Können die Ukrainer militärisch siegen?

Seite 2: Fakt 2: Falsche Erklärungen für Erfolge und Stillstand

Eine größere Rolle spielen die unbestreitbaren Fakten vor Ort - im Kriegsgebiet und bei den Kriegsgegnern. Die ukrainischen Erfolge 2022 resultierten beispielsweise daraus, dass die russische Invasionsarmee in krasser Unterschätzung des ukrainischen Kriegsgegners für einen längeren Krieg anfangs völlig unterdimensioniert war. Deswegen waren die Stellungen bei Kiew nicht haltbar, erfolgten die großen Rückeroberungen durch Kiewer Truppen bei Charkiw und Cherson. Die russische Seite reagierte mit einer verspäteten Zwangsmobilisierung und einer Verstärkung der Truppen ab September 2022.

In der Folgezeit erwies sich die entstandene Front auf beiden Seiten als erstaunlich widerstandsfähig. "Russland und die Ukraine befinden sich in einer tödlichen Serie von Angriffen und Gegenangriffen" diagnostiziert seitdem die New York Times die Lage. "Kleine Gebietsgewinne sind angesichts der Verluste zu teuer erkauft."

Unter großen Mühen und Verlusten eroberten die Russen zunächst die Trümmerwüste der ehemaligen Stadt Bachmut, um kurz hinter der Stadtgrenze wieder gestoppt zu werden. Ähnlich erging es den Ukrainern im Sommer bei ihrer Gegenoffensive nach dem Durchbruch durch die vorderste russische Kampflinie im Raum Saporischschja.

Trotz dieses Einbruchs gelang es ihnen nicht, tiefer in das russisch besetzte Gebiet vorzudringen, was das eigentliche Ziel der Offensive war. Ein weiterer Fehlschlag ereignete sich vor wenigen Tagen mit dem russischen Angriffsversuch auf Andrijiwka, der nach großen Verlusten der Angreifer abgebrochen wurde. Jetzt sind wieder die Ukrainer am Dnipro am Zug.

All diese Fehlschläge hängen auch mit einem weiteren unbestreitbaren Faktum des aktuellen Kriegsgeschehens zusammen: der lückenlosen Überwachung der Kampfgebiete durch Drohnen und Satelliten, die Überraschungsangriffe, in früheren Kriegen oft die Ursache für entscheidende Siege, nahezu unmöglich macht.

Die Aufklärung der angegriffenen Seite kennt in Echtzeit das Ausmaß der Bedrohung durch Angriffe und Einbrüche und kann adäquat mit der Verstärkung lokaler Reserven reagieren. Oder mit gezielten Schlägen gegen wichtige Nachschublinien. Nur wenn solche Reserven nicht mehr in ausreichendem Maße vorhanden sind, können solche Einbrüche nicht mehr eingedämmt werden.

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