al. (dort das unbereinigte Ergebnis mit 66% vor Selektion und Kumulation). Insgesamt nahmen 4.092 AMS-Mitglieder teil, wobei die Teilnehmer sich aus den USA und international rekrutierten. Die Teilnahmequote an der Umfrage betrug 53,3%. Die meisten Befragten haben einen Bachelor/BS (32%), einen Master/MS (30%) oder einen Doktortitel/PhD (33%) in Meteorologie / Atmosphärenwissenschaften. Andere häufig gemeldete Abschlüsse sind BS (17%), MS (10%) oder Doktor (12%) in einem anderen STEM-Feld (science, technology, engineering and mathematics).
Eine große Mehrheit der AMS-Mitglieder gab an, dass menschliche Aktivitäten mindestens einen Teil der Klimaveränderungen in den letzten 50 Jahren verursachen. Allerdings nur 29% glauben, dass die Veränderung weit überwiegend oder vollständig (d. h. 81 bis 100%) aufgrund menschlicher Aktivität entstanden ist. 38% schätzen, dass der überwiegende Teil (d. h. 61 bis 80%) der Veränderung vom Menschen verursacht wird. 14% nehmen an, dass die Veränderung mehr oder weniger gleichermaßen durch menschliche Aktivitäten und natürliche Ereignisse verursacht wird; 7% glauben, dass die Veränderung hauptsächlich durch Naturereignisse verursacht wird. Umgekehrt denken 5%, dass die Veränderung größtenteils oder vollständig durch Naturereignisse verursacht wird und 6% sagen, dass sie es nicht wissen, und 1% erkennt keinen Klimawandel.
Fasst man die zwei Positionen mit einem anthropogenen Ursachenbeitrag von mehr als 60% zusammen, hält eine Gruppe von 67% der befragten Meteorologen den Klimawandel weit überwiegend für anthropogen verursacht. Dies liegt auf der Höhe der (unbereinigten) 66% von Verheggen et.al..
Auf die Frage, ob der zusätzliche Klimawandel in den nächsten 50 Jahren im Falle weltweit ergriffener Minderungsmaßnahmen abgewendet werden kann, antworten nur 18%, ein großer Teil bzw. der gesamte zusätzliche Klimawandel kann abgewendet werden. Dagegen glaubt der relativ größte Teil der Befragten (42%) an eine moderate Abschwächung bzw. 25% an eine geringe Reduzierung. Nur 9% denken, dass der zusätzlicher Klimawandel nicht abgewendet werden kann und 6% sagen, dass sie es nicht wissen.
Wenn sich zwischenzeitlich ein anderer, höherer Konsens - als in den beiden letzten Studien präsentiert - gebildet haben sollte, wäre es meiner Meinung nach Aufgabe der politisch verantwortlichen Entscheidungsträger, die ihre Transformationsentscheidung mit den daraus folgenden Maßnahmen doch gerade auf einen hohen Konsens in der Klimawissenschaft abstützen wollen, eine wissenschaftlich objektive, repräsentative und transparente Konsensstudie selbst in Auftrag zu geben. Diese könnte dann auch Grundlage einer parlamentarischen Klärung bilden. Solche Wunschvorstellungen gehen allerdings an den Realitäten vorbei.