Koalitionsvertrag: Artenschutz für Kohle

Seite 2: Der EEG-Deckel kommt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Und wie viele konventionelle Kapazitäten werden noch notwendig sein? Das hängt vor allem vom weiteren Ausbau der erneuerbaren Energieträger ab. Den wollen Union und SPD mit einem Ausbaukorridor abbremsen, wobei die Schwarzen – ihr Verhandlungsführer in dieser Frage ist der Umweltminister Peter Altmaier – festschreiben möchten, dass diese "Ausbaukorridore" verbindlich sein sollen. Mit anderen Worten: CSU und CDU fordern feste Deckel, über die der Ausbau jeweils nicht hinaus gehen darf oder zumindest nicht darüber hinaus gefördert wird. Die SPD sträubt sich noch gegen das Wörtchen "verbindlich". Feste Zahlen für den "Ausbaukorridor" wurden ebenfalls noch nicht vereinbart.

Um diese neuen Zielvorgaben einzuführen und auch sonst die Energiewende gewaltig umzukrempeln, soll deren juristischer Kern, das Erneuerbare-Energiengesetz (EEG), umgeschrieben werden. Eine entsprechende EEG-Novelle soll bereits bis Ostern dem Kabinett vorgelegt und bis zum Sommer verabschiedet sein. Dabei wird der Vertrauensschutz betont, das heißt, Besitzer von Altanlagen müssen demnach nicht befürchten, dass ihnen nachträglich die Vergütungssätze gekürzt werden. Derlei hätte ohnehin vor Gericht keinen Bestand, allerdings hat die konservative Regierung Spaniens bereits ähnliche Maßnahmen durchgesetzt (siehe "Milliarden-Enteignung" durch spanische Regierung).

Die Änderungswünsche, die die drei Parteien aufgeschrieben haben, lassen zum Teil nichts Gutes erwarten: Das Grünstromprivileg wird abgeschafft, die Bonusregelungen für Selbstvermarktung werden weitgehend gestrichen und für alle Technologien soll eine kontinuierliche Absenkung der Fördersätze eingeführt werden. Bei den Biogasanlagen ist man sich noch nicht ganz einig. CDU und SPD wollen sie künftig vollständig auf Rest- und Abfallstoffe beschränken, die CSU nur "weitgehend".

Biogasanlagen ausgebremst?

Auch hier ein großer Spielraum für Interpretationen. Was sind Reststoffe? Fallen auch Pflanzen darunter, die im Rahmen des Fruchtwechsels allein zur Verbesserung des Stickstoffgehalts des Bodens angebaut wurden? Dann wäre eine entsprechende Regelung tatsächlich ein Vorteil. Der massenhafte Maisanbau ist auf Dauer jedenfalls nicht gerade gut für Böden und Landschaft. Es gäbe jedoch durchaus verschiedene bessere Alternativen, ohne gleich dem weiteren Ausbau der Biogasproduktion den Garaus zu machen. Künftig soll übrigens mehr darauf geachtet werden, dass die Biogasanlagen "bedarfsgerecht" Strom liefern, was sicher sehr sinnvoll ist. Statt für die Grundlast zu produzieren, könnten sie ganz gut als Lückenbüßer für Wind und Sonne eingesetzt werden.

Allerdings wäre mehr Klarheit dringend nötig. Das Vage an den Plänen der künftigen Koalition bedeutet neue Unsicherheit für die Anlagenbauer, die ohnehin seit zwei Jahren erhebliche Probleme haben. Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas, merkt an: "Mit einem Ausschluss der Energiepflanzen für künftige Biogasprojekte würde die Branche nach massiven Umsatzeinbrüchen in den vergangenen zwei Jahren vollends abgewürgt. (…) Nach Jahren der Erforschung kommen nun ökologisch vorteilhafte Energiepflanzen in die Praxis und sorgen zunehmend für Vielfalt auf dem Acker. Diese Entwicklung sollte jetzt nicht verhindert, sondern gestärkt werden."

Und die Windenergie? Im Vertragsentwurf ist die Rede davon, dass "Überförderung" unterbunden werden soll. Die gibt es nach Ansicht einiger grüner Politiker und von Insidern an einer Reihe von Standorten mit besonders guten Windbedingungen. Allerdings ist zusammen mit der Ankündigung kontinuierlicher Absenkungen der Förderung für alle Technologien eher zu befürchten, dass da jemand ganz gerne das Kind mit dem Bade ausschütten möchte. Dazu passt auch, dass man ins Baurecht eine Öffnungsklausel in der Abstandsregelung einführen möchte. Dann hätten Bayern und Sachsen die Möglichkeit, ihre Forderung nach höheren Mindestabständen zur Wohnbebauung bei sich umzusetzen, die Kritiker eher für Verhinderungsmaßnahmen halten (siehe Seehofers Windenergiebremse).

Kosten vorgeschoben

Wie nach dem Propagandatrommelfeuer der letzten Jahre nicht anders zu erwarten, wird als Hauptargument für die geplanten Änderungen am EEG der Strompreis ins Feld geführt. Die Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie (BWE), Sylvia Pilarsky-Grosch, meint dazu:

Entgegen der Polemik der vergangenen Tage ist klar: Mit einer Vergütung zwischen 9,15 Cent und knapp unter sechs Cent je Kilowattstunde ist die Windenergie an Land kein Kostentreiber, sondern stabilisiert den Strompreis. Eine moderne Windkraftanlage ist in den Stromgestehungskosten günstiger als ein neues Kohlekraftwerk, wenn alle Kosten fair berücksichtigt werden.

Zudem zeige die aktuelle Kostenstudie des BWE und des Maschinenbauverbands VDMA deutlich, dass es keine flächendeckende Überförderung gebe. "Ausbaukorridore oder neue Abstandsregelungen bremsen die Energiewende aus und gefährden viele Arbeitsplätze in der exportstarken Windbranche, die für 118 000 Jobs steht."

Auffällig ist am Vertragsentwurf jedenfalls, dass zwar einerseits immer wieder die Kosten bemüht werden, aber dass es an einer Analyse des Strompreisanstiegs der letzten Jahre fehlt. Es fängt schon dabei an, dass immer wieder die Energiekosten der Industrie beschworen werden, obwohl vor allem die privaten Verbraucher und Gewerbetreibende die Leidtragenden des Preisanstiegs sind. Außerdem ist die EEG-Umlage der einzige preistreibende Faktor, der benannt wird, obwohl sie nicht einmal für die Hälfte des Anstiegs verantwortlich ist. Auch an konkreten Vorschlägen, wie der Preisanstieg beendet werden könnte, fehlt es. Einzig der SPD-Vorschlag, die Stromsteuer zu senken, findet sich in dem Papier, allerdings unter Finanzierungsvorbehalt und in eckigen Klammern. Das heißt, die SPD will es nur, wenn der Finanzminister sich nicht querstellt, und die Union ist ohnehin dagegen (Siehe auch Das Strompreislabyrinth).

Wärme und Atomkraft

Wenig Erfreuliches gibt es auch an anderer Stelle. Neben der Stromerzeugung und noch vor dem Verkehr ist hierzulande die Wärmeversorgung eine der großen CO2-Quellen. Hier gibt es vor allem durch Wärmedämmung von Gebäuden und den Einsatz effektiverer Heizungen ein gewaltiges Einsparpotenzial. Doch die Sanierungsrate ist eher bescheiden. Im gegenwärtigen Tempo wird es noch mindestens bis zur Jahrhundertmitte dauern, den Altbestand einmal vollständig auf den neuesten Stand zu bringen. Unklar ist noch, ob sich daran in nächster Zeit etwas ändern wird. Die künftigen Koalitionäre haben sich noch nicht geeinigt, ob die Fördermittel aufgestockt werden. Nicht einmal die strittigen Beträge werden bisher im Entwurf genannt.

Schließlich soll am Ausstieg aus der Atomkraft erwartungsgemäß festgehalten werden. Spätestens 2022 wolle man das letzte Atomkraftwerk abschalten. Damit sind aber offensichtlich nur kommerzielle Reaktoren gemeint. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe anderer Atomanlagen im ganzen Land. Zum Beispiel ist da eine Reihe von Forschungsreaktoren, die mit keinem Wort erwähnt werden. Auch die Herstellung von atomaren Brennstoffen ist bisher vom Ausstiegsgesetz nicht betroffen und wird von den künftigen Regierungsparteien nicht weiter erwähnt.

Unternehmen wie etwa die Uran-Anreicherungsanlage Urenco im westfälischen Gronau oder die Brennelementefabrik Advanced Nuclear Fuels (ANF) im niedersächsischen Lingen können also auch nach 2022 weiter ihren strahlenden Geschäften nachgehen. ANF gehört dem französischen Atomkonzern Areva und fertigt nach eigenen Angaben nicht nur für deutsche sondern auch für andere europäische AKW Brennstäbe.

Alles in allem werden die nächsten Monate energiepolitisch sehr interessant werden. Der Koalitionsvertrag zeigt einerseits das klare Ziel, die Energiewende ausbremsen zu wollen, lässt aber an vielen Stellen Raum für Interpretationen. Außerdem wird die EEG-Novelle nicht ohne den Bundesrat möglich sein, und in den Ländern wird es sicherlich viel Widerstand geben. Auch Bürgerinitiativen, Anti-AKW-Gruppen, Umweltschutzverbände und Globalisierungskritiker sehen die Entwicklung äußerst kritisch. Für den kommenden Samstag rufen sie zu einer Demonstration nach Berlin auf.