Knappe Medikamente: Lauterbach will höhere Festpreise
Lieferkettenprobleme sind seit dem ersten Corona-Jahr bekannt. Die kostensparende Verlagerung der Produktion nach Asien rächt sich. Der Bundesgesundheitsminister schlägt zum Ärger der Krankenkassen neue Preisregeln vor.
Ausgerechnet während eines historisch hohen Krankenstands, der sich auch auf die Versorgungssicherheit in Kliniken auswirkt, werden in Deutschland Medikamente knapp. Laut einer Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sind es vor allem Fieber- und Hustensäfte, Schmerzmittel und Antibiotika, aber auch Arzneimittel zur Krebsbehandlung sowie gegen Bluthochdruck und Diabetes.
Da zur Zeit besonders viele Kinder teils schwere Atemwegsinfekte haben, bekommen alle Generationen das Problem zu spüren. Anfang der Woche waren laut einem Bericht des Ärzteblatts fast zehn Prozent des Klinikpersonals ausgefallen.
Die Auslagerung der Produktion lebenswichtiger Medikamente in ferne Länder mit niedrigen Lohnkosten rächt sich – und das Problem ist nicht neu. Bereits im ersten Corona-Jahr 2020 wurde es in verschiedenen Ländern Europas bemerkt, da sich die Lockdowns in China auswirkten. Schon damals wurde die selbstverschuldete Abhängigkeit problematisiert.
Chinas Null-Covid-Politik offenbarte die Störanfälligkeit der Lieferketten weltweit, nachdem vor allem die Produktion von Wirkstoffen für patentfreie und entsprechend preiswerte Generika in den letzten zwei Jahrzehnten von Europa weitgehend nach Asien verlagert worden war – darunter häufig als Schmerzmittel verwendete Wirkstoffe wie Paracetamol und Ibuprofen, aber auch das Breitband-Antibiotikum Amoxicillin.
Im Jahr 2000 seien noch etwa zwei Drittel der generischen Wirkstoffe in Europa produziert worden und ein Drittel in Asien – inzwischen hat sich das Verhältnis laut einer Studie der Unternehmensberatung MundiCare im Auftrag des Branchenverbands Pro Generika jedoch umgekehrt: Zwei Drittel der Wirkstoffe stammen jetzt aus Ländern wie China oder Indien.
Lauterbach schlägt Preiserhöhungen um 50 Prozent vor
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat unterdessen ein Eckpunktepapier gegen die Medikamentenknappheit vorgelegt, das von den gesetzlichen Krankenversicherungen scharf kritisiert wird: Durch neue Preisregeln sollen demnach Anreize für die Pharmaindustrie geschaffen werden – einige Medikamente würden dadurch teurer. Vorgeschlagen wird unter anderem die pauschale Erhöhung des Festbetrags für bestimmte Kindermedikamente oder Krebstherapien um 50 Prozent.
Die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, bezeichnete dies als "beeindruckendes Weihnachtsgeschenk für die Pharmaunternehmen", wie die ARD-tagesschau am Dienstag berichtete. Ob deshalb Medikamente verlässlicher nach Europa geliefert oder sogar wieder verstärkt hier produziert würden, sei unklar.
Lauterbachs Ziel ist erklärtermaßen, dass sich die Produktion wieder nach Europa verlagert. "Es ist so, dass die Preise so niedrig waren, dass man in Deutschland oder in Europa nicht produzieren konnte", sagte er unlängst dem ZDF. "Wenn aber jetzt die Krankenkassen auch mehr Ware aus Europa nehmen müssen bei etwas höheren Preisen, dann kommt die Produktion zurück."