Klimawandel bedroht deutsche Wälder: Nur wenige Baumarten sind zukunftsfähig
Die Wälder bieten ein trauriges Bild: Hitze und Borkenkäfer setzen ihnen zu. Angesichts des Klimawandels suchen Forscher nach zukunftsfähigen Baumarten.
Der Winter ist vorbei, die warme Jahreszeit hat begonnen. Viele Menschen in Deutschland zieht es wieder nach draußen, Wandern hat abermals Saison. Doch auch in diesem Jahr bietet sich vielerorts ein trauriger Anblick: Wälder mit kranken, kahlen und abgestorbenen Bäumen.
Klimawandel bedroht deutsche Wälder
Die Hitze der letzten Jahre hat ihre Spuren in den europäischen Wäldern hinterlassen und die Bäume leiden zunehmend unter klimabedingtem Stress. Dies hat wesentlich zu dem Bild beigetragen, das sich dem Wanderer bietet.
Eine Studie legt nun nahe, dass sich an dieser Situation kaum etwas ändern wird, denn nur wenige Baumarten erfüllen die Anforderungen an einen klimaresilienten Wirtschaftswald der Zukunft.
Vier Fünftel der Waldbäume in Deutschland sind geschädigt
Der überwiegende Teil der Waldbäume in Deutschland ist geschädigt, bundesweit rund vier Fünftel, wie aus der Waldzustandserhebung 2022 hervorging, deren Ergebnisse vor einem guten Jahr veröffentlicht wurden.
Die Dürre- und Hitzejahre 2018 bis 2020 und 2022 haben den Bäumen zugesetzt, die immer höheren Temperaturen haben Schädlinge wie den Borkenkäfer begünstigt. Das betrifft insbesondere die Fichte, eine der wichtigsten Arten der Forstwirtschaft, aber auch die anderen Hauptbaumarten Kiefer, Buche und Eiche sind laut Thünen-Institut in einem schlechten Zustand.
Der Klimawandel verändert die Lebensbedingungen in den Wäldern und Forsten rasant. Für die Bewirtschafter bedeutet dies, dass sie bei Aufforstungen und Waldumbau schon heute die klimatischen Bedingungen am Ende dieses Jahrhunderts berücksichtigen müssen, denn die heute gepflanzten Setzlinge werden erst in 60 bis 100 Jahren erntereif sein.
Studie untersucht klimaresiliente Baumarten
Forscher der Universität Wien und der Technischen Universität München haben in einer kürzlich im Fachjournal "Nature Ecology and Evolution" veröffentlichten Studie untersucht, mit welchen Baumarten ein klimaangepasster Wald der Zukunft in Europa heute aufgeforstet werden könnte. Und sie kommen zu dem Ergebnis, dass es nur sehr wenige sind.
"Je nach Region sind ein Drittel bis zur Hälfte der heute vorkommenden Baumarten den künftigen Bedingungen nicht mehr gewachsen", heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Wien.
Untersucht wurden die 69 häufigsten der etwas mehr als 100 in Europa vorkommenden Baumarten, wobei Daten von 240.000 Standorten in Europa berücksichtigt wurden. Für die Klimaentwicklung wurden die Emissionsszenarien RCP 2.6, 4.5 und 8.5 des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zugrunde gelegt, d. h. von einer sofortigen drastischen Emissionsreduktion bis zu einem weiterhin ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen.
Wenige Baumarten sind "zukunftsfit"
Wirklich "zukunftsfit" seien pro untersuchtem Standort im Schnitt nur neun Arten, und von diesen vereinten nur jeweils drei Arten die wichtigsten Eigenschaften auf sich, nämlich Kohlenstoff zu speichern, Tieren einen Lebensraum und Nahrung zu bieten und Nutzholz zu liefern. Die drei Arten, denen hier das höchste Potenzial in allen drei Bereichen beschieden wird, sind Rotbuche, Stieleiche und Traubeneiche. Für höhere Lagen in Österreich nennen die Forschenden außerdem die Weißtanne.
Wichtig sei aber, artenreiche Mischwälder zu pflanzen. "Gemischte Wälder aus vielen Baumarten sind eine wichtige Maßnahme, um Wälder robuster gegen Störungen wie Borkenkäfer zu machen. Mancherorts könnten uns in Europa jedoch die Baumarten ausgehen, um solche bunten Mischwälder zu begründen", erklärt Letztautor Rupert Seidl von der TU München.
Schwierigkeiten durch raschen Klimawandel
Eine weitere Schwierigkeit ist der "Flaschenhals", der durch den raschen Klimawandel entsteht. Denn die Bäume müssen sowohl den heutigen Bedingungen als auch denen am Ende des Jahrhunderts standhalten. "Das ist deshalb schwierig, weil sie sowohl Kälte und Frost der nächsten Jahre wie auch einem deutlich wärmeren Klima Ende des 21. Jahrhunderts standhalten müssen. Da bleibt nur eine sehr kleine Schnittmenge", erklärt Erstautor Johannes Wessely von der Universität Wien.
Expertenmeinungen und Kritik an der Studie
Der Geobotaniker Christoph Leuschner von der Georg-August-Universität Göttingen, der nicht an der Studie beteiligt war, sieht unter den Wirtschaftsbaumarten hauptsächlich die Fichte gefährdet, in trockenen Niederungsgebieten regional auch Buche und Kiefer sowie die Douglasie. Außerdem sei zu beachten:
Was die Szenarien gar nicht berücksichtigen, sind mögliche Kalamitäten von Schadorganismen – Insekten, Pilze und so weiter – die immer stärker eingeführt werden und oft durch Hitze begünstigt werden. Gravierende Schäden wie heute bei der Esche, Schwarzerle oder auch Bergahorn können auch andere Arten treffen, die heute noch die Leistungsträger sind.
Leuschner empfiehlt daher, auch wirtschaftlich weniger attraktive Baumarten wie Spitzahorn, Hainbuche, Winterlinde und Elsbeere in die Waldplanung einzubeziehen, die Trockenstress besser tolerieren.
Deutliche Kritik an der Studie äußert Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Er sieht in der Modellierung kritische Extreme nicht ausreichend berücksichtigt, etwa die Aufeinanderfolge von heißen und trockenen Sommern, wie sie in den vergangenen Jahren erlebt wurde. Aber auch lokale Einflüsse auf die Ökosysteme würden zu wenig abgebildet. Er mahnte:
Ich fürchte, diese Studie fördert die Unterschätzung sowohl der Klimakrise als auch des ökosystemaren Geschehens mit den vielen Wechselwirkungen. Und sie könnte die Suche nach vermeintlichen Wunderbäumen antreiben. Die forstliche ‚Baumhuberei‘ in Kombination mit einer zu vereinfachenden Sicht auf den Klimawandel kann uns in die Irre führen und sogar zu konkreten Managementfehlern verleiten".
Allerdings betonen die Autoren der Studie auch, wie wichtig es ist, den Klimawandel einzudämmen, damit Waldökosysteme intakt bleiben und wichtige Ökosystemdienstleistungen weiter erbringen können.