Können die USA mit Chinas Seidenstraßen-Initiative konkurrieren?
Seite 2: Das Gerangel um Partnerschaften und Einfluss
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Während die unterschiedlichen Herangehensweisen an geostrategische und regionale Fragen, insbesondere die wachsende Macht und der globale Einfluss Chinas, nach wie vor Anlass zur Sorge geben, spiegelt die Beteiligung der arabischen Golfstaaten an US-geführten Initiativen ihre neue Vorliebe für Äquidistanz inmitten des Wettbewerbs zwischen den USA und China wider.
In der Tat könnten die Vereinigten Staaten den Imec als ein Mittel betrachten, um Chinas wachsendem Einfluss in der Region entgegenzuwirken. Im Nahen Osten sind Wettbewerb und Konvergenz jedoch gemischt und weniger schwarz-weiß, als es die zunehmende Bipolarität zwischen den USA und China vermuten ließe.
Wenn die Vereinigten Staaten erwarten, dass die Region sich vom BRI wegbewegt, werden sie wahrscheinlich enttäuscht werden. Der Wettbewerb im Indischen Ozean könnte eskalieren, aber potenzielle Synergien und Konvergenzen sollten ein gewisses Maß an gegenseitigem Entgegenkommen ermöglichen.
Indien, das von den Vereinigten Staaten als "unverzichtbarer Partner" betrachtet wird, hat anderen Ländern gezeigt, wie eine Ausrichtung auf viele Partner aussieht. Dem Vorbild könnten andere folgen. Indien ist Mitglied der Quad und der I2U2, die beide die Vereinigten Staaten umfassen. Aber es ist auch Mitglied der Brics und der SCO, mit China in beiden Organisationen vertreten, trotz des Streits Neu-Delhis mit Beijing über Grenzfragen.
Der Imec fügt seiner seit Langem verfolgten Multi-Alignment-Politik einen weiteren Strang hinzu, indem die Organisation den anderen von Indien geförderten Verbindungskorridor – den Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor – mit dem Iran und Russland betont. Zusammengenommen tragen diese Projekte zu Indiens Entwicklungsgeschichte und zu seiner Selbstdarstellung bei, die am schnellsten wachsende Wirtschaft der Welt zu sein.
Der neue Wirtschaftskorridor sieht auch die mögliche Aufnahme Israels vor. Es unterstreicht das weitere Bemühen der USA, das Abraham-Abkommen auszuweiten, indem die Normalisierung der israelisch-saudischen Beziehungen erleichtert wird.
Israel ermöglicht das regionale Engagement, die Spannungen mit den Vereinigten Staaten, den VAE und Saudi-Arabien, die im Zuge der Politik der rechtsextremen Koalition unter der Führung von Premierminister Benjamin Netanjahu entstanden sind, zu managen.
Die Ausweitung des Abraham-Abkommens, insbesondere auf Saudi-Arabien, hat für Israel und die Vereinigten nach wie vor höchste Priorität, auch wenn Riad darauf besteht, die Normalisierung der Beziehungen an Fortschritte bei der Zwei-Staaten-Lösung zu knüpfen. Es gibt zaghafte Anzeichen dafür, dass Netanjahu einigen Zugeständnissen an der palästinensischen Front zustimmen könnte, selbst um den Preis des Auseinanderbrechens seiner rechtsgerichteten Koalition, um Israels breitere regionale Integration zu nutzen und zu erhalten.
Für China, das in Kürze nach diversen Covid-19-Shutdowns den ersten örtlichen BRI-Gipfel in Beijing ausrichten wird, stellt der Imec eine Herausforderung und eine Chance dar. Beijing könnte den Imec abtun, wie es die Vereinigten Staaten mit der BRI getan haben.
Die andere Möglichkeit besteht darin, wie kurz nach dem G20-Treffen angedeutet, seine Bereitschaft zu demonstrieren, vielfältig ausgerichtete Konnektivität zu unterstützen, auch wenn sie nicht Teil des Korridors ist, unter der Maßgabe, dass solche Projekte "offen und inklusiv sind sowie Synergien bilden" und nicht zu "geopolitischen Instrumenten" werden.
Das letzte Glied in dieser neuen Konnektivitätssaga wäre Europa, insbesondere die östlichen Mittelmeerländer. Das Imec ist eine begrüßenswerte Entwicklung, da das "Global Gateway", das eigene Konnektivitätsprojekt der Europäischen Union, nicht ausreichend in Schwung gekommen ist, weil die europäischen Diplomaten in Brüssel gegenüber Strategien, Mehrfachausrichtungen und transregionalen Korridoren zögerlich sind.
Das Imec ist zwar ein Zusammenspiel von Wirtschaft, Diplomatie und Sicherheit, doch werden seine Aussichten von der Fähigkeit der Organisation abhängen, die Brücken zu fördern und das wirtschaftliche Potenzial in kommerziellen Erfolg umzusetzen.
Kritiker haben bereits darauf hingewiesen, dass die Initiative wegen fehlender Profitabilität nicht lebensfähig sein könnte. Doch es kann auch argumentiert werden, dass es neben der wirtschaftlichen Effizienz noch andere Vorteile gibt.
In einer Welt des De-Risking (Risikominimierung) und der politisch bedingten Verlagerung von Lieferketten könnte der neue Korridor als Instrument zur Förderung der strategischen Widerstandsfähigkeit, des Friendshoring (Werben um Partnerschaften) und der technischen Zusammenarbeit, insbesondere für Mittelmächte, betrachtet werden.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.
Maximilian Mayer ist Junior-Professor für International Relations and Global Politics of Technology am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS), Universität Bonn.
Gedaliah Afterman ist Leiter des Asia Policy Program am Abba Eban Institute for Diplomacy & Foreign Relations an der Reichman Universität (IDC Herzliya).
N. Janardhan ist Direktor für Forschung und Analyse an der Anwar Gargash Diplomatic Academy in Abu Dhabi. Er ist auf die Beziehungen zwischen den Golfstaaten, Asien und Afrika spezialisiert.