Können Lastenfahrräder wirklich Lieferwagen ersetzen?
Die FH St. Pölten untersucht den Einsatz von Lastenrädern in ländlichen Gebieten, um herauszufinden, ob sie dort wie in Städten für Paketzustellungen geeignet sind.
In einem Sondierungsprojekt unter dem Kürzel Lamore (LAstenradplattform für warenMObilität in der REgion) soll an der FH St. Pölten untersucht werden, in welchem Umfang sich Lastenfahrräder für den Gütertransport in ländlichen Regionen nutzen lassen.
In städtischen Agglomerationen haben sich Lastentaxis schon seit einem Dutzend Jahren auf der letzten Meile bei UPS als vorteilhaft herausgestellt. Jetzt stellt sich die Frage, ob dies auch in ländlichen Regionen realisierbar wäre. Während DHL in Deutschland den Weg über den elektrisch angetriebenen StreetScooter gewählt hatte, untersucht man in Österreich jetzt die Möglichkeiten, ein Lastenradverbundsystem zu entwickeln.
Ein solches System kann letztlich auch mit ehrenamtlichen Fahrern betrieben werden, wie dies in manchen peripheren Regionen heute schon mit den Bürgerbussen in Baden-Württemberg geschieht. Die Lastentaxis hätten dabei noch zwei Vorteile: Der Fahrer benötigt keinen Führerschein und hält sich durch permanente körperliche Bewegung fit.
Zentrale Aspekte bei Lamore sind Umweltfreundlichkeit, Gesundheit, Wirtschaftlichkeit
Bis Ende 2025 wird das System der Fahrrad-Logistik in ländlichen Regionen um St. Pölten sowie Wiener Neustadt und Umgebung getestet. Der Güterverkehr trägt erheblich zur Umweltverschmutzung und Verkehrsüberlastung sowie der Abnutzung der Verkehrsinfrastruktur bei.
Während im Fernverkehr zunehmend batterieelektrische Lkw von speziellen Umrüstern und verstärkt auch von den klassischen Lkw-Herstellern zum Einsatz kommen, laufen auf der letzten Meile, wo es viel zu wenige Haltepunkte gibt, die den übrigen Verkehr nicht aufhalten, zahlreiche Versuche, diese Probleme in den Griff zu bekommen.
In Städten mit einem ausgebauten Straßenbahnnetz werden diese inzwischen auch zum Frachttransport eingesetzt.
Da sich Lastenfahrräder gut für den Transport kleiner und leichter Güter auf kurzen Strecken, also der letzten Meile eignen, spricht viel dafür, sie auch in der Zustellung einzusetzen. Sie könnten einen beträchtlichen Teil der heute noch fossil betriebenen Transportfahrzeuge ersetzen.
In größeren Städten sind Fahrradbotendienste und spezialisierte Lastenfahrrad-Dienste bereits seit Längerem erfolgreich im Einsatz. Ein Schwachpunkt dieser Dienste sind die Personalkosten, die einen wirtschaftlichen Betrieb nur schwer möglich machen.
Die Forschenden im Projekt Lamore möchten diese bestehende Lücke bei der letzten Meile auf dem Land schließen und prüfen, ob Lastenfahrraddienste in ländlichen Regionen erfolgreich sein können. Als Projektpartner sind Goodville Mobility und bitsfabrik dabei.
Pamela Nolz, Projektleiterin und Senior Researcher am Carl Ritter von Ghega Institut für integrierte Mobilitätsforschung der FH St. Pölten betont:
Wir untersuchen, wie eine Plattform für Lieferungen mit Lastenfahrrädern erstellt werden kann, die lokale Händler:innen stärkt, Verkehr reduziert und Emissionen minimiert. Soziale Aspekte und eine faire Verteilung von Aufträgen sollen – unter Einsatz von Optimierungsmethoden und gegebenenfalls künstlicher Intelligenz – ebenfalls berücksichtigt werden.
„Das (Lasten)-Rad kann eine alternative Lösung für unterschiedlichste Transportanforderungen bieten. Eine coole und innovative Idee, die die Menschen dazu bringt, ihr bestehendes Mobilitätsverhalten zu überdenken, könnte letztendlich zu einem neuen unternehmerischen Ansatz führen. Und mehr Lebensqualität in die Kleinstädte bringen“, ergänzt Beate Hauser, Geschäftsführerin von Goodville Mobility.
Und Patrick Kastner, Geschäftsführer der Digitalagentur bitsfabrik findet:
Als Lastenrad-begeisterte Digitalagentur freut es uns besonders, unser Know-how in der Entwicklung von Webanwendungen für dieses Projekt einzubringen und mit einem fundierten technologischen Konzept, die Basis für die geplante Plattform zu legen.
Umweltfreundliche Alternativen für den Güterverkehr?
Ein zentraler Aspekt des Sondierungsprojekts soll es sein, umweltfreundliche Alternativen für den Regional-Güterverkehr aufzuzeigen. Inwieweit lässt sich der Güterverkehr auf emissionsarme Transportmittel verlagern? Wo schlummern Potenziale, die Mobilitätswende hin zu mehr nachhaltigem Verkehr voranzutreiben und den Güterverkehr auch in ländlichen Regionen entsprechend weiterzuentwickeln?
Nicht zuletzt will das Forschungsteam mit Lamore aufzeigen, wie der motorisierte Individualverkehr weiter reduziert werden kann, auch um die Luftqualität zu verbessern. Damit verbundene positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in der Region und das Klima sollen ebenfalls herausgearbeitet werden.
Das Team untersucht in diesem Projekt die Bedürfnisse von Zustellern, Auftraggebern, Behörden und sonstiger Verwaltung sowie die regionalen Gegebenheiten in St. Pölten und Wiener Neustadt.
Ziel dabei ist der Aufbau einer effizienten Lastenrad-Plattform für den Güterverkehr, die sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen ermöglicht, Lieferdienstleistungen anzubieten und selbige in Anspruch zu nehmen. Dafür werden Wirtschaftlichkeit, rechtliche Rahmenbedingungen und der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Optimierung geprüft.
Für Deutschland, wo derzeit immer mehr Menschen nach einfachen Lösungen streben, auch wenn diese letztlich nicht belastbar sind, erscheinen eher komplexe Projekte wie Lamore wohl noch für längere Zeit keine Option darstellen zu können.