Können die Demokraten die Kongresswahlen in den USA noch gewinnen?
- Können die Demokraten die Kongresswahlen in den USA noch gewinnen?
- Riskant: Keine Reformen, dafür eine "Anti-Republikaner"-Wahlkampfstrategie
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Den Demokraten unter Joe Biden fehlt politisches Profil. Sie setzen bei den Midterms auf eine riskante Anti-Republikaner-Wahl. Die reaktionären Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs könnten sie jedoch retten.
Da sie genau zwei Jahre nach der Präsidentschaftswahl stattfinden, gelten die sogenannten Midterms auch als eine Abstimmung über den aktuellen Amtsinhaber und dessen Partei. Am 8. November ist es wieder so weit. Bei den Zwischenwahlen zum US-Kongress werden Teile des Senats und alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus, neben dem Senat die zweite Kammer im US-Kongress, neu vergeben. Zudem stellen sich 36 Gouverneur:innen ihrer Wählerschaft.
Für Joe Biden und die Demokraten könnte die Zwischenbilanz schlecht ausfallen. Inflation und hohe Benzinpreise bringen dem 46. Präsidenten niedrige Umfragewerte ein, sodass von einem Verlust der Mehrheit im Abgeordnetenhaus auszugehen ist.
Mindestens genauso gefährlich für Biden ist jedoch die Zerrüttung innerhalb der eigenen Partei, denn diese steht seit langem schon unter Druck. Trumpismus, Wirtschaftskrise und schwere Rückschläge am Supreme Court zeigen, wie weit die Pole innerhalb der Partei auseinander driften.
Die Zerrissenheit der Demokraten lässt sich gerade gut in Texas bei den sogenannten Primaries (den Vorwahlen) der Demokraten erkennen. Im großen 28. Kongressbezirk, der sich von der Metropole San Antonio bis in die ländliche Region entlang der mexikanischen Grenze erstreckt, besiegte Henry Cuellar kürzlich in einem engen Rennen seine Herausforderin Jessica Cisneros. Obwohl sich beide für die Kongress-Kandidatur der Demokraten bewarben, haben sie politisch nur wenig gemeinsam.
Cuellar ist fast zwei Jahrzehnte im Amt, überzeugter Abtreibungsgegner und ein bekennender Freund der Waffenlobby und großer Agrarinteressen. Cisneros hingegen setzt sich für die allgemeine Krankenversicherung, Feminismus und den Green New Deal ein. Als erste in den USA wurde ihre Kandidatur von der jungen Klimaschutzorganisation Sunrise Movement unterstützt.
Obwohl Cuellar sich mit seinen Positionen deutlich rechts des demokratischen Establishments bewegt, wurde sein Wahlkampf gegen Cisneros von der Parteispitze unterstützt. Dass Cuellar sich im November auch gegen die Kandidatin der GOP ("Grand Old Party", Republikaner) durchsetzen wird, ist momentan jedoch fraglich.
Ein weiterer innerparteilicher Streit wurde vor kurzem in San Francisco ausgetragen. In der kalifornischen Küstenstadt wurde der junge Staatsanwalt Chesa Boudin, ein Demokrat, per Volksabstimmung aus dem Amt entlassen.
Boudin, Kind von Eltern, die für ihre Teilnahme an Aktionen der Organisation Weather Underground lange im Gefängnis saßen, hatte einen radikalen Reformkurs für die örtliche Justiz eingeschlagen. Er schaffte unter anderem die Kautionen ab, mit denen sich Personen vielerorts nach einer Verhaftung buchstäblich freikaufen müssen. Auch für die skandalgeplagte Polizei der Stadt kündigte er umfangreiche Reformen an.
Widerstand gegen Boudins Vorstöße formierte sich nicht nur bei den Republikanern von San Francisco, sondern vor allem unter liberalen Demokraten. Die politische Koalition, die sich für das vorzeitige Ende seiner Amtszeit engagierte, bestand zu großen Teilen aus Boudins eigenen Parteigenossen. Viele machten ihn für die hohe Obdachlosigkeit und steigende Gewaltverbrechen verantwortlich und wünschten sich einen härteren Umgang mit Kriminalität.
Die Kampagne gegen und die Absetzung von Boudin spiegelt zugleich die geänderte Parteilinie der Demokraten zur angekündigten Justizreform. Stärkere Überwachung der Polizei, Begnadigungen von Langzeit-Inhaftierten, geringere Strafen für Drogendelikte – in Zeiten steigender Mordraten wollen viele Demokraten von diesen Wahlkampfthemen nichts mehr wissen.
Während seiner Kandidatur gegen Donald Trump hatte Joe Biden noch angekündigt, Begnadigungen, die ihm per Amt zustehen, großzügig zu handhaben. Bis heute sind nur drei Personen begnadigt worden. Die GOP nutzt die Kriminalstatistik jetzt im Wahlkampf, um die Demokraten als Partei darzustellen, die das Land unsicherer macht.
Mit der Abkehr von der Justizreform wiederholen die Demokraten ein Muster, das Vertreter:innen des linken Parteiflügels nur allzu gut kennen. Immer wieder haben sie miterleben müssen, wie progressive Wahlversprechen abgeschwächt oder nicht eingelöst wurden. Man erinnere sich an das Versprechen des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, das Foltergefängnis Guantanamo auf Kuba zu schließen und eine grüne sowie soziale Wende einzuleiten.