Klimawandel: Was hat ExxonMobil gewusst?
Energie und Klima – kompakt: Klimawissenschaftler haben alte Unterlagen des Öl-Konzerns unter die Lupe genommen. Sie haben Erstaunliches zu Tage gefördert. Und: Was Science-Fiction-Autor Asimov schon in den 1970ern forderte.
Die Diskussion über den Treibhauseffekt und Einfluss der CO₂-Emissionen aus industriellen Prozessen, Entwaldung und vor allem dem Verbrennen von Kohle, Erdgas und Erdölprodukten ist wahrlich nichts Neues, wie wir auf Telepolis schon des Öfteren klargemacht und belegt haben – zuletzt vorgestern. Auch die wichtigsten Verursacher, die großen Öl- und Energiekonzerne, haben seit langem von den Gefahren gewusst.
Das belegt einmal mehr eine letzte Woche im Fachblatt Science erschienene Studie, in der diverse Dokumente US-amerikanischer Öl-, Kohle- und Stromkonzerne von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der US-amerikanischen Universität Harvard und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) analysiert wurden. Ergebnis: Ölkonzerne wussten schon seit den 1950er Jahren, dass da auf die Menschheit ein Problem zukommt, Kohlekonzerne spätestens seit den 1960er Jahren.
Insbesondere die Wissenschaftler von ExxonMobil, auf deren Papiere sich die Autorinnen und Autoren konzentrierten, habe seit den späten 1970ern die globale Erwärmung "korrekt und fachkundig" vorhergesagt. Statistische Analysen zeigten, dass 63 bis 83 Prozent der Klimaprojektionen des Konzerns richtig gewesen seien und die inzwischen eingetretene Erwärmung korrekt vorhergesagt haben.
Die internen Analysen von Exxon beziehungsweise später ExxonMobil hätten genau prognostiziert, wann die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zum ersten Mal in den Messdaten festgestellt werden würde. Sogar das sogenannte Kohlenstoffbudget, das noch emittiert werden darf, wenn die Erwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau beschränkt werden soll, sei realistisch abgeschätzt worden, heißt es in einer PIK-Presseerklärung. Ko-Autor Stefan Rahmstorf, der seit langem am PIK forscht, stellt fest:
Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein "kohlendioxidinduziertes Superinterglazial" verursachen würde. Das ist eine Warmzeit, die nicht nur viel wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren. Durch den unaufhörlichen Ausstoß von Treibhausgasen sind wir heute schon weit auf dem Weg dorthin.
In der Öffentlichkeit habe Exxon jedoch lange Zeit etwas ganz anderes behauptet und Kampagnen unterstützt, die die Öffentlichkeit in die Irre führen sollten. In den USA sind daher inzwischen zahlreiche Klagen gegen den Konzern anhängig, die die Autorinnen und Autoren hoffen, mit ihrer Studie unterstützen zu können.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres wies dieser Tage in einer Grußbotschaft an das Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos auf die Vertuschung und Desinformationskampagnen der Konzerne hin.
Wir flirten mit der Klimakatastrophe. Jede Woche bringt eine neue Klima-Horror-Geschichte. Die Treibhausgasemissionen befinden sich auf einem Rekordniveau und wachsen weiter,
… so der UN-Chef. Das alles sei keine Überraschung. Die Wissenschaft sei seit Jahrzehnten klar und auch den Energiekonzernen bekannt gewesen. Doch "einige aus dem großen Ölgeschäft gingen mit Lügen hausieren. Und wie im Falle der Tabakindustrie müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden."
Das gilt übrigens nicht nur für die US-Ölindustrie. In Deutschland finanzierte der Energiekonzern RWE, der im Rheinland im großen Stile Braunkohle abbaut, noch in den 1990ern Werbekampagnen gegen Sonnen- und Windenergie. Diese würden nie viel mehr als zwei Prozent der Stromversorgung abdecken können. Heute sind wir im Jahresdurchschnitt bei 50 Prozent.
Der Braunkohleverband DEBRIV, zu deren Mitgliedern unter anderem RWE und Mibrag gehören und in der fraglichen Zeit als außerordentliche Mitglieder auch Siemens, ThyssenKrupp und andere, leistete sich in den 1990ern Jahren noch Mitarbeiter, deren Aufgabe darin bestand, die Klimawissenschaften mit diversen Publikationen infrage zu stellen, die unter anderem auch in rechten Verlagen veröffentlicht wurden.
Asimov: "Eine technologische Zivilisation in Ruinen"
Dabei sollte man eigentlich meinen, dass ohnehin alles dafür spricht, sich beizeiten aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu lösen, weil diese nicht ewig zur Verfügung stehen werden. Früher oder später ist Knappheit und damit erratische Preisentwicklung absehbar. Effektiver Klimaschutz würde dem vorbeugen.
Im Zusammenhang mit der Frage nach dem, was zu welcher Zeit bekannt war, ist daher auch ein Interview von Interesse, das der einflussreiche und unfassbar produktive US-amerikanische Science-Fiction-Autor Isaac Asimov 1975 gab. In einem hier zu sehenden Ausschnitt spricht er davon, dass er 1933 als Kind Science-Fiction-Geschichten über eine künftige Welt gelesen habe, in der alle fossilen Energieträger aufgebraucht waren. Kein Öl mehr, keine Kohle, kein Gas. Das habe ihm seitdem beschäftigt. Ihm sei von da an klar gewesen, dass es ein Problem gebe, und die Aufgabe der Science Fiction sah er unter anderem darin, derartige Zukunftsprobleme zu reflektieren. Allerdings habe er den Eindruck, dass einige Menschen erst seit ein paar Monaten darüber nachdenken.
Das war wie gesagt 1975. Viele Manager und Politiker weigern sich selbst 47 weitere Jahre noch über das Problem der Endlichkeit der fossilen Ressourcen und über die Probleme, die ihre Verbrennung verursacht, nachzudenken. Das vollständige Interview ist sehenswert und enthält eine bemerkenswerte Prophezeiung des 1992 verstorbenen Asimov:
Wenn wir bis zum Jahre 2000 die Probleme nicht gelöst haben, vor denen wir heute stehen, dann werden wir 500 Jahre später eine technologische Zivilisation in Ruinen sehen, mit einer relativ kleinen Zahl von Menschen, die irgendwie versuchen zu überleben, und mit New York City als der fantastischsten Ruinenstadt in der Geschichte des Universums.
Ist bisher nicht eingetroffen, mag mancher anmerken. Doch irgendwie hört sich ein solcher Einwand nach jenem Mann an, der aus dem 30. Stockwerk stürzt und auf Höhe des Fünften meint: "Bisher ist doch alles gut gegangen." Übertrieben? Arte hat kürzlich für eine sehenswerte Dokumentation verschiedene deutsche Polar-, Meeres- und Atmosphärenforscherinnen und -forscher zum Zustand der großen Eismassen an den Polen befragt. Quintessenz: Noch besteht die Chance, große Teile des Eises auf Grönland und in der Antarktis zu retten. Doch dafür ist ein sehr rasches Handeln, eine schnelle Reduktion der Treibhausgasemissionen noch in diesem Jahrzehnt notwendig.
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