Mehr Infektionskrankheiten durch Klimawandel: Wie sicher sind die Badeseen?

Je kühler, desto unbedenklicher? Bestimmte Erreger vermehren sich ab 20 Grad. Foto: Thomas Netsch / Wikimedia Commons

RKI-Bericht sieht Menschen und Gesundheitssysteme vor neuen Herausforderungen: Einst tropische Krankheiten erreichen Deutschland. Was in den Sommermonaten zu beachten ist.

Die Klimakrise wird nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) auch zur Herausforderung für das Gesundheitssystem. Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen leben im Hochsommer zunehmend gefährlich. Die hitzebedingte Übersterblichkeit im vergangenen Jahr gibt das RKI mit rund 4.500 Todesfällen in den Kalenderwochen 15 bis 36 an.

Das sind in der warmen Jahreszeit mehr als 200 Hitzetote pro Woche in Deutschland. Durch die Hitze als solche gefährdet sind überwiegend ältere Menschen und kleine Kinder, die schnell dehydrieren.

Auf neue, in Deutschland früher nicht aufgetretene Infektionskrankheiten und Antibiotikaresistenzen infolge des Klimawandels müssen sich aber auch junge Erwachsene einstellen. Das geht aus Teil 1 des RKI-Sachstandsberichts "Klimawandel und Gesundheit" hervor, der am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und im Journal of Health Monitoring erschienen ist. Teil 2 und Teil 3 sollen im Laufe des Jahres folgen.

Vibrionen vermehren sich ab 20 Grad im Wasser

Laut einer vom RKI zitierten Studie sind fast zwei Drittel der in Europa aufzufindenden Erreger von Human- und Haustierkrankheiten klimasensibel. Ein im Sachstandsbericht genanntes Beispiel sind Vibrionen, darunter mit dem Cholera-Erreger verwandte "fleischfressende Bakterien", die sich ab einer Wassertemperatur von rund 20 Grad vermehren – beispielsweise in Badeseen oder Meerwasser mit geringem Salzgehalt, wie etwa in der Ostsee.

Gesunde Menschen verkraften den Kontakt mit diesen Erregern meist völlig unbemerkt. Wenn aber eine hohe Konzentration auf ein geschwächtes Immunsystem trifft, wird es gefährlich.

Im Hochsommer und im Frühherbst sollten daher vor allem Menschen mit Vorerkrankungen oder kleinen Wunden bestimmte Gewässer meiden. Gesundheitsämter geben regelmäßig Warnungen heraus. Welche Gewässer noch unbedenklich sind, zeigt der "Vibrio map viewer", ein Tool des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC), das mit Echtzeitdaten zu Wassertemperatur und Salzgehalt der Meeresoberfläche das Auftreten von Umweltbedingungen vorhersagt, die die Vermehrung von Vibrionen begünstigen. Nach mehreren heißen Tagen in Folge dürfte die Auswahl kleiner werden.

Von Mücken übertragen: West-Nil-Virus

Das West-Nil-Virus trat erstmals 2018 in Deutschland auf – zunächst bei Tieren. Im Jahr darauf erkrankte erstmals ein Mensch in Deutschland daran. Übertragen wird es durch infizierte Mücken, die gemäß Laborexperimenten bei Temperaturen von 24 bis 27 Grad infektiös werden. Das Virus zirkuliert laut RKI saisonal überwiegend zwischen den Stechmücken und Vögeln, die es als "Transportwirte" eintragen.

In den meisten Fällen verläuft die Infektion bei Menschen mild, bei etwa einem Prozent der Betroffenen löst das Virus jedoch Hirnhautentzündungen oder auch Gehirnentzündungen aus, die tödlich verlaufen oder bleibende Schäden verursachen können.

Tropische Zeckenarten in Mitteleuropa

Zudem haben sich infektiöse Zeckenarten aus den Tropen infolge des Klimawandels nach Norden vorgearbeitet – etwa die Hyalomma-Zecke, die Fleckfieber übertragen kann. Allerdings ist sie auffällig groß und leicht zu erkennen. Das RKI rief bereits im vergangenen Sommer dazu auf, entsprechende Tiere mit Fundort-Angabe einzuschicken, damit das Institut die Verbreitung besser einschätzen kann.

Nicht ansteckende Krankheiten infolge von Hitze und Dürre

Auch nicht ansteckende Lungenkrankheiten und Herzprobleme, die indirekt mit Hitze und Dürre zu tun haben, dürften aber nach Einschätzung des RKI durch den Klimawandel zunehmen:

Eine erhöhte Feinstaubbelastung, zum Beispiel durch zunehmend trockene Böden und vermehrte Vegetationsbrände, kann neben einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion und ernsthaften Lungenerkrankungen wie Asthma und Lungenkrebs auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen.


RKI-Sachstandsbericht, Teil 1, S. 19

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnete den Klimawandel 2021 bereits als "größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit". Länder und Regionen mit schwacher Gesundheitsinfrastruktur damit am schlechtesten zurechtkommen.