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Klimawandel und Demokratie: Wie die Waldbrände in Griechenland den Polizeistaat befördern

Verbrannten Erde, Rhodos, Griechenland. Bild: Wassilis Aswestopoulos

Über 600 Brände auf Inseln und Festland. Doch viele der Feuer sind menschengemacht. Und die Regierung Mitsotakis geht auf fragwürdige Weise mit der Lage um – und feiert sich dafür.

Die verheerenden Waldbrände im Mittelmeerraum stehen im Zentrum der Diskussion um den Klimawandel. In Griechenland brennt es nicht nur auf der Ferieninsel vieler Europäer, Rhodos. Große Feuer wüten im Westen des Landes, auf Korfu, auf Euböa und rund um die mittelgriechische Stadt Volos. Zuvor war die Hauptstadt Athen von Bränden umgeben gewesen.

Mehr als 600 Brandherde gab es in den vergangenen Tagen, in denen die dritte Hitzewelle das Wetter in Griechenland bestimmte.

Temperaturen von über 40, teilweise über 45 Grad bei sehr geringer Luftfeuchtigkeit boten optimale Bedingungen für die Ausbreitung der Brände. Starke Winde, die zwischen den drei Hitzewellen der letzten Wochen auftraten, machten die Situation noch gefährlicher.

Verbrannte Wälder heizen das Klima weiter auf

Zivilschutzminister Wassilis Kikilias sagte auf seiner Pressekonferenz am Freitag:

Wir beschönigen die Situation nicht. In den letzten Tagen gab es 667 Brände, von denen die meisten von Menschen verursacht wurden. Es gibt Berichte über Brandstiftung. Die Klimakrise ist da, sie ist keine Theorie, sie ist Realität.

Gleichzeitig warnen Wissenschaftler, dass Waldbrände die globale Erwärmung weiter anheizen, weil sich die verbrannten Flächen in Aschewüsten verwandeln.

Diese Gebiete absorbieren nicht nur mehr Hitze, sie fallen auch bei der CO2-Umwandlung aus. Sie sind anfällig für Erosion, bei starken Niederschlägen kommt es zu Erdrutschen und die temperatursenkende Wirkung des Waldes fehlt. Ein Teufelskreis.

Dass Waldbrände in der Regel nicht ausbrechen, sondern durch Brandstiftung entstehen, ist in Griechenland eine Binsenweisheit. Immer wieder führt Brandstiftung zu großen Feuern, hinzu kommen Brände durch fahrlässiges Verhalten.

In letztere Kategorie fällt zweifellos die Explosion des Munitionslagers eines der wichtigsten griechischen Militärflughäfen am Donnerstagnachmittag bei Nea Anchialos [1].

Das Verteidigungsministerium wirft der Feuerwehr vor, den seit Dienstag ausgebrochenen Brand nicht früh genug gelöscht zu haben. Die Feuerwehr hingegen behauptet, das Militär habe weder die vom Brandschutzgesetz vorgeschriebene Sicherheitszone um das Munitionslager geschaffen noch trockenes Gestrüpp und brennbaren Pflanzenabfall um das Lager geräumt.

Griechenland: Klimaschutz versus Naturschutz

Das ist einer der Knackpunkte in der ansonsten vor allem auf dem Papier vorbildlichen Klimapolitik der Regierung Mitsotakis, die etwa dazu geführt hat, dass E-Mobilität für Unternehmer Pflicht ist und sie ihre Fuhrparks schrittweise auf Elektroautos umstellen müssen.

Ein Wärmegesetz, wie es in Deutschland derzeit auf Initiative von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) diskutiert wird, ist in der Hellenischen Republik seit Jahren Realität. Windkraft- und Solaranlagen werden seit 2019 mit Hochdruck im ganzen Land gebaut. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat mit entsprechenden Fördergesetzen und vereinfachten Genehmigungsverfahren für einen Investitionsboom der heimischen Industrie gesorgt.

Dass viele der Anlagen in Naturschutzgebieten und nach verheerenden Waldbränden wie auf Euböa 2021 anstelle von wiederaufgeforsteten Wäldern errichtet werden, ruft lokale Naturschützer auf den Plan. Ihre Proteste werden immer wieder mit massivem Polizeiaufgebot niedergeschlagen – ganz so, wie es die extreme Rechte in Deutschland angesichts von Klimaprotesten fordert.

Klimaaktivisten, wie man sie aus Deutschland kennt, gibt es in Griechenland nicht. Es ist eine soziologische Frage, ob dies mit dem Verschwinden der Mittelschicht als Folge des Spardiktats zusammenhängt.

Die Mittel für die Pflege der Wälder wurden seit dem Staatsbankrott massiv gekürzt. In der Region Ost-Attika sind zwar Dutzende Stellen für Waldarbeiter eingeplant, tatsächlich aber wurde keiner dieser Stellen besetzt.

Keine Mittel für die Feuerwehr

Wenn der wissenschaftliche Konsens weder den Klimawandel noch die Bedeutung der Wälder für den Klimaschutz leugnet, sollte man erwarten, dass der Schutz der Wälder für die Abmilderung der Klimakatastrophe ebenso wichtig ist wie die Energiewende. Nicht so in Griechenland, wo zudem die Feuerwehr kaputtgespart worden ist.

Die beiden verunglückten Piloten, die vergangene Woche mit einem Löschflugzeug des Typs Canadair 215 abstürzten, waren zusammengenommen jünger als ihr Flugzeug des Baujahrs 1969. Zum Vergleich: Die Türkei verfügt für ihre Waldbrände über Löschhubschrauber, die die Feuerwehr auch nachts aus der Luft unterstützen können.

Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis aber wollte lieber in Kampfflugzeuge vom Typ Rafale investieren und bestellte F-35-Jets. Die Explosion des Munitionslagers in Nea Anchialos, in dem auch Nato-Waffensysteme lagern und die fast die Hälfte der F-16-Flotte auf den Stützpunkt bedrohte, zeigt die Konsequenz der fragwürdigen griechischen Brandschutzpolitik.

Evakuierungsanordnungen und Polizei als Allheilmittel

Ähnlich wie bei der Covid-Pandemie, bei der die Regierung nicht das Gesundheitssystem stärkte, sondern mit drakonischen Strafen, strikten Sperrmaßnahmen und massivem Polizeieinsatz der Ausbreitung der Pandemie Herr werden wollte, ist auch bei den Waldbränden die Polizei das Allheilmittel.

Am vergangenen Wochenende wurden Polizeieinheiten mit C-130-Transportern nach Rhodos geflogen. Sie sollten Evakuierungsbefehle durchsetzen. Dabei drangsalierten sie die freiwilligen Feuerwehrleute, die zu evakuierenden Bürger und ließen die Touristen über die Lage im Unklaren. Bei Widerspruch wurde sofort mit drastischen Strafen gedroht, auch wenn der Widerspruch logisch begründet war.

Es gibt zahlreiche Berichte und Aussagen von Touristen, die sich bei der Zivilbevölkerung bedanken, aber darauf hinweisen, dass sie weder von Beamten noch von Reiseveranstaltern Informationen erhalten haben. Abgesehen von resoluten Anweisungen der Polizei kam von dieser Seite keine Hilfe. Keine Vorsorge für die Versorgung nach der Evakuierung, keine Hilfe - nichts.

Für die Regierung in Athen war es hingegen die erfolgreichste "größte Evakuierung in Friedenszeiten".


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https://www.heise.de/-9230272

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[1] https://www.protothema.gr/greece/article/1396895/mustirio-me-tin-ekrixi-sti-apothiki-puromahikon-sti-nea-aghialo-ti-vlimata-eihe-kai-giati-proklithike/